Arzt-Prozess: Gutachter und hitzige Wortgefechte

Im Prozess um den oststeirischen Arzt ist am Dienstag ein psychiatrischer Gutachter befragt worden. Er sollte Auskunft darüber gegeben, wie sich das Verhalten des Mannes auf die Kinder ausgewirkt hat.

Der Angeklagte soll unter anderem immer wieder damit gedroht haben, sich selbst zu töten, sich vor den Augen seiner insgesamt vier Kinder selbst verletzt haben oder ihnen Drogen, Alkohol und Schmerzmittel verabreicht haben, sodass eine Tochter davon auch abhängig geworden sein soll - mehr dazu in Arzt-Prozess vertagt: Urteil frühestens Mitte Mai (16.4.2019).

Bereits Anfang April sagten zwei Töchter des Arztes aus, sprachen von grundlosen Selbstmorddrohungen des Vaters, der sie als „dumm“ und „dick“ bezeichnet haben soll - mehr dazu in Arzt-Prozess: Töchter sagen gegen Vater aus (2.4.2019). Auch der heute 21-jährige Sohn des Mediziners wurde bereits als Zeuge einvernommen – mehr dazu in Arzt-Prozess: Sohn sollte Vater Spritzen setzen (26.3.2019).

Wortgefechte im Gerichtssaal

Am Dienstag war es mitunter schwierig, den Faden nicht zu verlieren - für die Zuhörer und für den Richter. „Beschränken wir uns auf das Wesentliche“, sagte dieser gleich mehrmals. Der Verhandlungstag war vor allem am Vormittag von teils hitzigen Wortgefechten zwischen Staatsanwalt, Opferanwälten, Verteidigerin des Angeklagten, dem Richter und Zeugen geprägt - und das in unterschiedlichen Konstellationen.

Eine Zeugin, die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten, warf dem Staatsanwalt zum Beispiel vor, seine Arbeit nicht richtig zu machen. Teilweise versuchten Zuhörer die Arbeit des Gerichtes zu übernehmen: So folgte eine Zuhörerin einer Zeugin aus dem Gerichtssaal - weil die Zeugin draußen warten musste -, um dieser zu sagen, sie solle noch nicht weggehen und komme wahrscheinlich noch einmal dran. Da platzte dann auch dem sonst sehr geduldigen Richter kurzfristig der Kragen.

Verhalten des Vaters untersucht

Am Nachmittag war es dann ruhiger: Ein psychiatrischer Sachverständiger erläuterte, wie sich das angeklagte Verhalten des Vaters auf die Kinder ausgewirkt hat. Dem Arzt wird vorgeworfen, seinen Kinder zwischen 1992 und 2014 immer wieder mit Selbstmord gedroht und sich in ihrer Anwesenheit selbst verletzt zu haben, außerdem soll er sie gezwungen haben, ihm Spritzen mit Schmerzmittel zu verabreichen oder abgelaufene Lebensmittel zu essen. Auch habe er immer wieder gesagt, die Familie werde verarmen und unter der Brücke schlafen, deshalb musste der Sohn im Kindesalter auch seine Schildkröte weggeben.

Angststörung und depressive Verstimmung

Durch die Handlungen des Angeklagten sei es in der gesamten Familie zu einer überhöhten Ängstlichkeit, zu Kränkungen und zu Verunsicherungen gekommen, sagte der psychiatrische Gutachter - das alles sei belastend für ein Kind. Dem heute 21-jährigen Sohn attestierte der Gutachter zum Beispiel eine generalisierte Angststörung, die ihn zwar in der Lebensführung beeinträchtigte, aber nicht tiefgreifend sei.

Bei der ältesten Tochter diagnostizierte der Mediziner eine leichte, aber chronische depressive Verstimmung, und auch die anderen beiden Kinder würden noch heute in unterschiedlicher Form an psychischen Problemen leiden. Die Anwälte der Opfer fordern vom Angeklagten pro Kind 50.000 Euro Schmerzensgeld.

Lebensgefährtin oder nicht?

Bei der ersten Zeugin am Vormittag war es fast eine Stunde darum gegangen, ob sie überhaupt noch mit dem Angeklagten zusammen ist: Als der Richter sie fragte, ob es eine Wirtschafts- und Wohngemeinschaft zwischen ihr und dem Angeklagten gibt, sagte sie zuerst nein, dann wieder ja - er sei meistens bei ihr, aber nicht immer. Schließlich entschlug sie sich als Lebensgefährtin der Aussage - das wiederum sorgte bei den Opferanwälten für großen Unmut, da sie sich auf Angaben berufen, dass die beiden getrennt seien, und in diesem Fall müsste die Zeugin eigentlich aussagen - sie muss es schließlich nicht.

„Für mich ist er als Vater ein Sadist und Psychopath“

Danach folgte die nächste Zeugin: Sie war von August 2013 bis August 2014 die Lebensgefährtin des Angeklagten. Sie erzählte - wie schon seine Kinder in den Wochen zuvor -, dass er auch ihr fast wöchentlich mit Selbstmord gedroht habe und sich selbst verletzt habe, wenn sie sich geweigert habe, gewisse Dinge - etwa auf sexueller Ebene - zu tun. Er habe sie gezwungen, einen Joint zu rauchen, ihr erzählt, er habe Sprengstoff gekauft und wolle sein Haus in die Luft sprengen; auch habe er eine Pistole besessen und ihr einmal vorgeschlagen, sich gemeinsam umzubringen.

Dass er seine eigenen Kinder gequält haben soll, habe sie selbst nicht gesehen, sondern nur davon gehört, allerdings habe der Angeklagte ihr selbst erzählt, dass er einer Tochter starke Schmerzmittel gegeben habe, den Sohn mit acht Jahren Zigaretten rauchen und mit 14 große Mengen Alkohol trinken ließ, dass eine Tochter einen Schraubenzieher aus seinem Bauch ziehen musste. „Für mich ist er als Vater ein Sadist und Psychopath“, sagte die ehemalige Lebensgefährtin aus.

Selbst suizidgefährdet

Nach einem Jahr habe sie sich von ihm getrennt, weil sie Angst vor ihm gehabt habe und selbst suizidgefährdet gewesen sei: „Ich habe nicht mehr gewusst, was der mit meinem Kopf macht.“ Mit den Kindern des Mannes und mit seiner Ex-Frau sei sie heute gut befreundet. Auch die Mutter der Ex-Freundin sagt am Dienstag aus - der Angeklagte habe ihr eine Schusswaffe und Fotos von seinen Selbstverletzungen gezeigt; auch ihr soll er wie der Tochter gemeinsamen Selbstmord vorgeschlagen haben.

Auf 7. Mai vertagt

Fortgesetzt wird der Prozess am 7. Mai - dann soll auch die gerichtliche Sachverständige Adelheid Kastner zu Wort kommen, außerdem sind weitere Zeugen geladen. Ein Urteil wurde für 16. Mai in Aussicht gestellt; da die Anwälte immer wieder neue Anträge stellen, könnte sich das Urteil aber auch noch verschieben.