Dschihadistenprozess in Graz – Polizisten vor dem Grazer Straflandesgericht
APA/Erwin Scheriau
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Chronik

Gutachter beim Dschihadisten-Prozess

Auch am Mittwoch wird der Prozess gegen elf mutmaßliche Dschihadisten mit der Befragung von Zeugen fortgesetzt. Am Wort war bereits ein Mann, der 2014 mit seiner Familie nach Syrien gezogen war, wenig später aber wieder von dort flüchtete.

Der Zeuge, der nach seiner Rückkehr in Graz verurteilt wurde und derzeit eine Haftstrafe verbüßt, war Ende 2014 nach Syrien gezogen, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen. 15 Monate später flüchtete die Familie mit den drei Kindern wieder und wurde von der Türkei nach Österreich abgeschoben.

„Sie sind aus religiöser Überzeugung dorthin gegangen“, stellte der Richter fest. „Nein, mein Bekannter hat mich eingeladen, mir alles anzuschauen“, antwortete der Befragte. „Jetzt lügen Sie uns alle an. Sie wollten dort hin, weil Sie zum IS wollten“, war der Vorsitzende überzeugt.

„Habe damals alles anders gesehen“

„Als verantwortungsvoller Vater hätten Sie allein gehen können“, warf eine der Beisitzerinnen ein. „Es tut mir leid, dass ich sie hineingezogen habe, aber ich habe damals alles anders gesehen“, meinte der Zeuge vor Gericht. Welche Rolle die Grazer Taqwa-Moschee bei seiner Entscheidung, nach Syrien zu gehen, gespielt habe, wollte der Richter wissen. „Die Moschee hat nichts damit zu tun. Ich bin hingefahren, weil ich Moslem bin“, beteuerte der Mann. „Da müssten alle Moslems hinfahren“, meinte der Richter. „Hat Sie jemand abhalten wollen, nach Syrien zu fahren?“, fragte der Staatsanwalt. „Nein, das kann ich nicht sagen“, musste der Zeuge zugeben.

Gutachter erläutert verschiedene Islam Gruppierungen

Am Nachmittag war Islamismus-Experte Guido Steinberg am Wort. Er beschäftigte sich mit der radikalen Grazer Taqwa-Moschee sowie mit Büchern, CDs und Predigten der Beschuldigten. Der Erstangeklagte wurde vom Staatsanwalt als Anhänger der Takfiristen bezeichnet. Diese Gruppe bezeichne sich als „die einzig wahren Muslime. Sie halten selbst Dschihadisten für ungläubig“, beschrieb der Gutachter.

Steinberg erläuterte, wie sich die Gruppe der Takfiristen zunächst ruhig verhalten habe und lediglich abgesondert von anderen gelebt habe. „Ihnen ist der strenge Monotheismus wichtiger als der bewaffnete Kampf“, führte der Sachverständige aus. Die Dschihadisten hingegen würden es als ihre Pflicht ansehen, sich dem Kampf der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen.

„Prediger sei Autorität für Mitglieder in Taqwa-Moschee“

Einige Takfiristen-Führer und Prediger waren beim IS, wurden dort aber entfernt oder hingerichtet, weil sie der Organisation zu extrem waren. Einige von ihnen sind dann nach Österreich und Deutschland gegangen, erläuterte Steinberg. Beim Erstangeklagten fand er „Hinweise, dass es sich um einen Takfiristen handelt“. Kennzeichnend dafür sei die „Verwendung von IS-typischem Vokabular“. Der Prediger sei nach Meinung des Sachverständigen „eine Autoritätsperson für die Mitglieder der Taqwa-Moschee gewesen“.

Die elf Angeklagten müssen sich wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung verantworten. Mittwochnachmittag wird ein weiterer Islam-Experte erwartet. Am Dienstag war der Islam-Experte Ednan Aslan am Wort – mehr dazu in IS-Prozess: Zeugin belastet Angeklagte (26.11.2019). Ob es am Freitag ein Urteil geben wird, ist noch nicht klar. Die Verteidiger kündigten noch Anträge an, über die der Senat erst entscheiden muss.