Nagl hält an Schwarz-Blau in Graz fest

Nach dem Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition auf Bundesebene hat sich am Montag auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) zu Wort gemeldet. Das Ende der schwarz-blauen Bundesregierung hat für Nagl keine Auswirkungen auf die Koalition mit der FPÖ in Graz.

Während etwa die SPÖ Graz und die NEOS Nagl nach dem Skandal rund um das „Ibiza-Video“ auch in Graz zu Neuwahlen aufriefen, hält Nagl selbst an Schwarz-Blau im Grazer Rathaus fest. Auf Bundesebene habe er volles Verständnis für Neuwahlen, weniger Verständnis habe er für politische Entscheidungsträger, die versuchen würden, die vermeintliche Gunst der Stunde auszunutzen und intakte Zusammenarbeiten mit der Freiheitlichen Partei zu beenden, teilte Nagl Montagvormittag in einer Aussendung mit.

Nagl fassungslos über Ibiza-Video

Er sei „fassungslos“ über die innenpolitischen Entwicklungen der vergangenen Tage und sprach von „verwerflichen Enthüllungen“, die „Großmannsucht von Strache und Gudenus“ hätten das Ansehen Österreichs weltweit beschädigt. Im Interview mit ORF-Reporter Robert Neukirchner hielt Nagl aber an der Zusammenarbeit mit der FPÖ im Grazer Rathaus fest:

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Er sei als Mensch und Bürgermeister, der sich seit 22 Jahren bemühe, das Ansehen von Politik in unserer Gesellschaft hochzuhalten und zu stärken und der stets das Miteinander suche, tief betroffen über die Enthüllungen der letzten Tage. „Es tut mir in der Seele weh, wenn großmannsüchtige Parteienvertreter der Politik und unserem Österreich so einen Schaden zufügen“, schrieb Nagl in der Aussendung.

Gleichzeitig habe er aber volles Vertrauen, „dass Bundeskanzler Sebastian Kurz in Abstimmung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, wie in den vergangenen Tagen, auch weiterhin alles Erforderliche unternehmen werden, um unser Land durch diese turbulente Zeit zu führen und weiteren Schaden abzuwenden“.

Nagl: „Weg nicht leichtfertig verlassen“

Sein Interesse würde der Stadt Graz gelten, so Nagl in der Aussendung weiter „und für die Stadt Graz hat sich meine Fraktion mit der FPÖ auf eine AGENDA bis zum Jahr 2022 verständigt. Diese AGENDA spannt thematisch einen weiten Bogen und spiegelt in allen wesentlichen Belangen meinen politischen Wertekompass wieder, in dem Graz eine weltoffene Stadt ist, die sich wirtschaftlich und gesellschaftlich gut entwickelt und in der das Zusammenleben aller funktioniert.“

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„In der Umsetzung dieses AGENDA-Programms sind wir auf einem sehr guten Weg und ich beabsichtige daher auch nicht, diesen für Graz guten Weg leichtfertig zu verlassen“, so Nagl weiter.

Eustacchio glaubt an keine Einflüsse von Außen

Außerdem gebe es keine Alternative zum Regierungspartner FPÖ: „Die Sozialdemokratie ist nicht mehr in der Regierung. Die Grünen haben sich in Graz, obwohl sie in der Regierung sitzen, marginalisiert und es gebe keine Mehrheiten. Mit der KPÖ, wo Elke Kahr gesagt hat, sie würde aus der Europäischen Union austreten - da gibt es auch keine Alternative. Wir arbeiten gut zusammen und wir werden die Zusammenarbeit für Graz fortsetzen, das ist mir wichtig“, so Nagl.

Man habe vereinbart eine Nacht darüber zu schlafen, ergänzte Vizebürgermeister Mario Eustacchio von der FPÖ. Bei einem Gespräch am Vormittag sei man sich aber rasch einig gewesen, die Koalition fortzusetzen. Eustacchio glaubte, dass die Grazer Koalition auch den Nationalratswahlkampf überleben wird: „Ich glaube nicht, dass es jetzt Einflüsse geben wird von Außen, die sagen, ‚Beendet das!‘. Denn was wäre das für ein Signal? Wenn eine funktionierende Koalition da ist, dann wäre es falsch, da etwas mutwillig zu zerstören“, so Eustacchio.

