„Heldenplatz“
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Kultur

„Heldenplatz“: Ein Skandal neu inszeniert

Es war der größte Skandal der jüngeren österreichischen Theatergeschichte – jetzt ist es erstmals in Graz zu sehen: Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“ hat am Freitag im Schauspielhaus Premiere.

Claus Peymann hatte Thomas Bernhard beaufragt, zum Burgtheater-Jubiläum und anlässlich des Bedenkjahres – 50 Jahre nach dem Anschluss – ein Stück zu schreiben – was folgte, war ein Theaterskandal. „Heldenplatz“ wurde am 4. November 1988 im Wiener Burgtheater uraufgeführt – begleitet von lautstarken Protesten und Diskussionen rund um die Freiheit der Kunst: Bernhard sei mit seinen Österreich-Darstellungen zu weit gegangen, waren viele überzeugt.

Ein Chor erinnert an die Aufregungen von damals

In der Grazer Inszenierung erinnert ein Chor als Stimme des Volkes an die Aufregungen von damals rund um ein Stück, in dem Bernhard mit der Nazi-Vergangenheit seiner Heimat ebenso abrechnete wie mit den Geistlosen und Unverbesserlichen seiner Zeit.

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Der Chor begleitet die Protagonisten als dramaturgisches Stilmittel, so Dramaturgin Karla Mäder: „Der Chor ist ein Mittel, das wir einsetzen, was so im Original nicht steht. Gewisserweise ist ja ein Chor in einem Theaterkontext immer Volkes Stimme, die vielköpfig, aber eine Meinung von sich gibt, und einige der besonders brisanten Stellen werden in diesem Fall vervielfacht durch den Chor gesprochen und erzielen dadurch vielleicht eine andere Kraft oder auch noch einmal eine andere Dringlichkeit.“

In seinem Drama zeigt Bernhard das Bild eines jüdischen Mathematikprofessors, der einst vor den Nazis nach Oxford geflüchtet und dann nach dem Krieg auf Bitten des Bürgermeisters nach Wien zurückgekehrt war – eine fatale Entscheidung, wie sich zeigte, denn drei Jahrzehnte nach seiner Rückkehr sprang er aus seiner Wohnung am Heldenplatz in den Tod. Monologartig lassen die Hinterbliebenen sein von Verzweiflung gezeichnetes Leben Revue passieren.

Die Sprache als Hauptdarsteller

In dem Drama zeigt sich dessen Hauptprotagonist nur in den Erinnerungen der Hinterbliebenen, so Regisseur Franz-Xaver Mayr: „Im ganzen Bernhard-Kosmos funktioniert Sprache oft über Abwesenheit einer Person, über das Sprechen von jemandem, der gerade nicht anwesend ist. Das ist ja im Leben oft auch so – man erzählt, man spricht, man erzählt sich, man erinnert sich, und diese Sprache ist sozusagen der Hauptdarsteller in den Bernhard-Stücken.“

„Heldenplatz“ im Grazer Schauspielhaus

ORF Steiermark-Redakteurin Sylvia Andrews hat die Generalprobe der Grazer Inszenierung von „Heldenplatz“ gesehen.

Thomas Bernhard einstiges Skandalstück ist nun erstmals in Graz zu sehen. Obwohl es eines der meistgelesenen Werke des österreichischen Literaten ist und quer durch Europa, die USA und Südamerika auf den Spielplänen der Schauspielhäuser steht, sind die Aufführungen in Österreich rar, erklärt Dramaturgin Karla Mäder: „Ein Grund ist sicherlich, dass Thomas Bernhard selbst testamentarisch verfügt hat, dass seine Stücke in Österreich nicht aufgeführt werden dürfen. Das wurde dann 1999 aber aufgehoben, im Interesse einer Öffentlichkeit durch den Nachlassverwalter von Thomas Bernhard und Universalerben, seinen Halbbruder Dr. Fabian, in Abstimmung mit dem Suhrkamp-Verlag, wo die Werke von Thomas Bernhard verlegt sind.“

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„Der Versuch eines Erinnerns“

An Qualität hat das Stück bis heute aber nichts eingebüßt, zeigt sich Mäder überzeugt: „Auf dieser ganz abstrakten Ebene kann man das als dysfunktionales Familienstück lesen, man kann darin aber natürlich auch vielfache historische Anspielungen sowohl an die Nazizeit, als auch an die Zeit um 1986/88, als das Stück entstanden ist, lesen. Für uns ist es ein Erinnern an etwas, und das, glaube ich, wäre das Beste, was die Zuschauer mitnehmen, wenn sie sich gemeinsam mit uns erinnern, was damals passiert ist, jeder, wie er es kann oder wie er es aus Quellen oder persönlich am eigenen Leib erlebt hat.“