„Staatsverweigerer“: Der Anruf aus dem Kreml

Am Donnerstag ist in Graz der Prozess gegen die 14 Mitglieder des Staatenbund Österreich" fortgesetzt worden. Am vierten Verhandlungstag ging es unter anderem um einen Brief an Wladimir Putin und einen Anruf aus dem Kreml.

Die 14 Angeklagten müssen sich zum Teil wegen versuchter Bestimmung zum Hochverrat, wegen staatsfeindlicher Verbindung und zum Teil wegen Betrugs vor Gericht verantworten - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess ab Mitte Oktober (31.8.2018). Der Prozess begann am Montag. Der Staatsanwalt legte über mehrere Stunden seine Sicht der Dinge fest. Die Angeklagten tätigten zahlreiche Zwischenrufe, die Richterin hatte zu Beginn Mühe, Ordnung in den Prozess zu bringen - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess: Kurioser Auftakt. Am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag waren die Verteidiger und auch die Hauptangeklagte am Wort - mehr dazu in „Staatsverweigerer“: „Komische Ideen“. Am Mittwoch, dem dritten Verhandlungstag, ging es um die betrügerischen Taten, die die Mitglieder des „Staatenbundes“ gesetzt haben sollen - mehr dazu in „Staatsverweigerer“: Applaus im Gerichtssaal.

„Die Wahrheit ist ein zweischneidiges Schwert“

Am Donnerstag stand die Befragung der Erstangeklagten durch die Verteidiger auf dem Programm. Die Befragungen erwiesen sich jedoch langwieriger und umfassender als erwartet. Die selbsternannte Präsidentin des „Staatenbund Österreich“ hatte dabei nochmals die Möglichkeit ihre Vorstellungswelt ausführlich darzulegen. Am ersten Prozesstag bezeichnete der Staatsanwalt die Präsidentin als „Hasspredigerin“. Ihr Verteidiger wollte von ihr wissen, ob sie jemals zu Hass und Gewalt aufgerufen habe. Das habe sie nie getan, so die Erstangeklagte: Sie habe nur zu Liebe aufgerufen: „Wir wollten für die Menschen etwas verändern“, lautete die Antwort. Dann ergänzte sie aber: „Die Wahrheit ist ein zweischneidiges Schwert, auf der einen Seite zerstört es, auf der anderen Seite entsteht etwas Neues, und das kann mit Verletzungen verbunden sein. Natürlich nur psychisch, niemals körperlich“, fügte sie hinzu.

„Lauter Depperte“

„Unser Motto ist Wahrheit, Licht und Liebe“, betonte die Präsidentin immer wieder. „Wie passt das mit den Haftbefehlen zusammen, die Sie ausgestellt haben?“, wollte die Richterin wissen. „Wir wollten euch einen Spiegel vorhalten“, kam die Antwort. „Wir sind die Opfer, wir werden von diesem System permanent unterdrückt“, meinte sie, um dann ihrem Unmut Luft zu machen: „Sie stellen uns ja dar, als wären wir lauter Depperte.“

Wladimir Putin um Hilfe gebeten

Gleich darauf schilderte sie aber, dass sie einen Anruf aus dem Kreml bekommen habe, nachdem sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen Brief mit der Bitte um Hilfe geschickt habe. Ein Sekretär, der" gut Deutsch gesprochen hat", habe sich über den „Staatenbund“ erkundigt. Da fragte dann niemand mehr weiter. Ein anderer Verteidiger meinte, „ich möchte in Ihre Gedankenwelt eintauchen“. Nach über einer Stunde Befragung über Staatenbund, Bundesstaat, Gewaltentrennung und Staatsbürgerschaften machte sich eine allgemeine Erschöpfung breit, nur die Angeklagte sprach weiterhin munter von ihren „Menschen aus Fleisch und Blut“.

Zweiter Angeklagter war „Bodyguard“

Donnerstagnachmittag wurde dann auch der zweite Angeklagte befragt. Er sei hier unschuldig und unter Zwang als lebender Mensch, sagte er, bevor er sich zur Befragung vor das Mikrofon setzte. Der pensionierte Gendarm galt als Stellvertreter und enger Mitarbeiter der Präsidentin. Er schloss sich bald dem Verein an, war aber in erster Linie für die „körperliche Unversehrtheit“ der Präsidentin zuständig „mit organisatorischen Dingen habe ich nichts zu tun gehabt“, sagte er aus. Er sei eine Art „Bodyguard“ gewesen.

17 Milliarden Dollar auf dem Konto

Zum Staatenbund sei er gekommen, weil er sich für Historisches interessiert habe, aber vor allem auch für das ihm dort versprochene Treuhandvermögen von 17 Milliarden Dollar, das sei auf Nachfrage auch durch eine Schweizer Bank bestätigt worden. Die Zweifel der Richterin an der Echtheit dieser Bestätigung erreichten den Angeklagten nicht: „Haben Sie sich nie Gedanken gemacht, ob das Betrüger sind?“, wollte die Richterin wissen. „Gedanken schon, aber würden Sie es wagen, eine Schweizer Bank als betrügerisch hinzustellen?“, empörte sich der Befragte.

Kein „Ja“ zur Verfassung

Den Staatenbund versteht er als Lebenswerk der Hauptangeklagten, die er als sehr hilfsbereite, herzliche und menschliche Frau bezeichnete, die nur habe jenen helfen wollen, denen die Republik Schaden zugefügt oder Probleme bereitet hätte. Auch er sei vor Jahren wegen Vergehen im Dienst vor Gericht gestanden, sagte der Angeklagte, der auch meinte, die Funktion des Vizepräsidenten des Staatenbundes sei ihm aufgedrängt worden.

Bezahlt worden sei er auf der Spendenkasse des Bundes, die Präsidentin sei dabei oft sehr großzügig gewesen. Nicht mitgestimmt, nicht mitgemacht, nur daneben gestanden - damit rechtfertigte sich der Pensionist - er liebe Österreich, habe Österreich sein Leben gewidmet. Mehrfach befragt, ob er die Verfassung der Republik anerkenne, konnte er sich aber kein „Ja“ abringen.

Die Auflagen der Alliierten

Der Angeklagte erzählte, wie er von Bekannten gehört habe, dass beim Stammtisch des „Staatenbundes“ unter anderem „die Auflagen der Alliierten“ besprochen werden würden. „Davon habe ich in meiner Ausbildung nie etwas gehört“, meinte er. „Ist für Sie Österreich noch Besatzungszone der Alliierten?“, fragte die Richterin.

„Das kann ich Ihnen nicht sagen, es gibt dazu zwei Schreiben von der Präsidentschaftskanzlei, aber die habe ich nicht“, antwortete der Angeklagte. Er wusste nur, dass es laut dem „Kontrollgesetz der Alliierten“ keine Beamten gebe, was für ihn als pensionierten Gendarm eher ungünstig wäre. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.