Masernfälle: Ansturm auf Impfstellen

14 bestätigte Masernfälle sind es derzeit in der Steiermark, die Zahl dürfte noch ansteigen. Es gibt mittlerweile einen Ansturm auf Impfstellen und Kinderarztpraxen - und eine Diskussion über Impfpflicht oder Anreizsysteme.

Nach den ersten Masernfällen in der Steiermark hat das LKH Graz am Donnerstag vorerst keine neuen Verdachtsfälle bei Säuglingen verzeichnet. Jene fünf, die am Mittwoch in die Kinderklinik bestellt worden waren, sind therapiert und dürfen wieder nach Hause.

Österreichweit sind nur 84 Prozent der Bevölkerung gegen Masern geimpft, damit liegt Österreich EU-weit an viertletzter Stelle.

Vollbetrieb und Beratung

In vielen Arztpraxen und Impfstellen herrschte am Donnerstag Vollbetrieb - so auch in der Grazer Impfstelle. Erwachsene und Kinder, die noch nicht geimpft sind, oder sich einfach nicht sicher sind, ob sie ausreichenden Impfschutz haben, werden in der Impfstelle beraten und können sich gleich gratis gegen Masern impfen lassen - täglich von 8.00 bis 13.00 Uhr.

Sonderimpfaktion an Grazer Schulen

Seit Mittwoch wurden alle Schulen im Raum Graz von Mitarbeitern der Impfstelle angeschrieben, kurzfristige Impftermine wurden organisiert. „Seit Bekanntwerden der Infektion eines Grazer Schülers ist die Impfbereitschaft stark gestiegen. Wir bieten unseren Grazer Schulen kurzfristig Termine an, um gleich vor Ort beraten und impfen zu können“, erklärte Eva Winter, Leiterin des Gesundheitsamtes. Masern haben eine Inkubationszeit von bis zu 21 Tagen, wenn man rasch reagiere, könne eine zweite Welle von Infektionen verhindert werden, so Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer (KPÖ).

Die Gratisimpfung wird an Impfstellen des Landes, von den Bezirkshauptmannschaften und allen Haus- und Kinderärzten angeboten.

Ärztin: Viele ziehen Impftermin vor

Auch beispielsweise in der Praxis von Alja Gössler in Gleisdorf häufen sich derzeit Anfragen besorgter Eltern. Für Freitag hat die Kinderärztin einen reinen Masern-Impfvormittag angesetzt, für den es schon rund 20 Anmeldungen gibt: „Ich hab gestern viel geimpft, ich hab heute schon viel geimpft. Wir haben Viele, die zum Beispiel einen Termin in einem Monat haben und den Termin nun vorziehen. Wir haben ein paar, die skeptisch gegenüber Impfungen sind und nun beschlossen haben, doch impfen zu lassen. Wirkliche Gegner, die sagen, dass sie jetzt doch impfen lassen, hab ich noch nicht. “

Impfpass kontrollieren, Impflücken schließen

Verstärkt nachgefragt wird die Masernimpfung derzeit auch am Institut für Hygiene an der Meduni Graz, wo am Donnerstag noch eine Reihe Patientenproben getestet wurden. Andrea Grisold vom Institut für Hygiene empfahl allen, zunächst den Impfpass zu kontrollieren. Zwei Mal sollte darin eine Masern-Mumps-Röteln-Impfung angeführt sein. Wenn nicht, wird dringend geraten sich oder das Kind impfen zu lassen. Am Donnerstag rief der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), Thomas Szekeres, Patienten und Ärzte dazu auf, „regelmäßig ihren Impfstatus kontrollieren und auftretende Impflücken umgehend schließen“.

