SPÖ-Vollath: „Es gibt keinen Plan B“

Bettina Vollath geht als Vierte auf der SPÖ-Liste in die EU-Wahl. Die steirische Landtagspräsidentin und ihre Partei treten mit dem Motto „Menschen statt Konzerne“ an und setzen vor allem auf „faire Steuern“ und soziale Gerechtigkeit.

„Ich denke, der dringendste Anspruch, den Menschen an Politik haben, ist, dass Politik ihr Leben verbessert, und genau das spüren die Menschen von der EU-Politik nicht“, sagt Bettina Vollath. Stattdessen hätten die Menschen das Gefühl, die EU würde sich um unwichtige Dinge kümmern und auf die großen Fragen der Zeit keine Antwort finden.

Richtungswechsel für EU

Daher brauche es einen Richtungswechsel in der EU-Politik, die in Zukunft die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum rücken solle: „Ich glaube, dann passiert es ganz automatisch, dass die Menschen europäische Politik interessant finden - wenn genau das eintritt, dass europäische Politik ihr Leben verändert“, so Vollath. Für diesen Richtungswechsel habe sie sich in den vergangenen Wochen eingesetzt: „Ich hoffe, dass wir aus der Steiermark heraus zu einem Richtungswechsel in Brüssel beitragen können.“

Bettina Vollath im Radio-Steiermark-Studio

ORF Steiermark/Alina Neumann

Bettina Vollath spricht von einem Richtungswechsel, den es in der EU brauche

Zum Thema Bürokratie meint Vollath, es müsse die Balance gehalten werden - zwischen einfachem Zugang für die Förderempfänger und der Dokumentation, um Missbrauch mit hohen Summen an Steuergeldern zu vermeiden. Dass mit der angeblichen Überbürokratisierung Wahlkampf gemacht wird, tue ihr „in der Seele weh“. Es erfülle sie mit Sorge, „dass hier die Skepsis, die der EU von Seiten der Bevölkerung entgegengebracht wird, auch noch angeheizt wird. Es gibt keinen Plan B“, so Vollath - statt dessen müsse man die EU weiterentwickeln, weil „besser kann man immer werden“.

Menschenrechte als Leitfaden

Sie selbst habe sich aus tiefster Überzeugung heraus entschieden, die Landespolitik und das formal höchste Amt im Land - die Position der Landtagspräsidentin - mit einem Mandat in Brüssel einzutauschen: Es gebe Fragen, die nicht mehr auf nationaler, sondern nur auf EU-Ebene zu lösen seien.

Bettina Vollath im Radio-Steiermark-Studio

ORF Steiermark/Alina Neumann

Eines ziehe sich aber als roter Faden durch alle ihre Politikbereiche, sagt Vollath: „Das sind die Menschenrechte. Weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass wir in Europa die Menschenrechte als Basis für jegliche Art von Politik behalten müssen.“ In welchen Ausschüssen die Abgeordneten tatsächlich arbeiten, wird erst nach der Wahl entschieden - für Vollath wäre allerdings der Menschenrechtsausschuss ein Wunscharbeitsplatz.

Gewisse Steuern auf EU-Ebene

Gerade die Steiermark sei ein Beispiel dafür, welchen wirtschaftlich positiven Einfluss die EU auf eine Region haben könne, meint Vollath. Die Europäische Union sollte sich allerdings auch in Richtung einer Sozialunion weiterentwickeln. Beim Thema der sozialen Gerechtigkeit kommt die SPÖ-Kandidatin rasch auf die Steuerfrage zu sprechen: Große Konzerne sollten ihre Gewinne dort versteuern, wo sie sie erwirtschaften. „Die Konzerne nutzen genauso unsere Infrastruktur, aber sie tragen zum Gemeinwohl nichts mehr bei. Das ist ungerecht“, so Vollath.

Bettina Vollath im Radio-Steiermark-Studio

ORF Steiermark/Alina Neumann

„Es gibt durchaus Steuern, die man auch EU-weit einheben könnte“, meint die Politikerin und nennt die Finanztransaktionssteuer - diese in den EU-Haushalt einfließen zu lassen, würde die Beiträge, die jedes Mitgliedsland momentan zahlt, verringern. Dazu brauche es die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, damit „nicht einzelne Länder das Fortkommen von Gesamteuropa behindern“. Diese Mehrheitsentscheidungen seien auch der Weg zu einer demokratischeren Union - Einstimmigkeit, wie sie momentan verwendet wird, sei das nicht, mein Vollath.

