Zirngast lässt sich nicht einschüchtern

Der Journalist Max Zirngast wartet in der Türkei weiter auf seinen Prozess. Der Steirer lässt sich aber von der Anklage weiterhin nicht einschüchtern. Es sei wichtig, nicht den Mund zu halten, sagte der freie Journalist jetzt in einem Interview.

Die türkischen Behörden werfen dem Steirer Mitgliedschaft in einer linksgerichteten Terrororganisation vor. Max Zirngast war mehrere Monate in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Türkei inhaftiert. Am 24. Dezember kam der Steirer dann frei, jedoch unter strengen Auflagen. Der Journalist darf die Türkei weiterhin nicht verlassen, er muss in dem Land auf seinen Prozess im April warten. Mehr dazu in „Weihnachtsgeschenk“: Zirngast auf freiem Fuß (26.12.18) und Zirngast sieht sich als „politischen Gefangenen"(2.1.19).

"Ich sage nichts strafrechtlich Relevantes“

In einem Interview mit der Austria Presse Agentur sagte Zirngast, der Sinn einer Anklage wie sie gegen ihn vorliege, sei nämlich, die betroffene Person zum Schweigen zu bringen, deshalb sei es wichtig, nicht den Mund zu halten. „Die öffentliche Aufmerksamkeit hingegen hilft nicht nur mir, sondern demokratischen Stimmen in der Türkei insgesamt“, erklärte Zirngast. „Ich sage ja nichts, was strafrechtlich relevant ist. Das habe ich auch vorher nicht gemacht“, betonte er.

Terrorvorwürfe seien Taktik

Die ihm vorgeworfene Mitgliedschaft in der illegalen Organisation TPK/K (Türkiye Komünist Partisi/Kivilcim, Türkische Kommunistische Partei/Funke) wies Zirngast erneut zurück. Er hält es in dem Interview für höchst fraglich, ob es diese Organisation überhaupt gebe. Der Journalist bezeichnete die Art von Terrorvorwürfen als Taktik, die in der Türkei schon lange existiere, um unliebsame Stimmen in rechtliche Bedrängnis und in Verruf zu bringen. Er müsse sich jetzt mit den Terrorvorwürfen auseinandersetzen, obwohl kein einziger Beweis für Verbindungen zu einer Terrororganisation vorgelegt worden sei.

Gerichte können Terrororganisation nicht belegen

„Es ist logisch unmöglich über die Nicht-Existenz von etwas ein definitives Urteil zu fällen, aber tatsächlich gibt es keine Entscheidung irgendeines Gerichts in der Türkei, die die Existenz der Organisation bestätigen würde“, so Zirngast. Stattdessen gebe es zwei Urteile von verschiedenen Gerichten die besagten, dass deren Bestehen nicht belegt werden konnte. Auch in der Anklageschrift stehe nach 1995/1996 nichts Konkretes mehr zur Geschichte der TPK/K. Selbst wenn es heute noch Reste der Organisation geben sollte, so wisse er über diese nichts und habe zu diesen keinen Kontakt, sagte der Student der Politikwissenschaften.

Zirngast will mögliche Verurteilung beeinspruchen

Selbst bei einer Verurteilung mit einem geringen Strafausmaß und ohne dass er wieder ins Gefängnis müsste, wolle er Einspruch erheben, um die Schaffung eines negativen Präzedenzfalles zu vermeiden, kündigte Zirngast in dem APA-Interview an. „Es geht mir nicht darum, zu sagen, ‚Ich will hier raus und alles andere ist mir egal‘, sondern der Fall hat auch rechtliche Konsequenzen für andere Personen.“ Sollte es notwendig sein, wolle er alle Instanzen in der Türkei durchlaufen und auch internationale Institutionen anrufen.

Bedenkliche Verhältnisse in der Türkei

Zirngast bestätigte weiter, dass das Verhältnis zwischen Judikative und Exekutive in der Türkei bedenklich sei. „Die Informationen, die die Polizei mit welchen Methoden auch immer erstellt, werden zumindest im ersten Teil des Prozesses, bis die Anklageschrift erstellt und vom zuständigen Gericht gesehen wurde, unhinterfragt übernommen.“ Die Position, die die Polizei erarbeite, sei somit bestimmender als sie sein sollte, unterstrich er.

Zirngast sieht sich in seinem eigenen Fall bestätigt. „Wenn die Polizei nicht so sehr darauf aus gewesen wäre, uns in ein bestimmtes Licht zu rücken und möglichst ins Gefängnis zu schicken, wäre dies nicht passiert, da es tatsächlich keinen stichhaltigen Beweis gibt, der die Anklage - die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation - nahelegen würde.“

Schnellverfahren zu Inhaftierungen

Der Steirer kritisierte auch die Schnellverfahren aufgrund des Personalmangels von Staatsanwälten und Richtern in der Türkei. In zehn- bis 15-minütigen Verfahren, die keine fundierte Entscheidung zulassen würden, werde über eine eventuelle Inhaftierung verhandelt, so Zirngast. Durch den Putsch und den verhängten Ausnahmezustand seien sehr viele Richter entlassen und oft durch junge und unerfahrene Personen ersetzt worden, das schwäche die Stellung der Judikative gegenüber der Exekutive noch einmal, sagte der Steirer.

Privilegierte Position durch Ausländerstatus

Aufgrund seiner ausländischen Staatsbürgerschaft sah sich der freie Journalist in dem Interview teilweise in einer besseren Position als zehntausend andere politische Gefangene, darunter Journalisten, Akademiker, Abgeordnete und Gewerkschafter. „Die europäische Öffentlichkeit und mein Status haben mir sicher geholfen, dass es so schnell gegangen ist mit meiner Freilassung. Dahingehend bin ich in einer privilegierten Position.“

„Sehr gerne in der Türkei“

Darüber, ob er nach einem etwaigen Freispruch in der Türkei bleiben wolle, habe er noch nicht nachgedacht, sagte Zirngast. Er zweifelte darüber hinaus, sich dahingehend frei entscheiden zu könne. Derzeit müsse er sich erst um ein neues Visum bemühen, da er seinen Termin zur Ausstellung eines neuen Aufenthaltstitels aufgrund der Haft versäumt habe. „Wäre kein Ausreiseverbot verhängt worden, wäre ich abgeschoben worden“, erklärte der Aktivist. Grundsätzlich sei er „sehr gerne“ in der Türkei und habe viele gute Freunde dort. „Es gibt wundervolle Personen in diesem Land und es würde mir natürlich wehtun, wenn ich sie gar nicht mehr sehen könnte.“