Arzt-Prozess: Sohn sollte Vater Spritzen setzen

Im Prozess um den oststeirischen Arzt ist am Nachmittag der Sohn befragt worden. Er belastete den Vater mit seinen Aussagen schwer. Außerdem wurden Familienvideos gezeigt, die die Kinder rauchend und trinkend zeigen.

Die Videos zeigen teils verstörende Szenen, die tief in das Leben der Familie blicken lassen. Der heute 21-jährige Sohn dreht als Volksschulkind auf seinem Tretroller mit einer rauchenden Zigarette im Mund seine Runden. Der Vater filmt drei seiner Kinder im Pflicht- und Volksschulalter, wie er sie am Tisch zu einem Bierwett-Trinken animiert. Die Kinder leeren ein Glas nach dem anderen - bis sie torkelnd hin- oder vom Sessel fallen. Sie lallen nur noch, im Hintergrund ist das Lachen des angeklagten Vaters zu hören. „Ich hätte früher einschreiten müssen bevor sie so viel trinken“ sagt der Arzt vor Gericht.

Marihuana und „alles voll Blut“

Dann folgt die dreistündige Zeugeneinvernahme des Sohnes. Die Befragung wird per Videokonferenz aus einem anderen Raum des Gerichtes übertragen, damit der Sohn im Gerichtssaal dem Vater nicht gegenüber treten muss. Er erzählt von ständigen Selbstmorddrohungen und Selbstverletzungen des Vaters in Anwesenheit der Kinder. Davon, dass er ihnen Marihuana zu rauchen gab. Etwas, dass der Angeklagte am Vormittag noch vehement leugnete.

Und er erzählt, wie der Sohn seinem Vater als Elfjähriger zwei Jahre lang immer wieder Medikamente venös spritzen musste. „Er ist im Bett gelegen und alles war voll Blut“, erinnerte sich der Sohn. Weigerte er sich dem Vater die Spritzen zu setzen, habe ihn dieser als Verräter beschimpft und ihn beschworen, der Mutter nicht davon zu erzählen. Sie würde sich sonst scheiden lassen und die Schwester würde sich dann umbringen. Damit habe der Vater versucht, ihm Schuldgefühle einzureden, so der Sohn vor Gericht.

Sohn: Schimmliges Brot für Kinder

Weiters habe der Vater verschimmeltes Brot vom Komposthaufen geholt, den Schimmel weggeschnitten und ihm zu essen gegeben, erzählt der 21-Jährige. Er habe sich auch geweigert ihm Nachhilfeunterricht zu bezahlen. Sein Vater sei genau das Gegenteil von dem, was man als einen sozialen Menschen bezeichnet, sagt der Sohn. Ihm wurde eine generalisiere Angststörung bescheinigt.

Am Ende des Prozesstages ist noch einmal der Angeklagte am Wort. Das verschimmelte Brot habe er nicht seinen Kindern, sondern den Ziegen und Hühnern gegeben. Die Nachhilfe habe er deshalb nicht bezahlt, weil er seine Kinder zu mehr Selbstständigkeit erziehen wollte und er habe sich stets um seine Kinder gekümmert. Mit dem Sohn habe er eine Woche lang für die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium gelernt und ihn täglich an der Bushaltestelle von der Schule abgeholt. Der Prozess geht in der nächsten Woche mit der Befragung einer Tochter des Angeklagten weiter.

Käsepappel statt Cannabis

Am Vormittag wurde der Arzt selbst befragt. Es ging um die Frage, ob er selbst Drogen konsumiert oder seinen Kindern verabreicht hat. Zum Teil sind die Argumentationen des Angeklagten nicht einfach nachzuvollziehen. Er selbst habe einmal Marihuana von einem Bekannten gegen seine Schulterschmerzen nach einem Radunfall konsumiert. Seinen Kindern habe er niemals Cannabis verabreicht, beteuert er mehrmals vor Gericht.

Die Kinder hätten das zwar verlangt, der Vater habe ihnen aber lediglich eine Mischung aus Käsepappel und Pfefferminztee in einem Plastiksäckchen übergeben und vorgetäuscht, dass es Cannabis sei. Er habe testen wollen, ob sie tatsächlich Cannabis rauchen. Eine Tochter habe sich bei ihm beschwert, dass das Zeug nur stinken würde und sie sich vor ihren Freundinnen blamiert hätte. Aus Spaß habe der Arzt gesagt, sie müsse halt mehr davon nehmen.

Der Richter legte dem Angeklagten auch Fotos von Cannabisstauden im Haus seiner Eltern vor. Diese Fotos sehe er heute zum ersten Mal, so der Mann. Einigen seiner vier Kinder soll der Mediziner im Alter von fünf und sechs Jahren eine Zigarette rauchen haben lassen. Er wollte nämlich nicht, dass sie später zu rauchen beginnen. Eine Studie habe gezeigt, dass das Gehirn es als negativ abspeichern würde, wenn ein Kind in jungem Alter eine Zigarette probiere.

Fotos gestellt

Es gibt auch Fotos auf denen die Kinder mit einer Zigarette zu sehen sind. Die seien gestellt und aus Spaß gemacht worden, so der Beschuldigte. Auf die Frage ob er seinen Kindern Alkohol verabreicht habe, sagt er: Seinem Sohn habe er im Alter von fünf Jahren einen Schluck Bier zum Kosten gegeben, mehr nicht.

Der Mann gab auch zu, einer Tochter Schmerz- und vor der Matura auch Schlafmittel verschrieben zu haben. Nicht unkontrolliert, sondern aus medizinischen Gründen zwei Packungen zu je zehn Stück. Die Haushälterin hatte im Schlafzimmer des Mädchens auch Ampullen mit Schmerzmittel entdeckt. Die seien aber nicht von ihm gewesen, beteuert der Angeklagte bei seiner Befragung. Dass seine Tochter schließlich drogenabhängig wurde, sei nicht auf seine Schmerzmittel zurückzuführen. Sie habe einen drogensüchtigen Freund gehabt, betonte der Beschuldigte.

Prozess neu aufgerollt

Der praktische Arzt soll seine Kinder in erster Linie verbal gequält haben, indem er laut Anklage mit Selbstmord drohte oder sie mit abfälligen Äußerungen kränkte. Er fühlte sich in keiner Weise schuldig, der Richter beim ersten Prozess sah einen „verspäteten Rosenkrieg“ im Zuge der Scheidung.

Der Prozess musste Ende Februar allerdings mit einem neuen Richter wiederholt werden - mehr dazu in Prozess um steirischen Arzt: Chaotischer Auftakt (26.2.2019). Nach Ansicht des Oberlandesgerichts waren Beweisergebnisse nicht ausreichend erörtert worden. Der Angeklagte fühlte sich weiterhin nicht schuldig.