Murkraftwerk Graz
APA/Energie Steiermark
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Chronik

Grazer Murkraftwerk offiziell in Betrieb

Am Mittwoch ist das Grazer Murkraftwerk offiziell in Betrieb gegangen. Der 80 Mio. Euro teure Bau versorgt künftig 45.000 Menschen mit Strom. Projektverantwortliche sprechen vom größten Klimaschutzprojekt in der Geschichte der Stadt.

33 Monate wurde gebaut, und es gab dabei gleich zwei Fliegerbombenfunde, eine Drohbriefserie, den Brand eines Krans, unzählige Proteste und Sachbeschädigungen durch mit Farbe gefüllte Christbaumkugeln – nun ist das Grazer Murkraftwerk offiziell in Betrieb.

„Ein Ökokraftwerk“

Bei der Eröffnung am Mittwoch sagte Energie-Steiermark-Vorstandssprecher Christian Purrer: „Der Strom, der hier produziert wird, braucht keine langen Wege durch die Steiermark gehen, der kommt direkt zu den Kunden. Wir sparen uns 60.000 Tonnen CO2 – das ist so viel, wie 36.000 Autos in Graz verbrauchen, es ist also wirklich ein Ökokraftwerk, das die Situation im Grazer Raum deutlich verbessert.“

Für Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) ist das neue Kraftwerk ein Meilenstein des Klimaschutzes: „Natürlich hat es Widerstände gegeben. Es ist jedenfalls ein Beitrag gegen den Klimawandel, denn es ist grüner Strom – Wasserkraft –, und wir sind froh, dass wir dieses Murkraftwerk hier haben.“

Sein Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) spricht von einem Generationenprojekt: „Was wir heute tun, tun wir auch aus Liebe für unsere Kinder, und dafür braucht es natürlich auch Projekte, wo wir Wind, Wasser und Sonne zur Energieerzeugung nutzen. Auftrag ist aber, jetzt Zehntausende Bäume zu pflanzen – wir müssen jetzt dieses gesamte Areal wieder grün erstrahlen lassen.“ Dazu werden auch 100 weitere ökologische Ausgleichsmaßnahmen für Pflanzen, Tiere und Menschen umgesetzt, heißt es.

Erste Ideen schon vor 100 Jahren

Das Projekt selbst blickt auf eine lange Anlaufphase zurück: Die ersten Ideen zum Murkraftwerk sind schon rund 100 Jahre alt – die konkreten Pläne stammen aus dem Jahr 2009. Unumstritten war das Kraftwerk allerdings nie, auch wenn mehr als 90 Prozent aller Aufträge an regionale Unternehmen gingen: Viele Stimmen aus der Bevölkerung sahen weder den ökologischen noch den ökonomischen Mehrwert des Projekts.

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Bauarbeiten beim Speicherkanal
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Großbaustelle beim Murkraftwerk
Rohbau des Speicherkanals beim Murkraftwerk
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Rohbau des Speicherkanals
Der geplante Stadt-Strand am Murufer
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Vorbereitungen für den Stadt-Strand am Murufer
Die gestaute Mur in der Innenstadt
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Die gestaute Mur in der Innenstadt
Der Rohbau des Puchstegs
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Der neue Puchsteg im Rohbau
Der Rohbau des Puchstegs
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Der neue Puchsteg
Die Augarten-Bucht kurz vor der Fertigstellung
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Die fast fertig gestellte Augartenbucht
Das große Rohr mit der Turbine im Inneren
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Turbine im Inneren des Kraftwerks
Die Turbinenhalle des Murkraftwerks
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Turbinenhalle

Viel Kritik und heftige Proteste

Für heftige Kritik sorgte vor allem die Veränderung des Lebensraums entlang der Mur – immerhin wurden gut 8.000 Bäume gefällt. Johannes Gepp vom Naturschutzbund im Dezember 2016: „Wir haben hier das optimalste Ökosystem an einem Fluss, das kann nicht ersetzt werden. Ich denke, wenn die Bäume fallen, dann wird den Grazern bewusst, was sie verlieren.“

Als die Bagger auffuhren, sahen Naturschutzbund und die Plattform „Rettet die Mur“ immer wieder die Tier- und Pflanzenwelt bedroht – Baumzählungen, Baustellenbesetzungen, Proteste und Rechtsstreitigkeiten waren die Folge.

Deutliche Worte von Bürgermeister Nagl

Bei der Eröffnung am Mittwoch fand nun der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl deutliche Wort für alle Kritiker: „Stadträtin Elke Kahr und die KPÖ, Stadträtin (Tina, Anm.) Wirnsberger und Lisa Rücker mit den Grünen, die heute bei den Klimademonstrationen mitgehen, haben mit aller Gewalt versucht, das größte Klimaschutzprojekt der Stadt Graz zu verhindern, inklusive dem Speicherkanal, der auch bald fertig sein wird. Ich bin deswegen so deutlich, weil ich hoffe, dass sie irgendwann einmal einsehen, dass man auch falsch liegen kann, und ich bin froh, weil die Mur fließt gemächlich und grüner jetzt bei uns vorbei. Wir entwickeln den ganzen Lebensraum für die Grazer, und was wichtig ist – auch für alle, die da protestiert haben, sie laden ja jeden Tag ihr Handy auf – jetzt können sie es tun: Strom für fast 50.000 Menschen wird täglich aus der Mur geliefert werden.“

Kahr: „‚Sauber‘ ist dieser Strom definitiv nicht“

Die von Nagl angesprochene Stadträtin Elke Kahr (KPÖ) kommentiert die Eröffnung des Murkraftwerks so: „Das Murkraftwerk das größte Klimaschutzprojekt der Stadt Graz zu nennen, ist bizarr. ‚Sauber‘ ist dieser Strom definitv nicht. Tatsache ist, dass für das Murkraftwerk und den Zentralen Speicherkanal tausende von Bäumen gerodet wurden. Die grüne Lebensader mitten durch die Stadt ist zu Nichte gemacht worden. Die letzten Kilometer einer natürlichen und frei fließenden Mur sind verschwunden. Jetzt zu sagen, das Murkraftwerk sei das größte Umweltschutzprojekt unserer Stadt, führt eigentlich den Gedanken des Umweltschutzes ad absurdum.“

Umweltdachverband: „‚Sauber‘ geht definitiv anders“

Auch für den Umweltdachverband hat das Grazer Murkraftwerk nichts mit nachhaltigem Klimaschutz zu tun: „Heute ist kein guter Tag für die österreichische Ökobilanz – ,sauber‘ geht definitiv anders. Das Murkraftwerk beutet ein Flussjuwel weiter aus, dessen ökologische Bedeutung gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Die Mur ist ein einzigartiger Biodiversitätshotspot, insbesondere für die Fischfauna. 34 Arten tummeln sich hier, 80 Prozent davon gelten als gefährdet, allen voran der hoch gefährdete Huchen – all diese Lebewesen sind auf einen intakten und ununterbrochenen Fluss angewiesen“, sagte Pablo Rauch, Gewässerexperte des Umweltdachverbandes, in einer Aussendung.

Der Umweltdachverband fordert daher, keine weiteren Kraftwerke an der Mur zu bauen: „Wer jetzt sogar noch an weitere Ausbauprojekte an der Mur denkt, hat definitiv nicht verstanden, was nachhaltiger Klimaschutz bedeutet. Naturbelassene Abschnitte der Mur und Schutzgebiete müssen für den Ausbau in Zukunft absolut tabu sein“, so Rauch.