Identitäre: Eustacchio geht nun doch auf Distanz

Nach den Diskussionen über die Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären zieht die FPÖ die Reißleine. Der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio geht jetzt doch auf Distanz und kündigt auch an, dass das umstrittene Mietverhältnis aufgelöst wird.

Der Grazer FPÖ-Chef Eustacchio hatte zunächst keinen Grund zur Abgrenzung von den Identitären gesehen, was deutliche Reaktionen des Koalitionspartners ÖVP und des Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP) auslöste – mehr dazu in Identitäre: Grazer FPÖ-Chef ortet „Hysterie“ und in Nagl fordert Klarstellung von Eustacchio sowie in Identitäre: Schützenhöfer für Abgrenzung.

In einem Doppelinterview gemeinsam mit dem steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek in der „Kronen Zeitung“ ruderte Eustacchio am Montag zurück. „Ich habe gesagt, dass ich drei Positionen der Identitären unterschreiben kann: deren traditionelles Familienbild ‚Vater-Mutter-Kind‘ sowie ihre Haltung zu Islamisierung und Zuwanderung. Ich habe allerdings nicht gesagt, dass ich alles unterschreibe, was die Identitären tun und denken.“

Kunasek: „Es geht um Parteihygiene“

Verteidigungsminister Kunasek stellte außerdem klar: „Wenn sich jemand mit den Identitären auch nur solidarisiert, hat er in der FPÖ nichts zu suchen. Das ist parteischädigendes Verhalten und hat den Ausschluss zur Folge.“ Es gehe um „Parteihygiene“, meinte Kunasek.

Es waren die am Freitag bekanntgewordenen Hakenkreuz-Aufkleber an einer Synagoge, die Eustacchio jetzt zur Distanzierung bewegten. Identitären-Chef Martin Sellner hatte als Jugendlicher im Jahr 2006 Hakenkreuz-Kleber an der Synagoge in Baden bei Wien angebracht. Damit sei eine „rote Linie klar überschritten“ worden, so der Stellvertreter des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP). „Der freiheitliche Weg ist kein Weg des Aktionismus. Wir haben finanziell, strukturell und personell keinerlei Verknüpfungen mit den Identitären. Wir entziehen jedem Anschein einer angeblichen Verflechtung endgültig den Boden.“

Eustacchio: „Die Identitären ziehen aus“

Die Aussagen der vergangenen Tage würde er nicht mehr in der Art formulieren: „Heute bin ich gescheiter.“ Er wolle bei niemandem anstreifen, der „radikal, oft sogar kriminell und antisemitisch“ sei. Eustacchio habe auch FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl aufgefordert, das Mietverhältnis mit den Identitären sofort zu lösen. Sickl hatte den Identitären privat Räume in seinem Grazer Haus vermietet und steht dafür seit Monaten in der Kritik. „Diese Nähe wollen wir nicht, und daher wird dieses Mietverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst. Die Identitären ziehen aus“, kündigte Eustacchio an.

Koalitionspartner Nagl mit Distanzierung zufrieden

Nagl zeigte sich am Montag mit der Distanzierung seines Stellvertreters von der Identitären Bewegung zufrieden: „Er hat für mich die notwendige Klarstellung und Distanzierung seines persönlichen Verhältnisses und auch die der Grazer Freiheitlichen vollzogen.“

„Rechtsradikale, rassistische oder neonazistische Ansichten sind weder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu legitimieren, noch mit dem Fehlen strafrechtlicher Verurteilungen zu tolerieren. Graz als erste europäische Menschenrechtsstadt hat hier eine besondere Verantwortung, die für alle Mitglieder des Stadtsenats wie auch des Gemeinderats zu gelten hat. Hier ist nichts zu relativieren“, unterstrich Nagl in einer Aussendung. Eustacchio habe ihm am Montag im Vieraugengespräch noch einmal seine bereits öffentlich kundgetane Distanzierung persönlich bestätigt. Andernfalls hätte Nagl die Koalition aufgekündigt: „Ein nur ansatzweises Sympathisieren mit den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären würde eine Zusammenarbeit auf Regierungsebene mit der Grazer Volkspartei ausschließen.“

Opposition mit Misstrauensantrag

Die Grazer Grünen wollen an ihrem geplanten Misstrauensantrag festhalten. „Die Aussagen sind nicht glaubwürdig und nicht ausreichend“, sagte Klubobmann Karl Dreisiebner in einer Reaktion. Der „erstaunliche Gesinnungswandel innerhalb von vier Tagen“ sei nur erfolgt, um die „Wogen zu glätten“. Eustacchio ist laut Dreisiebner der Identitären Bewegung nicht nur nahe, sondern „er denkt im Inneren wie die Identitären“. Es passe „kein Blatt Papier zwischen Eustacchios Überzeugungen und die der Identitären Bewegung“, so der grüne Klubobmann. Die Distanzierung erfolgte seiner Ansicht nur, damit Eustacchio Vizebürgermeister bleiben kann.

Dreisiebner sagte, dass die Grazer KPÖ und SPÖ Montagnachmittag im Klub darüber beraten wollen, ob sie den Misstrauensantrag mit unterschreiben. Für den Antrag ist zumindest ein Viertel der Gemeinderäte - also zwölf Unterschriften - nötig. NEOS, SPÖ und KPÖ unterstützen den Misstrauensantrag. Dieser soll am Dienstag eingebracht werden. Noch in dieser Woche könnte es somit einen Sondergemeinderat geben.

„Nicht blenden lassen“

„Wir dürfen uns von Eustacchios unglaubwürdiger Verteidigung nicht blenden lassen. Wer gestern die Identitären verteidigt und ihre Inhalte unterschreibt, kann heute nicht ihr Feind sein", sagt NEOS-Gemeinderat Niko Swatek. SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann hält Eustacchios „Distanzierungsversuche“ für unglaubwürdig. „Die Aussagen Eustacchios kommen spät und sind als durchschaubares Manöver zu werten“, sagt der Klubobmann der KPÖ Manfred Eber.

Mietvertrag in Linz gekündigt

Jener FPÖ-nahe Studentenverein, der die Villa Hagen in Linz an eine Privatperson mit offenbar unmittelbarer Nähe zu den Identitären vermietet hatte, kündigte unterdessen dieses Mietverhältnis. Die Kündigung sei schon am Donnerstag erfolgt, bestätigte der Linzer FPÖ-Vizebürgermeister Markus Hein am Montag. Zuletzt hatte der oberösterreichische FPÖ-Chef Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner auf eine Beendigung des Mietverhältnisses gedrängt - mehr dazu in FPÖ kündigt Mietvertrag der Identitären in Linz.