Identitäre: Grazer FPÖ-Chef ortet „Hysterie“

Die Diskussion über mögliche Verbindungen der FPÖ mit den Identitären hat zu einem Konflikt in der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung geführt. Der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) sprach nun von „Hysterie“.

Die Diskussion über mögliche Verbindungen der FPÖ mit der Identitären Bewegung hat zuletzt an Intensität zugenommen und zu einem ersten auch offen ausgetragenen Konflikt in der türkis-blauen Bundesregierung geführt.

Grazer Stadtregierung gab sich harmonisch

In Graz, wo ebenfalls eine schwarz-blaue Regierung arbeitet, können die Identitären der ÖVP-FPÖ-Harmonie offenbar nichts anhaben. Bei einer Bilanzpressekonferenz präsentierten sich Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Vizebürgermeister Eustacchio am Donnerstag als fleißige Arbeiter, die ihre Meinungsverschiedenheiten hinter verschlossenen Türen austragen würden.

Verbindungen wieder aufgegriffen

Auch die Verbindungen der Grazer FPÖ zur Identitären Bewegung wurden in den vergangenen Tagen von Medien wieder aufgegriffen. Jene von Gemeinderat Heinrich Sickl etwa, der Räumlichkeiten in Graz an die Identitären vermietet haben soll - und jene des Grazer FPÖ-Chefs und Vizebürgermeisters Eustacchio, der 2016 in Spielfeld an einer Identitären-Demo teilnahm und im Vorjahr auf einem Identitären-Kongress als Redner auftrat - mehr dazu in Die FPÖ und die Identitären (news.ORF.at) und in Identitäre: Grünen-Kritik nach Kurzmann Auftritt (steiermark.ORF.at; 28.3.2019).

Mario Eustacchio, Siegfried Nagl

ORF

Eustacchio: Kein Grund sich zu distanzieren

An seiner Sichtweise der Identitären habe sich nichts verändert, sagte Eustacchio am Donnerstag. Vorwürfe, die keine Grundlage hätten, seien generell abzulehnen: „Wenn jemand rechtskräftig verurteilt würde, dann gibt es eine Basis. Das ist die Basis des Rechtsstaates. Aber das ist nicht der Fall, und daher verstehe ich diese Hysterie - sage ich jetzt ganz bewusst - überhaupt nicht. Und es gibt auch keinen Grund, sich von irgendetwas zu distanzieren.“

Auch nicht von seiner Teilnahme an der Spielfeld-Demo der Identitären. Diese sei kein Problem gewesen, so Eustacchio, sei es doch darum gegangen, darauf hinzuweisen, dass bei der Flüchtlingskrise rechtswidrig Boden betreten wurde.

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Der Grazer FPÖ-Chef Eustacchio zur Diskussion über die Verbindung zwischen Identitären und FPÖ

„Was ist konkret der Vorwurf?“

Die aktuelle Kritik an den Identitären kann der Grazer FPÖ-Chef nicht nachvollziehen: „Es sollte mir bitte jemand mal sagen, was ist konkret der Vorwurf? Meines Erachtens versucht man zu kriminalisieren, dass eine Gruppe einen anderen Zugang zu Themen hat, einen anderen Zugang zur Integration, und dass sie nicht wollen, dass sich die Struktur von Europa durch Zuwanderung verändert. Und das kann ich auch unterschreiben, da sehe ich keine Problematik darin.“

„Selbstverständlich“ interne Gespräche

Die Haltung und die Aussagen der Bundespartei wollte Eustacchio nicht kommentieren. Innerhalb der Grazer schwarz-blauen Koalition habe man „selbstverständlich“ über das Thema Identitäre gesprochen, sagten Eustacchio und Koalitionspartner Bürgermeister Nagl. Im Gegensatz zur Bundesregierung sehen aber beide keine Notwendigkeit eines Handlungsbedarfs oder einer Klarstellung - mehr dazu in Identitäre: Jetzt will Auskunft über Verbindung zu FPÖ-Ministerien (news.ORF.at).

Kritik von SPÖ und Grünen

Freilich anders sahen das SPÖ und Grüne, die eine Distanzierung Nagls forderten. Wie „gleichgültig“ Bürgermeister Nagl gegenüber den „engen personellen und inhaltlichen Überschneidungen“ seines Koalitionspartners mit den Identitären ist, sei „erschütternd“, so der Klubobmann der Grazer Grünen Karl Dreisiebner. Konsequenzen forderte der stellvertretende SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Moitzi: "Will die FPÖ als demokratische Partei ernstgenommen werden, muss sie endlich eine scharfe Trennung zum Rechtsextremismus schaffen. Auch der Grazer Bürgermeister muss sich überlegen, ob die Koalition mit einer solchen FPÖ noch tragbar ist.“

Landes-ÖVP: „Kunasek muss reinen Tisch machen“

ÖVP-Landesparteigeschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg zeigte sich in einer Reaktion „irritiert“ von den Aussagen des stellvertretenden FPÖ-Landesparteiobmanns Mario Eustacchio: „Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass Landesparteiobmann Minister Mario Kunasek hier einschreitet und endlich reinen Tisch macht.“ Tag für Tag kämen neue Hinweise auf Querverbindungen zwischen den steirischen Freiheitlichen und höchsten Vertretern der Identitären ans Licht. Mittlerweile seien vor allem immer mehr Fotos im Umlauf, die Minister Kunasek und steirische FPÖ-Abgeordnete gemeinsam mit Identitären zeigen. „Wo bleibt hier die Erklärung von Kunasek? Wo bleibt die unmissverständliche Abgrenzung, wie sie von Vizekanzler Strache bereits gemacht wurde“, fragte sich Eisel-Eiselsberg.

Kunasek zog Notbremse beim Heer

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) zog unterdessen woanders die Notbremse. Nach Medienberichten und einer Pressekonferenz des Jetzt-Abgeordneten Peter Pilz, wonach Sperrvermerke für rechtsextreme Identitäre beim Bundesheer gelockert worden sind, wies Kunasek an, den gelockerten Umgang mit Soldaten, die Mitglieder oder Unterstützer der rechtsextremen Identitären sind, zurückzunehmen - mehr dazu in Kunasek nimmt Lockerung beim Heer zurück (news.ORF.at).

Positive Zwischenbilanz der Stadtregierung

Eigentliches Thema bei der Pressekonferenz war die Bilanz der schwarz-blauen Stadtregierung, die jetzt seit genau zwei Jahren im Amt ist - und diese Bilanz fiel wenig überraschend positiv aus.

Von den 207 in der „Agenda 22“ niedergeschriebenen Punkten sind bereits 119 umgesetzt, was fast 60 Prozent entspricht. Weitere 28 Prozent würden sich in Umsetzung befinden, hieß es. Nagl und Eustacchio hoben den Straßenbahnusbau, den Reininghaus-Baustart und die Arbeiten am neuen Lebensraum Mur hervor.

Weil man mit der Umsetzung der Vorhaben schneller vorankomme als geplant, werde man bereits im Herbst die Fortsetzung des Regierungsprogramms „Agenda 22 Plus“ präsentieren, hieß es.