Mordprozess in Graz
APA/KARIN ZEHETLEITNER
APA/KARIN ZEHETLEITNER
Chronik

Vater erstickt: Mordprozess in Graz vertagt

Ein 55-Jähriger musste sich ab Freitag in Graz wegen Mordes vor Gericht verantworten: Er soll seinen 82 Jahre alten, pflegebedürftigen Vater erstickt haben. Der Prozess wurde vertagt.

Zu der Tat kam es im Juli des Vorjahres in einem Haus in der Weststeiermark: Zuerst ging man von einem natürlichen Tod des 82-Jährigen aus, doch schon bald erhärtete sich der Verdacht, dass jemand am Ableben des Mannes beteiligt gewesen sein könnte. Ein Gutachter stellte schließlich fest, dass der Tod durch Gewalteinwirkung gegen den Halsbereich eingetreten war – mehr dazu in Vater erstickt: Sohn im Herbst vor Gericht (29.8.2019).

Weder geständig noch kooperativ

Der Angeklagte war bisher nicht geständig und zeigte sich auch beim Prozess nicht kooperativ: Das begann schon bei der Vereidigung der Geschworenen – er weigerte sich aufzustehen. „Das ist ein Affront gegen die Glaubensfreiheit. Jesus hat gesagt, man soll nicht schwören“, sagte er. „Das gebietet der Anstand, dass sie aufstehen“, mahnte der Richter, doch der Beschuldigte zeigte sich davon wenig beeindruckt und blieb sitzen.

„Habe meinen Vater über alles geliebt“

Die Staatsanwältin beschrieb anschließend, wie die Leiche des Vaters des Beschuldigten gerade noch im Krematorium sichergestellt und zur Obduktion gebracht worden war. Nach dem Tod des 82-Jährigen stellte der Arzt zunächst nichts Auffälliges fest. Der Angeklagte rief noch in der Nacht die Bestattung an und verfügte die Verbrennung des Leichnams – doch Verwandten kam die Sache merkwürdig vor, und sie informierten die Polizei. Der Gerichtsmediziner entdeckte dann tatsächlich Anzeichen eines gewaltsamen Todes durch Ersticken. Der Angeklagte leugnete von Anfang an, einen Mord begangen zu haben: „Ich habe meinen Vater über alles geliebt“, beteuerte er.

„Er ist der Einzige, der ein Motiv hat“

Die Staatsanwältin zeichnete ein etwas anderes Bild: Der 55-Jährige kam nach Jahren in Deutschland in die Steiermark und übernahm die Pflege des Vaters. Die anderen Verwandten und auch Bekannte hielt er von dem dementen Mann mit allen Mitteln fern. „Er wollte sich das Vermögen sichern“, war die Anklägerin überzeugt: Er soll es ihrer Meinung nach auf das Haus des Opfers abgesehen haben. Das leugnete der Beschuldigte heftig und sprach von „mehreren hunderttausend Euro“, die er demnächst bekommen hätte. „Ich habe alles, was ich besitze, für meinen Vater aufgebraucht“, beteuerte er.

Als der Vater inkontinent wurde, „war das sein Todesurteil, denn er ekelte sich vor seinem Vater“, so allerdings die Staatsanwältin: „Er ist der Einzige, der diesen vorsätzlichen Mord begangen haben kann, er ist der Einzige, der ein Motiv hatte.“

„Ich bin keine multiple Persönlichkeit“

Bereits im Vorfeld hatte der Angeklagte alle angezeigt, von der Staatsanwältin über den Richter und die Ermittler bis hin zum Einsatzkommando Cobra – er fühlte sich permanent von allen verfolgt und unverstanden; seine Erklärungen dazu waren äußerst detailreich, weswegen seine Befragung auch fast drei Stunden dauerte.

Der 55-Jährige schilderte dabei ausführlich seine Jugend in einem Heim und seinen Werdegang über eine abgebrochene Lehre bis zum selbst ernannten Kunstsachverständigen; im Übrigen sei er auch Experte für Gutachten und könne außerdem Demenz diagnostizieren. Der Psychiater sprach dagegen von einer Persönlichkeitsstörung, was wiederum den 55-Jährigen aufregte: „Ich bin keine multiple Persönlichkeit, ich bin intellektuell, hochintellektuell“, betonte er.

Schlösser zur „Objektsicherung“ angebracht

Im Dezember 2016 kam der Angeklagte nach Voitsberg und übernahm die Pflege seines Vaters. „Meine Stiefschwester wollte ihn verschleppen und das Haus verkaufen“, war er überzeugt. „Stimmt es, das sie ihren Vater wie ein Tier gehalten haben?“, fragte der Richter. „Die Frage ist absolut ehrenrührig“, empörte sich der Angeklagte.

Dass er überall im Haus Schlösser angebracht hatte, fand er ganz normal, das sei „zur Objektsicherung“ gewesen. Die Alarmeinrichtungen, die das Öffnen der Fenster signalisierten, erklärte er mit der Suizidgefährdung des Vaters – Nachbarn hatten allerdings ausgesagt, dass der 82-Jährige einmal aus dem Fenster um Hilfe gerufen habe.

„Mein Vater ist mehrmals gestürzt“

Sobald es um den Tag der Tat ging, wich der 55-Jährige immer wieder aus – schließlich erzählte er unter Tränen, sein Vater sei „eingeschlafen“. Für die Verletzungen im Kehlkopfbereich, die zum Tod durch Ersticken geführt hatten, hatte er seine eigene Erklärung: „Mein Vater ist mehrmals gestürzt.“

„Ich bin eine Koryphäe“

Das Gutachten des Gerichtsmediziners fand am Freitag nicht das Wohlwollen des Beschuldigten: Er warf der Staatsanwältin vor, Beweise nicht an den Sachverständigen weitergeleitet zu haben, und dem Leiter der Behörde unterstellte er, Fakten überhaupt gefälscht zu haben. Die Expertise sei daher völlig unzutreffend: „Ich bin selbst Gutachter, ich bin eine Koryphäe“, war er überzeugt.

Nachbarin spricht von Verwahrlosung

Abgemagert und mit blauen Flecken habe wiederum eine Nachbarin den 82-Jährigen etwa einen Monat vor seinem Tod erlebt: Der Mann habe ihr gesagt, dass der Sohn ihn schlage, was der Angeklagte bisher bestritt und erklärte, sein Vater sei häufig gestürzt. Die Zeugin beschrieb den Zustand des Opfers kurz vor seinem Tod als sehr schlecht, während der Beschuldigte erzählt hatte, es sei seinem Vater gut gegangen.

Wenn der Angeklagte und seine Stiefschwester zusammen im Haus waren, gab es „Chaos pur“, meinte die Zeugin. Nach ihren Angaben war der Pensionist, der „immer gut ausgeschaut hat“ nach Monaten der Betreuung durch seinen Sohn „so abgemagert und so schwach, dass er nicht einmal mehr ein Häferl halten konnte“. Auch das Haus sei „verwahrlost und ungepflegt“ gewesen.

Andere Nachbarin glaubt an Überforderung

Eine andere Nachbarin, die sich offensichtlich noch mit dem Angeklagten versteht, gab an, der 82-Jährige und seine Frau hätten „immer Angst vor der Stieftochter“ gehabt. Dass der Beschuldigte mit der Pflege des Vaters überfordert gewesen sei, konnte sie bestätigen.

Der Prozess wird mit weiteren Zeugen und Sachverständigen voraussichtlich im November fortgesetzt.