Kritik von den Grazer Grünen

Die Grazer Grünen reagierten umgehend auf das Statement des Grazer Bürgermeisters mit einer Aussendung: Nagl setze das „System Kurz“ ackselzuckend fort, so die Vorsitzende der Grazer Grünen und Stadträtin Judith Schwentner. Es gehe um Machterhalt um jeden Preis, so Schwentner. Der Bürgermeister müsse die Zusammenarbeit mit der FPÖ umgehend auflösen und die Stadt wieder auf politisch stabile Beine stellen. Jeder einzelne Tag der Zusammenarbeit mit der FPÖ, die im Dunstkreis von Korruption und Rechtsextremismus agiere, sei ein gesellschaftlicher und politischer Schaden für Graz und die Menschen, die hier leben, so die Grünen.

SPÖ und NEOS für Neuwahlen, KPÖ zurückhaltend

Der Vorsitzende der SPÖ Graz, Michael Ehmann, forderte am Montag Nagl zu Neuwahlen in Graz auf. Ein rascher Schlussstrich auch in Graz wäre am besten, denn ein Aneinanderketten jetzt „ohne Wenn und Aber“ könnte am Ende für die Stadt teuer werden, wenn der Preis für ein solches „Durchtauchen“ zweifelhafte Prestigeprojekte sein sollten, sagte Ehmann. Er empfahl Nagl einen „geordneten Neustart“.

Auch NEOS-Gemeinderat Niko Swatek teilte in einer Aussendung mit, Graz brauche ein Ende der „Freunderlwirtschaft und Korruption, hier sind Neuwahlen ein Weg“. Mit der FPÖ seien Personen an die Schalthebeln des Staates gelassen worden, die „jederzeit dazu bereit sind unseren Rechtsstaat und unsere Freiheiten zu verkaufen“, so Swatek.

Seitens der zweitstärksten Partei im Gemeinderat, der KPÖ, herrschte vorerst Zurückhaltung. Stadträtin Elke Kahr hatte vorrangig die Entwicklung auf Bundesebene kommentiert: Man dürfe die Neuwahl im Bund nicht zu einem Heimspiel für Kanzler Kurz werden lassen.

Keine Lehren aus den letzten Tagen

Kahr befürchtet jedoch in einer Aussendung, dass Schwarz-Blau in Graz keine Lehren aus den letzten Tagen gezogen hätten: „Man hat am Wochenende gespürt, wie viele Leute wieder aufgeatmet haben. Die an den Tag gelegte Drüberfahrpolitik von Schwarz-Blau raubt den Leuten den Atem. Respekt, soziales Gewissen und Anstand gegenüber der Bevölkerung müssen wieder in die Politik einkehren.“

"Großprojekte wie die geplante Plabutschgondel und investorenfreundliche Politik scheinen wichtiger als reinen Tisch zu machen“, so Stadträtin Elke Kahr. Wenn Bürgermeister Nagl daraus seine Lehre ziehen würde, würde er beispielsweise dem Wunsch vieler Grazer nachkommen, die sich eine Volksbefragung über die Plabutschgondel so rasch wie möglich wünschen, sagte die KPÖ-Stadträtin.

Grünen fordern vorgezogene Landtagswahl

Die steirischen Grünen forderten am Montag die Nationalratswahl mit der ursprünglich für das nächste Jahr geplanten Landtagswahl in der Steiermark zusammenzulegen. Sie wolle Gespräche mit den Spitzen der anderen Parteien suchen, kündigte die Landtagsabgeordnete der Grünen, Sandra Krautwaschl am Montag an. „Wie jetzt schon deutlich absehbar ist, erwartet uns ein äußerst schmutziger Nationalratswahlkampf, wenn wir jetzt keine Zusammenlegung der Wahlen schaffen, geht das danach gleich nahtlos so weiter“, begründete sie ihren Vorstoß.

Ereignisse auf Bundesebene

Auf Bundesebene übeschlagen sich seit Montagfrüh die Ereignisse wieder. Die FPÖ trat Montagvormittag vor die Presse. Mehr dazu in Alle FPÖ-Minister bieten Rücktritt an. Indes tagte am Montag auch der ÖVP-Parteivorstand. Danach trat Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einem Statement vor die Presse. Mehr dazu in Kurz: FPÖ weiter nicht zur Aufarbeitung bereit.