25 Jahre Briefbomben: „Das ist Geschichte“

Eine ganze Serie von Persönlichkeiten hat Briefbomber Franz Fuchs auf seiner Liste gehabt - die erste Bombe ist vor 25 Jahren in Hartberg detoniert: „Das ist Geschichte", erzählt der damals verletzte Pfarrer August Janisch heute.

Am 3. Dezember 1993 detonierte die erste Briefbombe im Pfarrhaus der oststeirischen Bezirksstadt, Janisch wurde im Gesicht und an der rechten Hand verletzt.

„Gesprächsstoff“

Pater August Janisch ist auch im Radio Steiermark-„Gesprächsstoff“ zu Gast: Im Gespräch mit Werner Ranacher spricht er über das Attentat und über die möglichen Gründe – mehr dazu in Radio Steiermark-„Gesprächsstoff“

Nach dem Adventgottesdienst in einer Volksschule wollte Janisch in seiner Kanzlei noch schnell die Post erledigen. Doch als der heute 76-Jährige den ersten Brief öffnete, explodierte dieser: Es sei wie ein Gewehrschuss gewesen, wie eine Detonation, erzählt Janisch, es habe nach Pulver gerochen, die Splitter seien in alle Richtungen geflogen.

„Mit dem müssen wir leben“

25 Jahre später habe er die Ereignisse von damals gut verarbeitet: „Ja, heute ist das kein Problem, und ich muss auch ehrlich sagen, ich denke auch nicht einmal jedes Jahr daran. Das ist Geschichte, es gehört zu meiner Lebensgeschichte dazu, gehört zur Geschichte Österreichs dazu, und mit dem müssen wir leben“, meint der Zisterzienserpater, der mittlerweile im Stift Rein bei Graz tätig ist.

Pater August Janisch

Sonntagsblatt für Steiermark

Zum Ziel wurde er aufgrund seines Engagements für Flüchtlinge: Gemeinsam mit der Caritas hatte man als erste Einrichtung Flüchtlingsbetreuer angestellt, „und so ist Franz Fuchs auf uns aufmerksam geworden“, vermutet Janisch, der sich auch heute noch in der Flüchtlingsarbeit engagiert.

Auftakt zu einer furchtbaren Terrorserie

Am selben Tag wie Janisch erhielt auch ORF-Minderheitenreporterin Silvana Meixner eine Briefbombe und wurde - so wie der Pfarrer - schwer verletzt. Es war der Auftakt zu einer furchtbaren Terrorserie, die das Land fast vier Jahre in Atem hielt - mehr dazu auch in 25 Jahre Briefbomben: Die Chronologie: Zwei Tage später verstümmelte eine Briefbombe dem damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk die linke Hand. Im August 1994 verlor der Polizist Theo Kelz beide Unterarme, als eine Rohrbombe, die Fuchs auf dem Gelände der Rennerschule in Klagenfurt deponiert hatte, beim Abtransport explodierte.

„Bajuwarische Befreiungsarmee“

Seine Anschläge verübte Fuchs unter dem Pseudonym „Bajuwarische Befreiungsarmee“. Dass diese „Armee“ aus nur einem Täter bestand, wollten so manche nicht glauben: Noch lange nach Fuchs’ Tod tauchten Theorien auf, welche die Einzeltätertheorie in Frage stellten.

Mit seiner zweiten Rohrbombe tötete Fuchs im Februar 1995 in Oberwart die vier Roma Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und Erwin Horvath - als sie die Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ entfernen wollten.

Zufällig gefasst

Erst im Oktober 1997 wurde der Attentäter zufällig in seinem Heimatort Gralla südlich von Graz gefasst: Er wurde am Steuer seines Autos von der Gendarmerie kontrolliert, wähnte sich überführt und zündete eine Bombe, die ihm beide Hände zerfetzte. Vor Gericht brüllte Fuchs rechtsextreme Parolen wie „Reinrassige Tschuschenregierung - nein danke!“ und wurde schließlich von der Verhandlung ausgeschlossen.

Franz Fuchs beim Prozess

APA/Hans Techt

Zu lebenslanger Haft verurteilt, erhängte sich Fuchs rund ein Jahr später in seiner Zelle in der Justizanstalt Karlau in Graz mit dem Kabel seines Rasierers.

Vor Hintergrund heftiger Migrationsdebatten

Wie Historiker später meinten, seien die Briefbomben-Attentate vor dem Hintergrund der damals immer intensiver geführten Migrationsdebatte zu sehen. Die Jahre 1993 bis 1997 waren demnach gekennzeichnet von den geografisch nahen Balkankriegen, der Ostöffnung, den Zuwanderungswellen aus den Krisen- und Kriegsgebieten und dem Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider.

Das innenpolitisch aufgeheizte Klima sei massiv von einer Angst vor Zuwanderung und Überfremdung geprägt gewesen. Auch Betroffene der Attentate wie Pfarrer Janisch und Grün-Politikerin Terezija Stoisits sahen den Nährboden in späteren Interviews in einer durch Haider geschürten ausländerfeindlichen Stimmung und dem Volksbegehren „Österreich zuerst“ der FPÖ.