Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Chronik

Vater erstickt: Lebenslange Haft

Am Grazer Straflandesgericht ist in der Nacht auf Freitag der Prozess gegen einen 55-Jährigen, der im Juli 2018 seinen Vater getötet haben soll, zu Ende gegangen. Der Angeklagte wurde nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der Prozess war geprägt von der auffälligen Art des Deutschen, der mit unzähligen Unterlagen und Aktenordnern auftrat und grundsätzlich alles besser wusste und alle Beteiligten als befangen ablehnte. Im Oktober fing die Verhandlung an, doch eine beisitzende Richterin erkrankte. Einem Austausch stimmte der Angeklagte nicht zu, also musste im Jänner neu gestartet werden – mehr dazu in Vater erstickt: Mordprozess neu aufgerollt (14.1.2020).

Psychologin: „Halte ihn für gefährlichen Menschen“

Die Kindheit des Mannes war schwierig, wie die psychologische Sachverständige ausführte: Er wuchs in einem Heim auf, wurde nie von den Eltern besucht, das Verhältnis zu seiner Familie in der Steiermark war schon immer problematisch. Eine Art „Hassliebe“ habe dazu geführt, dass er den Vater gepflegt hat und ihn dann getötet habe. Es gab auch „ein großes finanzielles Motiv“, so die Psychologin, weil er der Meinung gewesen sei, das Haus und das Geld des Vaters würden ihm jetzt zustehen: „Ich halte ihn für einen gefährlichen Menschen, der hochgradig psychopathisch ist.“

2016 kam er in die Weststeiermark und übernahm die Pflege seines Vaters, obwohl dieser keinen Kontakt zu ihm wollte. Der Angeklagte soll versucht haben, das Vermögen des Pensionisten in seinen Besitz zu bringen. Dazu schirmte er den 82-Jährigen weitgehend von der Außenwelt ab, weder Nachbarn noch der Seelsorger durften ins Haus. Als der Vater aus dem Fenster um Hilfe rief und schrie, dass sein Sohn ihn fesseln würde, soll dieser dafür gesorgt haben, dass der betagte Mann das Fenster nicht mehr unbeobachtet öffnen konnte. Bereits 2018 stand er im Grazer Straflandesgericht vor dem Richter, weil er den Sachwalter seines Vaters bedroht und verleumdet hatte.

Auch beim Neustart des Prozesses blieb der Angeklagte dabei, dass sein Vater eines natürlichen Todes gestorben sei. Er habe einfach aufgehört zu atmen, was er selbst mit einem Spiegel überprüft habe. Den Arzt hatte er erst später verständigt. „Warum haben Sie nicht versucht, ihn wiederzubeleben?“ fragte eine Geschworene. „Er war sterbenskrank, er hätte nur mehr ein paar Monate gelebt“, rechtfertigte sich der Beschuldigte. „Warum haben Sie es nicht wenigstens versucht?“, insistierte die Laienrichterin. „Gott entscheidet den Tag der Geburt und des Todes“, antwortete der 55-Jährige.

Psychiater: „Psychopath im klassischen Sinn“

Der psychiatrische Gutachter bezeichnete den Beschuldigten als zurechnungsfähig – allerdings bescheinigte er dem Angeklagten eine „kombinierte Persönlichkeitsstörung, die in eine expansiv querulatorische Persönlichkeit mündet“, er sei auch „ein Lehrbeispiel für Narzissmus“. Zusammenfassend sprach er von einem „Psychopathen im klassischen Sinn“.

Der Beschuldigte stellte dem Sachverständigen unzählige Fragen, die mit der Zeit immer wirrer wurden. Als er immer wieder betonte, er sei Kunstsachverständiger, verlangte das Gericht, das Zertifikat zu sehen. „Das habe ich nicht mit, aber ich werde Ihnen jetzt in zwei Minuten erklären, warum das Turiner Grabtuch eine Fälschung ist“, antwortete er. Der Richter verzichtete dankend, weswegen sich der 55-Jährige wieder einmal benachteiligt fühlte.

Gerichtsmediziner: Eindeutige Spuren von Gewalt

Nach dem Psychiater und der Psychologin war der Gerichtsmediziner am Wort: Er beschrieb, dass das 82-jährige Opfer ein „hochgradig abgemagerter Mann“ gewesen sei, der Knorpelverletzungen im Halsbereich und Serienrippenbrüche aufwies – beide Verletzungen waren offensichtlich erst unmittelbar vor dem Tod entstanden. Zumindest die Halsverletzung könne nicht von einem Sturz stammen, denn „dazu muss der Hals umfasst werden“.

Die Geschworenen befanden den Angeklagten einstimmig für schuldig des Mordes und der schweren Nötigung an seinem Vater; außerdem wurde die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. Der Angeklagte kündigte sofort Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.