Bissiger Humor in Romanform

Von der Kriegsberichterstattung zu Humor in Romanform – die Journalistin Livia Klingl hat mit „Der Lügenpresser“ ihren ersten Roman geschrieben. Sie erzählt von Dr. Schmied und einem Ereignis, das sein Leben auf den Kopf stellt.

Es ist der innere Monolog des 62 Jahre alten Journalisten Dr. Karl Schmied. Livia Klingl lässt eine Woche Revue passieren, die das Leben des Mannes durcheinander bringt. Montagfrüh ist die Welt noch in Ordnung: Er ist frisch verliebt in Sonja aus Moldawien, träumt von einer gemeinsamen Zukunft und erinnert sich an seine Kindheit im Nachkriegs-Wien.

Wenn der Alltag nicht mehr berechenbar ist

Eigentlich kann er also zufrieden sein. Er hat einen guten Job bei einer - aus seiner Sicht - seriösen Boulevardzeitung, es sind noch drei Jahre bis zu seiner Pensionierung. Insgesamt hat er aber das Gefühl, dass unsere Welt eine sehr unberechenbare geworden ist. Das deckt sich mit Studien, sagt Autorin Livia Klingl: „Es gibt eine Studie aus zehn Industrieländern, die besagt, dass in all diesen Ländern keine zehn Prozent der Menschen das Gefühl haben, dass die Zukunft positiv wird. Und in Deutschland, das uns am ähnlichsten ist, sind es überhaupt nur vier Prozent. Ähnliches kann man in Österreich feststellen, dass so wie ein Unwohlsein ist, das man nicht genau orten kann. Das wird dann gerne auf die muslimische Community projiziert, aber tatsächlich geht es um Globalisierung, um Roboterisierung, teure Mieten, eine nicht mehr Berechenbarkeit des Alltags.“

Buchcover

ORF/Kremayr & Scheriau

Sie wollte mit diesem Dr. Schmied einen typischen Österreicher zeichnen - einen, der eben genau diese Unsicherheiten spürt: „Der Dr. Schmied philosophiert so vor sich hin, wie war das früher, was ist besser geworden. Vieles findet er tatsächlich deutlich besser, er ist auch trotz relativ intensiver Kritik an der EU insgesamt sehr zufrieden damit. Er findet es auch richtig, dass Homosexuelle sich verpartnern dürfen, aber warum die jetzt auch Heiraten wollen, das versteht er nicht, weil er doch selbst auch nicht geheiratet hat.“

Über die Autorin:

Livia Klingl war viele Jahre als Krisen- und Kriegsberichterstatterin am Balkan unterwegs, aber auch in Afghanistan, im Irak, im Iran und im Libanon. Sie leitete das Außenpolitik-Ressort der Tageszeitung „Kurier“ und schrieb zahlreiche Sachbücher. „Der Lügenpresser“ ist ihr Roman-Debut.

„Affige“ Dinge niedergeschrieben

Wie aus dieser Beschreibung zu hören ist, gelingt es Livia Klingl all diese Zustände mit bissigem Humor zu erzählen. Sie packte das, was sie in den vergangenen drei Jahren in tausenden Facebook-Postings gelesen und von Menschen in Gesprächen hörte, in diese Figur hinein: „Ich wollte einfach gerne einmal nicht ein Sachbuch schreiben und ich selbst bin eher ein lustiger Mensch und sie können halt Kriegsberichterstattung nicht lustig gestalten. Ich wollte so gern etwas machen, was ich selber gerne lesen würde, wollte Dinge kritisieren, die ich seit 20 Jahren affig finde.“

Mit „affig“ meint die Autorin etwa die sprachlichen Veränderungen in unserer Gesellschaft: „Sei es jetzt dieses komische Englisch, das sich in unsere Sprache hineingewurschtelt hat, beginnend mit dem Handy, das gibt es auf der ganzen Welt nicht, das versteht kein Menschen, weil es das Wort nicht gibt. Ich wollte eine Figur schaffen, die teilweise sympathisch ist und teilweise gar nicht, weil ich auf dem Standpunkt stehe, jeder Mensch ist teilweise sympathisch und teilweise gar nicht. Das war der Versuch, die österreichische Befindlichkeit in eine Person zu packen, ohne zu moralisieren und mit möglichst viel Lachen."

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