„Der gelbe Sessel“

„Besser und schneller“ müsse die EU entscheiden, um wieder das Herz der Menschen zu erreichen. Das glaubt SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder, der sich im Wiener Riesenrad als erster von allen österreichischen Spitzenkandidaten zur EU-Wahl den Fragen des ORF.at-Publikums gestellt hat. Migration nennt er „eine große Herausforderung“, die man aber „nüchtern betrachten“ müsse - mehr dazu in Schieder für schnellere Entscheidungen in EU (news.ORF.at)

Klimawandel: Lösungen vorgegeben

Mit der sozialen Frage ist bei der SPÖ auch der Klimawandel verknüpft, denn im Unterschied zu anderen Parteien denke man immer auch die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Menschen mit. Die SPÖ steht für einen Green New Deal: Hier müssten die EU-Länder massiv Geld in die Hand nehmen, um die notwendige Energiewende und gleichzeitig hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. „Ich denke, gerade beim Klimawandel sind die Wege, die wir zu beschreiten haben, von der Wissenschaft eigentlich schon ganz klar auf den Tisch gelegt worden“, sagt Vollath; jetzt gehe es um rasches Handeln und um einen Systemwandel.

EU-Standards für die ganze Welt

Einen Systemwandel anderer Art wünscht sich Bettina Vollath im Bereich der Wirtschaft: Internationale Handelsverträge sollten nicht die hohen europäischen Standards unterlaufen, sondern diese in die Welt exportieren. Über solche Abkommen könnten EU-Standards auch für andere Länder gelten. Wenn diese Waren in die EU liefern, müssten sie auch die hiesigen Regeln einhalten. „Da gibt es genug Mechanismen. Das wäre Möglichkeit, um von Europa positiv auf andere einzuwirken“, so Vollath.

Vom Landes- ins EU-Parlament

Sie wolle ihre langjährige politische Erfahrung ins EU-Parlament tragen, und sie habe „das klare Ziel, mich in der EU für alle einzusetzen, die keine milliardenschwere Lobby hinter sich haben“, sagt die Listenvierte der SPÖ. Ihre politische Laufbahn begann vor rund 15 Jahren als Landesrätin. In dieser Funktion bestritt die Grazerin mehrere Legislaturperioden mit wechselnden Zuständigkeitsbereichen: Einmal verantwortete Bettina Vollath Bildung, Jugend, Frauen und Familie, dann Gesundheit, Spitäler und Kultur und schließlich Finanzen und Integration. Nach zehn Jahren als Landesrätin wurde Vollath 2015 Präsidentin des steirischen Landtags - die erste Frau überhaupt in dieser Funktion.

Parlamentarierin über Grenzen hinweg

Abseits der Politik verfügt Vollath über einen juristischen Hintergrund: Sie studierte Rechtswissenschaften in Graz und machte Gerichtspraxis, Doktorat und Rechtsanwaltsprüfung. „Nebenbei“ absolvierte die Mutter dreier Söhne eine Ausbildung zur Mediatorin bei der ARGE für Sozialpädagogik, einer Bildungseinrichtung mit Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung.

Bettina Vollath im Radio-Steiermark-Studio

ORF Steiermark/Alina Neumann

Seit 2017 ist die SPÖ-Kandidatin außerdem Vizepräsidentin der „Partnerschaft der Parlamente“, ein Verein zur Förderung des transatlantischen Austausches - zuerst nur den deutsch-amerikanischen Beziehungen gewidmet, hat der Verein mittlerweile Mitglieder aus Kanada, Österreich und der Schweiz. Nun schickt ihre Partei Bettina Vollath nach Brüssel - am vierten Listenplatz hat sie gute Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen.

Die Schwerpunkte von SPÖ und Vollath

In Wahlkämpfen wird immer stärker auf Personen gesetzt, inhaltliche Schwerpunkte drohen dabei unterzugehen. Dabei steht hinter jedem Kandidaten eine Partei mit ihren Wertvorstellungen und Zielen. Diese Serie zur EU-Wahl19 fasst die Themenschwerpunkte der steirischen Kandidaten zusammen und soll als Überblick über die Programme der Parteien und als Orientierungshilfe dienen.

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