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Politik

Wahl 19: Die KPÖ – ein steirisches Phänomen

Die steirische KPÖ ist eine Ausnahmeerscheinung: National unbedeutend, sitzen die Kommunisten nicht nur in zahlreichen steirischen Gemeinderäten, sondern seit rund 15 Jahren auch im Landtag. Großes Ziel am 24. November ist der Wiedereinzug.

In der Grazer Stadt- wie auch in der provisorischen Landesregierung saßen die Kommunisten 1945 aus zwei Gründen: Sie hatten die Hauptlast im Widerstand gegen die Nazis getragen, und sie wurden von den sowjetischen Besatzern in Ostösterreich unterstützt. In den 60er-Jahren ging es aber bergab – bis in Graz die Keimzelle eines regionalen Aufstiegs gelegt wurde.

Ernest Kaltenegger: „Der Kommunist“

1970 flog die KPÖ aus dem Landtag, ab da begann eine lange Durststrecke, deren Dauer ungewiss war. Aber im Grazer Gemeinderat hatte die Partei zumindest ein Mandat immer gehalten – und dieses übernahm 1981 Ernest Kaltenegger. Mit ihm, der sich beharrlich wie unaufgeregt für Mieterbelange einsetzte, ging es wieder bergauf – eine Alternative sowohl zu den Altparteien SPÖ, ÖVP und FPÖ als auch zu den aufstrebenden Grünen war möglich. 1998 bis 2005 war „Der Kommunist“ (so ein Doku-Filmtitel, Anm.) Wohnbaustadtrat in Graz.

Ernest Kaltenegger vor dem Landtag
APA/HELGE SOMMER
Ernest Kaltenegger 2005 vor dem steiermärkischen Landtag

Und bei der Landtagswahl im Herbst 2005 schaffte die KPÖ mit ihm die Sensation: 6,3 Prozent der Stimmen und damit erstmals seit 1970 wieder den Einzug in einen österreichischen Landtag. Den Stadtratssitz übernahm in der Folge Elke Kahr.

Nicht nur in Graz stark

In der Steiermark und in Graz agieren die Kommunisten unabhängig von der Bundespartei – vielleicht sogar eines der Rezepte ihres Erfolgs. Die Erfolge in Graz gaben den da und dort in der Steiermark, vor allem in Industriestädten wie Eisenerz, agierenden Einzelkämpfern Schwung: Seit den Gemeinderatswahlen im März 2015 sind die Kommunisten stark vertreten, auch wenn sie nur in 30 Kommunen antraten. In Leoben hielten sie ihre Mandatszahl und den Stadtrat, in Eisenerz sind sie zweitstärkste Kraft hinter der SPÖ und stellen mit Anna Skender eine Vizebürgermeisterin. In Knittelfeld sind sie mit fünf von 32 Sitzen die drittstärkste Kraft im Gemeinderat nach SPÖ und knapp nach der FPÖ.

„Die KPÖ tut genau das, was die SPÖ tun sollte“

In Graz profitieren die Kommunisten unter anderem von der anhaltenden inhaltlichen und personellen Schwäche der SPÖ. „Die KPÖ tut genau das, was die SPÖ tun sollte“, ist in vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern zu hören – sprich in puncto Soziales, Schaffung von günstigem Wohnraum, Mieterschutz, „soziales Gewissen“. Selbst in als „bürgerlich“ geltenden Bezirken von Graz ist die KPÖ stark vertreten.

Bekannt ist der Fleiß der kommunistischen Abgeordneten – und die Spendenfreudigkeit, die zur Legende wurde: Berufspolitiker wie Landtagsabgeordnete und Stadträte dürfen nur rund 2.300 Euro monatlich für sich selbst behalten. Alljährlich präsentieren die Kommunisten am „Tag der offenen Konten“, wie viel sie von ihren Politikergehältern gespendet haben und wem damit geholfen werden konnte – mehr dazu in Wahl 19: KPÖ legt Bücher offen. Kritiker bezeichnen das oft als Almosenpolitik, aber offenbar wirkt es bei den Wählern – über die eigentlichen Empfänger hinaus.

Zwar hielten die Kommunisten bei der Landtagswahl 2015 nur knapp ihre zwei Mandate – mehr dazu in Die Ergebnisse der Wahl 15 (ORF.at) –, aber die Arbeit in der Landstube litt nicht darunter. Die beiden Spitzenfrauen der steirischen KPÖ – die Grazer Stadträtin Elke Kahr, die 2017 ihre Partei auf Platz zwei in Graz brachte, und die Landtagsklubchefin Claudia Klimt-Weithaler – sind in ihren Bereichen Wohnen und Soziales über die Parteigrenzen hinweg anerkannte Expertinnen, im persönlichen Umgang immer angenehm, aber hart in der Sache.