ÖVP und SPÖ für Impfung im Mutter-Kind-Pass

Angesichts der aktuellen Masernwelle ist auch die Impfrate in der Steiermark im Gespräch. Die steirischen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sprachen sich für eine Verankerung der Impfung im Mutter-Kind-Pass aus. Die beiden Klubobleute und Gesundheitssprecher Barbara Riener (ÖVP) und Hannes Schwarz (SPÖ) erklärten am Donnerstag in einer gemeinsamen Aussendung: „Um eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent zu erreichen, müssen wir Maßnahmen setzen. Eine solche wäre die Verankerung im Mutter-Kind-Pass, die allerdings einer bundesgesetzlichen Regelung bedarf. Dazu sollen auch entsprechende parlamentarische Schritte folgen.“

Genstamm-Spur führt in die Ukraine

Die Spur der österreichischen Masernfälle führt übrigens in die Ukraine: Wie Landessanitätsdirektion angab, handelt es sich bei den steirischen und auch sieben salzburgerischen Fällen um einen Genstamm aus der Ukraine. Dieser könnte durch Touristen eingeschleppt worden sein. Der 15-Jährige dürfte sich bei einem Ski-Urlaub im Raum Zell am See angesteckt haben.

FPÖ: Landesweite Kampagne nötig

FPÖ-Landtagsabgeordneter Arnd Meißl erklärte am Donnerstag dazu, eine landesweite Impfkampagne sei notwendiger denn je. Die steirischen Freiheitlichen befassten sich bereits seit Jahren mit der Problematik sinkender Durchimpfungsraten, sagte Meißl laut einer Aussendung.

Experten für Anreizsystem

Mediziner und Experten sprechen sich zwar gegen die nun diskutierte generelle Impfpflicht aus, schlagen aber ein Anreizsystem vor - mehr dazu in Masernimpfung: Mediziner für Anreizsystem.

Die Bildungsdirektion in der Steiermark forderte alle Schulärzte auf, die zuständigen Amtsärzte dabei zu unterstützen, mögliche Kontaktpersonen ausfindig zu machen und die Notwendigkeit einer Impfung deutlich zu machen.

Volksanwaltschaft fordert Impfpflicht

Volksanwalt Günther Kräuter hatte erst vor wenigen Tagen „endlich wirksame gesundheitspolitische Maßnahmen“ gefordert: „Seit Jahren fordert die Volksanwaltschaft eine konsequente Gesundheitspolitik gegen die hochansteckenden und gefährlichen Masern. Vor allem Kleinkinder, die noch nicht geimpft werden dürfen, sind die Leidtragenden.“

Statistisch gesehen würde ein an Masern Erkrankter rund 18 Personen anstecken. Eine Masernimpfpflicht müsse in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen werden, was die Gesundheitsministerin allerdings bisher gegenüber der Volksanwaltschaft abgelehnt habe. „Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Diese Chance muss ergriffen werden, denn Aufklärungskampagnen und Appelle haben sich als letztlich wirkungslos erwiesen“, sagte Kräuter.

Hartinger-Klein: „Selbstbestimmung“

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sprach sich unterdessen am Mittwoch erneut gegen eine Impfpflicht aus: Man setze auf „Selbstbestimmung“ und Aufklärung durch das Gesundheitspersonal, dass Impfungen sinnvoll seien, sagte sie am Rande des Ministerrats - mehr dazu in Verdacht auf Masern: Bereits 50 Behandlungen (30.1.2019).

Lebenslanger Schutz mit zweiter Impfung

Schon die erste Teilimpfung würde laut WHO einen 95-prozentigen Schutz bieten. Mit der zweiten Impfung ist man lebenslang geschützt. Babys können erst ab dem zehnten Lebensmonat geimpft werden. Ist die Mutter geimpft, haben Säuglinge in den ersten Lebensmonaten aber einen Nestschutz, so Andrea Grisold vom Institut für Hygiene. Ungeschützt und damit anfällig sind Babys zwischen dem fünften und zehnten Lebensmonat.

Hier riet die Expertin zur Vorsicht: „Man sollte sicher Menschenansammlungen vermeiden, nicht zum Babyschwimmen oder in die Kinderkrabbelstube gehen. Andererseits, würde hier ein Masernfall auftreten, würde man über die Amtsärzte informiert werden, sodass man Maßnahmen ergreifen kann.“