Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
APA/ERWIN SCHERIAU
Gericht

Brückeneinsturz in Frohnleiten: Prozess angelaufen

Fast fünf Jahre nach dem Einsturz einer in Bau befindlichen Schnellstraßenbrücke in Frohnleiten stehen seit Donnerstag in Graz sieben Männer vor Gericht. Fünf bekennen sich der fahrlässiger Gemeingefährdung nicht schuldig, zwei wollen eine Diversion.

Am 21. Februar 2015 kurz nach 18.00 Uhr gab plötzlich ein Gerüst an der in Bau befindlichen Schnellstraßenbrücke nach – mit lautem Krachen stürzten rund 800 Tonnen Beton und Material auf die Gleise der ÖBB-Südbahnstrecke.

Fotostrecke mit 16 Bildern

Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/ERWIN SCHERIAU
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten
Die eingestürzte Brücke bei Frohnleiten
APA/S. ULLRICH
Der Brückeneinsturz von Frohnleiten

Nur Sekunden davor war ein Personenzug unter der Brücke durchgefahren. Möglicherweise löste dieser Zug das Unglück aus: Laut einem Gutachten war das Gerüst zu schwach kalkuliert worden, und möglicherweise brachten die Vibrationen des Zuges das Gerüst zum Einsturz. Das Gerüst soll nur für die Betonierlast dimensioniert gewesen sein, nicht aber für die höhere Belastung nach dem Vorspannen, und bei einem Pfeiler sei es schließlich zur Überbelastung gekommen, so das Gutachten.

Sieben Planer und Projektleiter auf der Anklagebank

Im Bezirksgericht Graz-West bereitete man sich minutiös auf das, wie es der Richter am Donnerstag gleich zu Beginn formulierte, nicht alltägliche Verfahren vor: Man legte zwei Verhandlungssäle zu einem großen zusammen, eine eigene Tonanlage sorgt für gute Verständlichkeit.

Auf der Anklagebank sitzen der Projektleiter der ASFINAG, die örtliche Bauaufsicht, zwei Statiker, der Projektleiter der STRABAG, ein Mitarbeiter der Gerüstfirma und ein Ziviltechniker – ihnen drohen im Falle eines Schuldspruchs Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr.

Prozess zum Brückeneinsturz von Frohnleiten
APA/INGRID KORNBERGER

Es handle sich nicht um einen klassischen Kriminalfall, sondern um eine komplexe, außerordentliche Causa, die sich nicht im vorsätzlichen, sondern im fahrlässigen Bereich bewegt, so der Richter weiter. Dass der Prozess erst fast fünf Jahre nach dem Einsturz der Brücke stattfindet, begründete er damit, dass es sich um eine technisch höchst komplexe Sache mit 27 beteiligten Firmen handle.

Der Staatsanwalt führte dann aus, dass man die zunächst geplante Herstellungsmethode der Brücke geändert habe und dass danach zu wenig kommuniziert worden sei: Die Brücke wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingestürzt, wenn ein vollständiger Informationstransfer zwischen allen Beteiligten stattgefunden hätte.

Fünf Angeklagte bekannten sich nicht schuldig

Dann waren die Anwälte an der Reihe: Fünf Angeklagte, darunter der Vertreter der ASFINAG sowie ein Bautechniker und ein Statiker, bekannten sich nicht schuldig.

Gutachten „massiv lückenhaft“

Der Verteidiger des ersten Angeklagten hält das erstellte Gutachten für „massiv lückenhaft“: Er sagte, dass die Brücke eingestürzt sei, „weil ein wesentlicher geplanter Teil nicht eingebaut wurde: die sogenannte Aufstapelung“. Bei ordnungsgemäßer Aufstapelung hätte die Brücke nicht herunterstürzen können, sondern maximal Brett für Brett wenige Zentimeter tief fallen können.

Eine Aufstapelung wird üblicherweise beim Absenken einer Brücke in die entsprechende Lücke verwendet: Bretter werden übereinander geschlichtet und stützen die Brücke, während eine hydraulische Presse Stück für Stück das Bauwerk absenkt – dabei wird Brett für Brett herausgezogen. „Die Aufstapelung gab es aber nicht, obwohl das Material dort war. Es lag unten fein säuberlich geschlichtet“, so der Verteidiger eines 44-jährigen Oststeirers.

