100 Jahre „Gruabn“ im GrazMuseum
Es ist nicht alltäglich, eine Ausstellung über ein Fußballstadion in einem öffentlichen Museum durchzuführen - zum 100. Geburtstag habe sich die „Gruabn“ das aber absolut verdient, so Ausstellungskuratorin Martina Zerovnik.
Soziales, urbanes und historisches Phänomen
„Ein Kultstadion, das ist schon auch ein besonderes Ereignis für ein Stadtmuseum. Wir beschäftigen uns ja mit allerlei Alltagskulturgeschichten, mit Geschichte auf vielfältigste Art und Weise, so eine Kultstätte, so eine Spielstätte wie die des SK Sturm ist etwas ganz besonderes für die Stadt Graz und auch ein soziales, urbanes und historisches Phänomen.“
Sendungshinweis
„Der Tag in der Steiermark“, 25.4.2019
Die „Gruabn“ war ein „Schmelztiegel“
Sturm-Fan und Ausstellungskurator Martin Behr beschreibt den Reiz der „Gruabn“ als „Schmelztiegel: Die Besucher waren ganz nah am Spielfeld, das kann man mit jetzt nicht mehr vergleichen, die Leute haben ständig Bier auf die Linienrichter geschüttet, das war wie in England, eine ganz vitale und dynamische Atmosphäre.“
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Bekannt war auch der mitunter holprige Rasen in der „Gruabn“ - die Sturm-Spieler waren ihn gewohnt, die Gegner taten sich schwer damit.
Ein Holzspan als Gemälde
Gemeinsam mit Behr und Emil Gruber konzipierte Zerovnik die Ausstellung und trug viele Einzelstücke zusammen. „Die Highlights sind sicher die Relikte aus der ‚Gruabn‘, die auch so mit Emotionen und Erinnerungen aufgeladen sind, dass sie gewissermaßen zu Reliquien werden. Es gibt zum Beispiel einen Holzspan aus der Holztribüne, der von einem Fan, der in der ‚Gruabn‘ als Zuschauer groß geworden ist, eingerahmt wurde - wie ein Gemälde, das wird bei der Ausstellung präsentiert“, sagts Zerovnik.
Viele verschwundene Fundstücke wieder aufgetaucht
Gerade das Finden dieser Stücke war für die Kuratoren eine besondere Herausforderung, sagts Gruber: „Nachdem es die ‚Gruabn‘ in dieser Form seit vielen Jahren nicht mehr gibt, sind viele Dinge im Laufe der Jahre verschwunden. Es ist aber ein schöner Beweis der Fankultur, dass gewisse Dinge wieder aufgetaucht sind und sich auch Leute gemeldet haben. Das GrazMuseum hat ja einen Aufruf gemacht, und da sind schon auch sehr schöne Dinge wieder herausgekommen.“
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Zu sehen sind unter anderem bisher unveröffentlichte historische Fotos aus den ersten Jahren und Fotos aus dem Archiv des Sportfotografen Franz Fischer. Dazu kommen verschiedenste Originalteile der schwarz-weißen Grazer Legende unter den Spielstätten wie Dressen, Schilder und sogar Bauteile aus der „Gruabn“ sowie selbst gebastelte Devotionalien aus einer Zeit vor der Herausbildung einer kommerziellen Fanartikelindustrie.
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Als besonderes Zuckerl ließ sich das Kuratorenteam den dimensionsgetreuen Nachbau eines Stücks der berühmten Holztribüne auf dem Sturmplatz als zentrales Ausstellungssujet einfallen.
„Gruabn“ entging den Baggern
Nach einem Intermezzo in den 1970er Jahren im Liebenauer Stadion kehrte der SK Sturm im Jahr 1982 in die „Gruabn“ zurück. 1997 übersiedelte der Grazer Traditionsverein dann erneut in das damals schon den Namen von Arnold Schwarzenegger tragende Liebenauer Stadion. 2005 drohte der „Gruabn“ das gleiche Schicksal wie anderen historischen Grazer Fußballplätzen - es sollte durch Wohnblöcke verbaut werden. Einem anderen Fußballverein, dem Grazer Sportclub, der das Grundstück seither gepachtet hatte, ist es zu verdanken, dass das SK-Sturm-Heiligtum auch heute noch als Fußballplatz existiert und als Platz für Trainingsspiele auch noch im Sinne seiner Funktion genutzt wird. Der Platz steht im Eigentum der Stadt Graz.
Es geht um die „Gruabn“ und nicht um Sturm
Die „Gruabn“ war aber nicht nur Fußballplatz, sondern dort wurde auch Feldhandball gespielt, im Winter konnte man auf dem Eis laufen, und sogar die weltberühmten Harlem Globetrotters zeigten 1960 ihre Basketball-Künste bei einem Graz-Gastspiel, sagte Behr: „Ich glaube, wichtig ist, dass diese Schau nicht nur für Sturm-Fans ist - sie berichtet sehr viel über Stadtgeschichte, sie berichtet über moderne Fotografie, und sie berichtet auch über diese Leidenschaft, die seinerzeit da geherrscht hat, also eigentlich geht es nicht um Sturm Graz.“
Ausstellungstipp
Die Ausstellung zur „Gruabn“ kann man bis zum 23. Juni im Foyer und der Gotischen Halle des GrazMuseums in der Grazer Sackstraße sehen.
Teil der Stadtgeschichte
Das sieht auch der Grazer Kulturstadtrat Günther Riegler (ÖVP) so: „Der SK Sturm und die ‚Gruabn‘ sind natürlich Teile der Stadtgeschichte, das Stadion, die ‚Gruabn‘, ist eine architektonische Stilikone und hat, so denke ich, den Bezirk Jakomini geprägt, auch im Zusammenhang mit dem benachbarten Studentenheim, daher ist es natürlich wichtig, dass das GrazMuseum auch einmal diesen Teil der Grazer Stadtgeschichte erzählt.“
Nostalgische Rückschau
Auch der Direktor des GrazMuseums, Otto Hochreiter, freut sich, dass es jetzt eine Ausstellung gibt, bei der man als Besucher in positiven Erinnerungen schwelgen und nostalgisch werden kann: „In diesem Raum war vorher eine Ausstellung über das Lager Liebenau, da gibt es nur den Blick zurück im Zorn über dieses unfassbare Unrecht, über diese unfassbare Gewalt. Jetzt erlauben wir uns - jetzt ist Frühling - einmal, ein bisschen mit Nostalgie zurückzuschauen. Nostalgie wird ja oft als eine Heimat definiert, die in der Vergangenheit vermutet wird.“
NS-Vergangenheit wird thematisiert
Dennoch werden auch die dunklen Kapitel der Geschichte nicht ausgespart: Texttafeln in Deutsch und Englisch informieren sachlich, aber keineswegs distanziert über glorreiche und weniger glorreiche Zeiten des Vereins und des Fußballplatzes - so werden auch die NS-Verstrickungen des Vereins und seiner Mitglieder keineswegs unter den Tisch gekehrt.