Wahlziel: Wiedereinzug

Das Wahlziel für die Landtagswahl ist für Klimt-Weithaler seit Jahr und Tag und Wahl gleich: „Im Landtag verbleiben, stärker werden wäre schön.“ Die von ÖVP, FPÖ und Grünen vorgezogene Landtagswahl habe die Partei nicht auf dem falschen Fuß erwischt. Ihrer Ansicht nach schätze die Bevölkerung „die Kompetenz der KPÖ bei Wohnen, Gesundheit und Pflege“.

Bei der steirischen KPÖ sei man immer dafür gewesen, die Legislaturperiode durchzuarbeiten, weil man nicht wie andere auf vermeintlich günstige Umfragen schiele. „Zudem sind wir immer präsent, in Graz und in den Bezirken, mit unseren Infoständen, nicht nur knapp vor einem Wahltermin. Das registrieren die Menschen“, so die Spitzenkandidatin.

Claudia Klimt-Weithaler beim KPÖ-Wahlkampfauftakt in Graz
APA/KARIN ZEHETLEITNER
Claudia Klimt-Weithaler

Im Bereich Wohnen oder Wohnunterstützung – wie die Wohnbeihilfe in der Steiermark heißt – wundere sie sich über plötzliche Aktivitäten manch anderer Partei. „Wir hatten unzählige Anträge zur Verbesserung im Bereich Wohnunterstützung und Wohnbauförderung. Die wurden so gut wie alle von SPÖ und ÖVP abgewürgt. Und nun kommt plötzlich SPÖ-Chef Michael Schickhofer mit Wohnen um 499 Euro, nachdem seine Koalition mit der ÖVP Geschichte ist“ – mehr dazu in SPÖ fordert Wohnungen um 499 Euro (17.10.2019).

Die Themen durch die soziale Brille gesehen

Im Bereich Pflege habe die KPÖ die Hoffnung, dass das von ihrem Grazer Stadtrat Robert Krotzer entwickelte „KlientInnen-Tarifmodell“, das unter anderem auf günstigere Pflege so lange wie möglich daheim setze, auch auf Landesebene kommen könnte – wenngleich auch erst in der kommenden Legislaturperiode. Ein Gespräch mit dem zuständigen Landesrat Christopher Drexler (ÖVP) lasse da hoffen.

In der Frage um Mobilität und Kosten für ein „Öffi“-Jahresticket sagte Klimt-Weithaler auf eine entsprechende Frage, Gratis-„Öffis“ seien unter gewissen Bedingungen vorstellbar: „Ich bin nicht Frau Oberöko, ich komme vom Land, da hatte man früher prinzipiell ein Auto. Aber ich habe auch heranwachsende Töchter, die fragen und infrage stellen.“ Man müsse sich beim Verteufeln von etwa Dieselautos auch fragen, wen treffe es, wenn diese plötzlich eingeschränkt oder höher besteuert würden – meist die, die sich Alternativen nicht leisten könnten oder auf ein Auto angewiesen seien. „Die Frage, wen treffen Maßnahmen, muss man ja eh in jedem Bereich stellen“, sagte Klimt-Weithaler. Das gelte auch für die Spitalspolitik von SPÖ und ÖVP, die nach Ansicht der Klubchefin das Gesundheitsangebot in den Regionen verringere.

Kein gutes KPÖ-Zeugnis für die „Zukunftskoalition“

Die Arbeit der de facto im September zu Ende gegangenen „Zukunftskoalition“ von SPÖ und ÖVP sieht Klimt-Weithaler nicht sehr positiv – vor allem in Budgetfragen seien die beiden Parteien nicht bereit gewesen, für Länder mögliche Steuern und Abgaben wie Nahverkehrsabgabe (NVK), Stellplatzabgabe oder „Schottersteuer“ einzuführen. „Das alles unter dem Motto, dass man die Wirtschaft nicht belasten darf. Ein gutes ‚Öffi‘-Angebot schadet aber dem Standort nicht, im Gegenteil“, sagt Klimt-Weithaler. Dabei sehe man ja am Beispiel Wien mit dem U-Bahn-Bau, was man mit einer NVK erreichen könne. Nur mit ausgabenseitigem Sparen werde man keine Budgets sanieren und wenig Spielraum beim Finanzieren anstehender Projekte haben.