Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Chronik

Prozess nach Messerstecherei in Graz

In Graz ist am Freitag ein 44 Jahre alten Mann wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Der Mann bekam 30 Monate Haft, von denen er zehn unbedingt ins Gefängnis muss. Er soll heuer im Februar zwei Kontrahenten niedergestochen haben.

Der Prozess gegen den 44 Jahre alten Türken begann heuer im Frühjahr – mehr dazu in Mordversuchsprozes in Graz vertagt. (27.6.2019). Er soll im Februar bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Tschetschenen zwei seiner Kontrahenten ein Messer in den Körper gerammt haben. Bisher sprach er bei mehreren Verhandlungsterminen von Notwehr.

Kein Mordversuch sondern schwere Körperverletzung

Die Geschworenen in Graz haben den 44-Jährigen am Freitag wegen schwerer Körperverletzung einstimmig für schuldig befunden. Weder einen Mordversuch noch eine Notwehr erkannten sie. Der Mann wurde zu 30 Monaten Haft verurteilt, von denen er zehn unbedingt ins Gefängnis muss. Da er bereits rund ein halbes Jahr in Untersuchungshaft war, hat er nun noch vier Monate abzusitzen.

Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Mordvesuch, Körperverletzung oder Notwehr?

War es ein versuchter Mord, war es schwere, absichtliche oder fahrlässige Körperverletzung oder war es Notwehr? Diese Frage galt es für das Geschworenengericht zu klären. Die Verhandlung verlief am Freitag über weite Strecken diffus: Wer von den Zeugen hat was gesagt oder nicht gesagt, wer hat was gesehen oder nicht gesehen, wurden Zeugen von anderen Zeugen nach dem ersten Verhandlungstag im Juni eventuell beeinflusst, nicht auszusagen?

Geheim aufgenommenes Video aufgetaucht

Viele Fragen, viele Unklarheiten, selbst die vorsitzende Richterin musste immer wieder nachfragen, um den Faden bei all den Wirrungen und Irrungen nicht zu verlieren. Die Schwägerin des Angeklagten legte am Freitag ein geheim mitgeschnittenes Handy-Video vor, dass sie von Zeugen nach der ersten Verhandlung im Juni gemacht hatte und brachte sich vor Gericht selbst in Bedrängnis, weil es strafbar ist, Aufnahmen von anderen Personen zu machen, ohne diese darüber in Kenntnis zu setzen, wies die Richterin die Zeugin darauf hin.

Messerstiche hätten zum Tode führen können

Klare Aussagen kamen am Freitag hingegen vom Gerichtsmediziner. Er sprach von wuchtigen Stichen, die durchaus das Potenzial gehabt hätten, lebensgefährliche Verletzungen zu verursachen, die tödlich ausgehen hätten können. Stiche mit dem verwendeten Messer mit acht Zentimeter langer Klinge könnten „durchaus tödlich sein“. Einer der beiden Tschetschenen hatte eine zehn Zentimeter tiefe Stichwunde knapp oberhalb des Hüftknochens erlitten. Eine Einblutung war die Folge, lebenswichtige Organe wurden aber nicht verletzt. „Das Messer hätte aber die Niere treffen können, es hätte zu einer heftigen Blutung und zum Verbluten kommen können. Auch eine Darmöffnung hätte passieren können“, schilderte der Sachverständige. Daher wurde dieser Stich von der Staatsanwaltschaft Graz als versuchter Mord angeklagt.

Das andere Opfer erlitt eine etwa sechs Zentimeter tiefe Stich-Schnittverletzung an der linken Brustkorbseite. Dabei kam es zu keiner Brustkorböffnung, doch diese wäre bei nur geringfügig anders ausgeführter Messerbewegung möglich gewesen, sagte der Gutachter. Dadurch wäre auch eine Lungenverletzung nicht ausgeschlossen, die zum Tode führen kann. Letztlich seien beide Verletzungen aber als leicht einzustufen. Beide verheilten problemlos, so der Sachverständige.

Staatsanwalt plädierte auf Mordversuch

Der Angeklagte sagte am Freitag nochmals, er habe in Notwehr gehandelt und deshalb mit dem Messer herumgefuchtelt. Die Staatsanwaltschaft plädierte hingegen auf schuldig des versuchten Mordes und der versuchten schweren Körperverletzung. Der Staatsanwalt blieb auch im Schlussplädoyer bei seiner Anklage: „Der Beschuldigte sagt, es war Notwehr und er habe aus Angst mit dem Messer herumgefuchtelt.“ Aber der Beschuldigte sei der Lüge überführt worden, leugnete, dass es sein Messer war, bis eine DNA-Untersuchung es bewies. „Aber warum lügt er deswegen, wenn es ohnehin Notwehr war?“, stellte der Staatsanwalt in den Raum. Der Angeklagte sei wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Körperverletzung schuldig.

Verteidiger zweifelte an Aussagen der Opfer und Zeugen

Der Verteidiger zog in seinen Schlussworten die Angaben der Opfer und Zeugen in Zweifel. Die späteren Verletzten seien es gewesen, die zunächst auf den Sohn des Angeklagten losgegangen waren. Einer der Tschetschenen hatte bei dem „Tumult“ ebenfalls ein Messer dabei, was er erst spät eingestanden habe. Der Rechtsanwalt sah daher auch beim Opfer Lügen und stellte die Glaubwürdigkeit infrage. Derzeit beraten die Geschworenen, ein Urteil wird für Freitagnachmittag erwartet.