Barbara Stelzl-Marx
APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER
Wissenschaft

Grazer Historikerin ist „Wissenschaftlerin des Jahres“

Die Grazer Historikerin Barbara Stelzl-Marx ist am Dienstag in Wien zur „Wissenschafterin des Jahres“ gekürt worden. Die Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung wurde damit für ihre Vermittlungsarbeit ausgezeichnet.

Barbara Stelzl-Marx bemühte sich in den vergangenen Jahren immer wieder in Form von Büchern, Vorträgen und Ausstellungen um die Vermittlung ihrer Forschungsarbeiten, etwa zum Leben von Rotarmisten in Österreich in den Jahren 1945 bis 1955, dem Thema Besatzungskinder oder der Aufarbeitung der Geschichte des Zwangsarbeitslagers im Grazer Bezirk Liebenau – mehr dazu in science.ORF.at.

Interessante Themen für die breite Öffentlichkeit

„Wenn man schon die Möglichkeit hat, so interessante Themen zu bearbeiten, dann finde ich es ganz wichtig, dass nicht nur einige Fachkollegen davon lesen, sondern dass man an die breite Öffentlichkeit hinausgeht. Schließlich haben viele der Forschungsprojekte am Ludwig-Boltzmann-Institut gesellschaftliche Relevanz“, begründete die 48-Jährige ihr Engagement in der Wissenschaftsvermittlung, „außerdem tue ich es einfach gerne“.

Am Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung sei sie dafür auf optimale Rahmenbedingungen gestoßen, sagte sie weiter: „Am Institut hatte ich von Anfang an die Möglichkeit, innovative Forschungsthemen in einer offenen und flexiblen Umgebung aufgreifen und bearbeiten zu können. Das Besondere dabei war, dass ich mich vorwiegend auf die Forschung konzentrieren konnte.“

Auslandsreisen prägten wissenschaftliche Arbeit

Ursprünglich galt das Interesse der am 10. April 1971 in Graz geborenen Wissenschaftlerin allerdings den Sprachen: So studierte Stelzl-Marx zunächst Anglistik, Russisch und Geschichte an der Universität ihrer Heimatstadt sowie weiters in Oxford, Moskau, Wolgograd und an der Stanford University – diese Auslandsaufenthalte waren prägend für ihre wissenschaftlichen Interessen.

1991 etwa war sie in Moskau, als gegen Michail Gorbatschow geputscht wurde. 1998 promovierte sie in Geschichte und widmete sich in ihrer Dissertation amerikanischen und sowjetischen Kriegsgefangenen; 2010 folgte die Habilitation zu „Stalins Soldaten in Österreich. Die Innensicht der sowjetischen Besatzung“.

Barbara Stelzl-Marx
APA/HERBERT NEUBAUER
Barbara Stelzl-Marx mit der Auszeichnung

Dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung ist Stelzl-Marx seit dessen Gründung 1993 durch den Grazer Stefan Karner verbunden, zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, ab 2002 als stellvertretende Leiterin. Im März 2018 folgte die Historikerin dem in Ruhestand getretenen Karner an der Spitze des Instituts nach und wurde Anfang 2019 Professorin für europäische Zeitgeschichte mit dem Schwerpunkt Konflikt- und Migrationsforschung an der Universität Graz.

Offizielle Auszeichnung in Wien

Am Dienstag folgte in Wien nun auch die Kür zur „Wissenschaftlerin des Jahres“, eine Auszeichnung, die jährlich vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vergeben wird. Mit der seit 1994 jährlich durchgeführten Wahl will der Journalistenklub vor allem das Bemühen von Forscherinnen und Forschern auszeichnen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Ansehen von Wissenschaft und Forschung in Österreich zu heben. Der oder die Auserwählte wird alljährlich außerdem vom „Office of Science and Technology“ (OST) an der österreichischen Botschaft in Washington zu einem Vortrag in die USA eingeladen.

Immunnisierung gegen „fake news“

In einer ersten Reaktion bedankte sich Stelzl-Marx für die Anerkennung ihrer Arbeit und wünschte sich gleichzeitig eine Stärkung offener und außeruniversitärer Forschungsträger: "Wir leben in einer Zeit, in der Fakten offenbar immer beliebiger und ‚fake news‘ in den sozialen Netzwerken immer relevanter werden. Wissenschaftskommunikation ist gefordert, dieser Entwicklung die Stirn engagiert und sachlich zu bieten und so zu einer gesellschaftlichen Immunisierung gegen ‚fake news‘ und ‚alternative facts‘ beizutragen.“

Potenzial für weitere Forschungen

Durch den Abschluss der Partnerschaft mit der Universität Graz und der Stadt Graz, die Übergabe der Institutsleitung und die Professur an der Uni Graz sieht Stelzl-Marx aber noch „viel Potenzial für weitere relevante Forschungen“.

Abgesehen von Forschungen zum Lager in Graz Liebenau läuft an ihrem Institut derzeit etwa eine Fülle an Forschungsprojekten. Die Themen reichen von den Grazer Straßennamen über den Umgang mit unsichtbaren Teilen der Vergangenheit wie lagerähnlichen Einrichtungen bis zu Spionage oder dem Zerfall des Ostblocks 1989. Im Zusammenhang mit „75 Jahre Kriegsende“ im Jahr 2020 wird außerdem das Buch „The Red Army in Austria“ erscheinen.