„Die Aufstapelung wurde nicht eingebaut“

Der Verteidiger des zweiten Angeklagten, ein 67-jähriger Wiener, vertritt auch den 70-jährigen dritten Angeklagten. Der Anwalt gab seinem Vorredner recht und sagte: „Der Zusammenbruch des Tragwerks erfolgte aufgrund mangelnder Ausführung. Die Aufstapelung wurde nicht eingebaut.“ Seine beiden Mandanten treffe keine Schuld.

„Rechtlich unrichtig“

Der Verteidiger des vierten Angeklagten, ein 69-jähriger Deutscher, bezeichnete das Gutachten als „rechtlich unrichtig“: Es habe nur die technischen Ursachen ausführen sollen, beantwortete aber rechtliche Fragen der Staatsanwaltschaft, so der Anwalt – er beantragte einen Freispruch für seinen Mandanten.

„Das Gutachten wird von uns nicht kritisiert“

Danach gab es eine erste Schuldeinsicht: Der Verteidiger des fünften Angeklagten – es handelt sich um einen 51-jährigen Steirer, der die technische Bauaufsicht hatte – sagte: „Das Gutachten wird von uns nicht kritisiert. Mein Mandant wird voll und ganz die Mitverantwortung übernehmen.“ Eine Diversion werde angestrebt – ebenso der sechste Angeklagte, ein 44-jähriger gebürtiger Niederösterreicher. Sein Verteidiger meinte: „Die Strafkeule schwebt seit fast fünf Jahren über ihm.“

„Ein absolut unüblicher Vorgang“

Der Anwalt des siebenten Angeklagten, ein 63-jähriger Statiker, kündigte an, dass sich sein Klient nicht schuldig bekennen werde. Der Beschuldigte hatte das sogenannte Leergerüst berechnet – ihm sei aber nicht gesagt worden, dass schon beim Leergerüst mit dem Vorspannen begonnen werde: „Das ist ein absolut unüblicher Vorgang“, so der Anwalt. Wenn sein Mandant das gewusst hätte, hätte er „sofort laut Feuer geschrien“. Außerdem sei die Einsturzursache seiner Ansicht nach im Gutachten „mehrfach lückenhaft dargestellt“.

„Die Koordinierung fehlte damals“

Nach den Plädoyers der Verteidiger wurde der 51-jährige Steirer wegen seiner Verantwortungsübernahme befragt, um sich möglicherweise auf eine Diversion zu einigen. Der Angeklagte sagte: „Ich bin froh, dass es keine Verletzten gab. Am Freitag, einen Tag vor dem Einsturz, war ich noch selbst mit Arbeitern auf der Brücke.“ Er zeigte sich selbstkritisch, hätte noch mehr nachfragen können, ob jeder vom gleichen Ablauf ausgehe. Er mache heute einiges anders: „Die Koordinierung fehlte damals.“ Er erklärte auch, dass diese Aufstapelung nur zum Absenken der Brücke eingelegt werde. „Die hätte man vorher planlich gar nicht einbauen müssen.“ Er merkte aber auch an: „Natürlich, wenn sie eingebaut gewesen wäre, wäre das nicht passiert.“

Fortsetzung für Februar 2020 geplant

Die ASFINAG zog nach dem Einsturz Konsequenzen und setzt seither immer zwei Statiker ein, die die Berechnungen kontrollieren. Insgesamt wurde ein Sachschaden von rund 5,2 Millionen Euro errechnet. Der strafrechtlich relevante Schaden – nämlich der, der an der ÖBB-Infrastruktur entstand – liegt bei 1,3 Millionen.

Der Prozess wurde am Nachmittag vertagt und dürfte, sofern der Sachverständige zugelassen wird, am 12. Februar 2020 fortgesetzt werden. Gegen die beiden Diversionen sprach am ersten Prozesstag vorerst nichts. Allerdings müssen erst die Kosten berechnet werden, denn eine Diversion ist meist mit einer Geldbuße verbunden.