Zweistündige Armutsdebatte im Landtag

Laut dem Sozial- und Armutsbericht des Landes sind in der Steiermark 190.000 Menschen armutsgefährdet, davon 50.000 Kinder - ein Thema, mit dem sich der Landtag in seiner Sitzung am Dienstag in einer zweistündigen Debatte genauer beschäftigte.

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Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) stellte im Vorfeld der Sitzung Details aus dem 256 Seiten umfassenden Bericht vor, der tiefe Einblicke in das Leben jener gibt, die nicht auf der Sonnenseite leben: So gelten 190.000 Menschen in der Steiermark als armutsgefährdet, davon 50.000 Kinder; 41 Menschen sind tatsächlich arm, wissen also oft nicht, ob und wie sie in den nächsten Tagen finanziell über die Runden kommen werden.

„Haben ein funktionierendes Sozialsystem“

Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen stieg in der Steiermark in den vergangenen Jahren um 30.000 an, die Zahl der tatsächlich von Armut Betroffenen sank hingegen aufgrund vieler Maßnahmen, so Kampus: „Wir haben den Heizkostenzuschuss, den Kautionsfonds, die Pendlerbeihilfe - um nur einige Beispiele zu nennen. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem in der Steiermark.“

Armes Kind in Plattenbausiedlung

APA/dpa/Patrick Pleul

In der Steiermark sind 50.000 Kinder armutsgefährdet

Für die von Armut Betroffenen ist das wohl nur ein schwacher Trost - deshalb müsse man der Armut ein Gesicht geben, die Ursachen beseitigen und Perspektiven schaffen, lautet das Ziel der Soziallandesrätin. So fordert sie 1.700 Euro Mindestlohn, mehr Sozialen Wohnbau und „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, wobei ihr der Soziale Arbeitsmarkt ein großes Anliegen sei.

Die Chance zu zeigen, was in einem steckt

Es gehe darum, „Menschen die Chance zu geben, sich beteiligen zu können. Arbeit müsste aus meiner Sicht auch neu definiert werden. Ich meine da nicht nur die klassische Erwerbsarbeit - ich meine auch Beschäftigung und Arbeit für Menschen, die eine Behinderung haben, Jugendliche, die gerade ein bisschen straucheln und eine zweite Chance brauchen - das heißt, Beschäftigung für Menschen die zeigen können was in ihnen steckt“, so Kampus.

Frauen als Risikogruppe

Die steirischen Grünen hoben in der Landtagssitzung am Dienstag vor allem die Situation der Frauen hervor. Landtagsabgeordnete Lara Köck verwies auf das hohe Armutsrisiko. Frauen seien nach wie vor eine Risikogruppe, so Köck die sich dabei auch auf mehrere Berichte bezog. „Frauen übernehmen noch immer den Großteil der Haus- und Familienarbeit, daraus entstehen gravierende Verschlechterungen am Arbeitsmarkt, so weisen Frauen eine geringere Erwerbsbeteiligung als Männer auf. Das wiederum hat direkte Auswirkungen auf die sozialstaatliche Absicherung. Denn unser System belohnt hohe Einkommen und durchgehende Beschäftigungen - dadurch profitieren Männer und Frauen ziehen den Kürzeren“ sagte Köck.

Kostenlose Kinderbetreuung

Fast 50 Prozent der Frauen haben laut den Grünen eine Teilzeitbeschäftigung, während 90 Prozent der Männer Vollzeit arbeiten. Die Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Arbeitsmarktsegmenten seien enorm, gerade die weiblich dominierten Branchen würden am wenigsten bekommen, sagte Köck. „Ebenso ist es, wenn wir uns die Hierarchien in der Arbeitswelt anschauen: Nur eine von zehn Personen in Vorständen und Aufsichtsräten ist eine Frau“, kritisierte die Landtagsabgeordnete der Grünen. Sie forderten eine kostenlose Kinderbetreuung.

Entschließungsantrag der Grünen abgelehnt

Die Grünen kritisierten auch, dass SPÖ und ÖVP trotz dieser Situation die Forderungen des Frauenvolksbegehrens ablehnen würden. Per Entschließungsantrag forderten die Grünen, dass sich der Landtag dafür einsetzt, dass die Forderungen des erfolgreichen Frauenvolksbegehrens 2.0 umgesetzt werden. Dafür gab es am Dienstag aber keine Mehrheit im Landtag. SPÖ und ÖVP stimmten dagegen, klagten die Grünen.

KPÖ kritisierte „SPÖ-Umfaller“ bei Mindestlohn

Kritik kam im Landtag auch von der KPÖ und zwar an der SPÖ. Diese würde im Landtag erneut gegen ihr eigene Forderung stimmen, hieß es bei den Kommunisten. Hintergrund ist die Forderung von SPÖ-Soziallandesrätin Doris Kampus nach einem Mindestlohn von 1.700 Euro brutto bei Normalarbeitszeit. Die KPÖ stellte deshalb am Dienstag einen Antrag, der Landtag solle sich bei der Bundesregierung für einen solchen Mindestlohn einsetzen. Gemeinsam mit ÖVP und FPÖ lehnte die SPÖ den Antrag jedoch ab, so die KPÖ.

SPÖ solle sich nicht weiter „durchschummeln“

Die SPÖ brachte stattdessen einen eigenen Antrag ein, in dem die eigene Forderung bis zur „Unkenntlichkeit abgeschwächt wurde“, sagte KPÖ-Landtagsabgeordneter Werner Murgg: Er appellierte an Kampus und die SPÖ, sich nicht wieder „durchzuschummeln“: „Das Lohnniveau in vielen steirischen Regionen ist sehr unbefriedigend. Trotzdem haben Sie nicht den Mumm, deutlich zu sagen: ‚Bitte liebe Bundesregierung, wir fordern einen Mindestlohn von brutto 1.700 Euro‘. Wer soll die Ankündigungen der SPÖ noch ernst nehmen, wenn Sie sich so verhalten?“ fragte sich Murgg. Ziel sei die Grundsicherung für Kinder, aber auch Sofortmaßnahmen wie etwa Heizkostenzuschüsse, oder die Wohnunterstützung für Alleinerziehende zu erhöhen, sagte KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler.

Für die ÖVP meinte Peter Tschernko, man müsse vor allem auch dafür sorgen, dass Arbeitslose wieder einen Job bekommen. Marco Triller von den Freiheitlichen appellierte, Armut gemeinsam über Parteigrenzen hinweg zu bekämpfen und Wolfgang Moitzi von der SPÖ sagte in seiner ersten Landtagsrede, man könne stolz sein auf die Leistungen der steirischen Sozialpolitik.

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