Asyl: Kritik an nächtlicher Anwesenheitspflicht

Österreichweit ist eine Diskussion darüber entfacht, ob Asylwerbern in Unterkünften des Bundes oder des Landes eine nächtliche Anwesenheitspflicht auferlegt werden soll. Steirische Menschenrechtsexperten üben Kritik.

Zahl der Asylwerber ging zurück

Nach der Flüchtlingswelle vor drei Jahren sank die Zahl der Asylsuchenden bzw. der Asylquartiere in der Steiermark deutlich: 2016 waren hier mehr als 14.000 Menschen in Grundversorgung - derzeit sind es 4.500. 2018 wurden steiermarkweit knapp 90 Flüchtlingsquartiere geschlossen.

Über eine Hausordnung in den Quartieren will die Bundesregierung die Ausgangssperre zwischen 22.00 und 6.00 Uhr festsetzen - mehr dazu in Asyl: Verfassungsjuristen zu Anwesenheitspflicht skeptisch (news.ORF.at). Die Caritas, die in steirischen Einrichtungen derzeit rund 1.100 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stellt, hält diese Maßnahme für mehr als bedenklich. Die Leiterin der Abteilung für Asyl und Integration, Bettina Schifko, spricht von einem Generalverdacht, unter den die Menschen mit dieser Anwesenheitspflicht gestellt würden.

Sie betont: „Ich sehe momentan auch keine Rechtsgrundlage dafür, dass wir Menschen, die keinen Straftatbestand begangen haben und nicht verurteilt sind, einsperren. Ich halte es für absolut unmenschlich, Menschen, die zu uns kommen, weil sie aus ihrem Heimatland flüchten mussten, einzusperren - nur weil sie hier sind. Wir haben natürlich unter Asylwerbern Menschen, die mit psychischen Traumata kommen, da gilt es besonders gut zu betreuen und ihnen entsprechende Hilfe anzubieten.“

Anwesenheitspflicht „bleibt Ausgehverbot“

In vielen Fällen sei eine solche Maßnahme auch gar nicht umsetzbar: Laut Bettina Schifko wohnt ein Viertel der Asylwerber in der Steiermark in privaten Einrichtungen - hier könnten weder das Land noch der Bund Vorschriften erlassen.

Dass die Regierung mittlerweile nicht mehr von einem Ausgehverbot, sondern einer Anwesenheitspflicht spricht, macht für Schifko keinen Unterschied: „Nur weil sie eine andere Unterschrift nehmen, bleibt es trotzdem ein Ausgehverbot und es bleibt trotzdem eine Beschränkung der Freiheit der Personen.“

Verweis auf Menschenrechtskonvention

Der Grazer Menschenrechtsexperte Wolfgang Benedek verweist in der Diskussion auf den Artikel Fünf der europäischen Menschenrechtskonvention: „Da ist festgehalten, dass die Freiheit nur unter gewissen, genau vorgeschriebenen Formen entzogen werden kann - etwa bei Straf-, Untersuchungs- oder Auslieferungshaft.“

Eine Aufenthaltspflicht würde jedenfalls der EU-Aufenthaltsrichtlinie und der österreichischen Bundesverfassung zum Schutz der persönlichen Freiheit widersprechen: „Man kann eine Hausordnung sicherlich so gestalten, dass man eine Nachtruhe von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr verfügt - das kann aber nicht dazu führen, dass erwachsene Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit absolut gehindert sind.“

Benedek spricht von „Symbolpolitik“

Benedek spricht wörtlich von einer Symbolpolitik der Regierung, die laut FPÖ-Vizekanzler Heinz Christian Strache mit der nächtlichen Anwesenheitspflicht die Zahl der Gewalttaten durch Flüchtlinge senken will - wenn jemand die Absicht habe einem anderen etwas anzutun, könne er das auch vor 22.00 Uhr tun. Mit dieser Maßnahme würde die Politik lediglich Migranten und Asylwerber kriminalisieren, so der Menschenrechtsexperte.

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