Landschaft bei Michaelerberg
Gemeinde Michaelerberg-Pruggern
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Coronavirus

CoV-„Notlösungen“ könnten gut für Klima sein

Zwar haben die Corona-Ausgangsbeschränkungen katastrophale Folgen auf die heimische Wirtschaft, dennoch gibt es auch hier zumindest einen positiven Aspekt: die Auswirkungen für das Klima.

Man muss lange suchen, um positive Effekte der Corona-Pandemie zu finden – aber es gibt sie: die Auswirkungen auf das Klima zum Beispiel. Der Individualverkehr auf Österreichs Straßen wurde halbiert, Fabriken stoßen weniger oder keine Schadstoffe aus, und der Flug- oder Schiffsverkehr kam fast zum Erliegen – die Natur hat Zeit, sich zu erholen. Doch wie nachhaltig sind diese Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima tatsächlich?

Luftqualität an Messstationen deutlich besser

Wenn einer weiß, wie es um das Klima bestellt ist, dann ist es Gottfried Kirchengast, Klimaforscher am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Universität Graz – und er bestätigt, dass die Emissionen tatsächlich zurückgehen.

„Treibhausgase werden weniger ausgestoßen. Es wird auch die Luftqualität verbessert, auch in der Steiermark. Wir sehen das einerseits anhand von Satellitendaten, man kann es aber auch über Messstationen am Boden nachweisen. Also kurzfristig gibt es derzeit, salopp gesagt, aus ganz falschen Gründen, weil niemand von uns wünscht sich die Corona-Krise, tatsächlich diese Effekte.“

Warnung vor Einmaleffekt

Doch der Klimaforscher spricht sowohl bei den Luftschadstoffen als auch bei den Klimagasen leider nur von einem Einmaleffekt: „Sobald der Verkehr wieder einsetzen würde, wäre sofort von einem Tag auf den anderen das schlechte Luftqualitätsniveau erreicht, das vorher auch war. Man hat keine längerfristige strukturelle Verbesserung im Sinn von Klimaschutz, sondern das ist ein Effekt, der in dem Fall erzwungenermaßen auftritt.“

Aus der Krise lernen?

Aber Gottfried Kirchengast sieht auch eine Chance, aus der Krise zu lernen und so indirekt langfristig positive Effekte für Umwelt und Klima zu erzielen: „Wenn diese Krise uns jetzt zeigt, dass wir auch in anderer Form viele Kommunikationen erledigen können – gerade im beruflichen Bereich, wir müssen nicht überall physisch hinfahren, wir können auch über Fernmeetings arbeiten –, und wenn wir dann auch, wenn ein großes Konjunkturpaket kommt, lernen, diese neuen Investitionen klimagerecht zu investieren, dann kann auch ein längerfristiger Effekt bestehen.“ Andernfalls sieht der Klimaforscher die Gefahr, dass die Umwelt nach der Corona-Pandemie sogar noch stärker belastet werden könnte als vorher.

„Notlösungen“ könnten Zukunft klimafreundlicher machen

Ähnlich sieht es auch der Grazer Klimaökonom Karl Steininger: Kurzzeitige Veränderungen haben zwar positive Effekte auf die Umweltsituation, dürften aber für eine Trendumkehr beim Klimawandel nicht relevant sein. Die aktuellen „Notlösungen“ könnten laut Steininger dennoch eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben.

„Die Corona-Krise zwingt uns, neue Wege auszuprobieren. Wenn wir damit gute Erfahrungen machen, könnten wir sie auch weiterhin verstärkt nutzen und damit einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft leisten“, zeigt sich der Volkswirt überzeugt.

Abhängigkeiten werden sichtbar

Neben Auswirkungen im Arbeitsleben würden durch die Krise weiters vor allem Gefahren durch Abhängigkeiten von globalen Lieferketten sichtbar: Unterbrochene Lieferungen von Medikamenten, elektronischen Bauteilen oder Ersatzteilen für die Automobilindustrie können ernsthafte Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft in Europa haben, so Steininger. „Diese Erkenntnisse sprechen dafür, regional konzentrierte Produktionsstrukturen aufzubauen, um autonomer zu sein, mit dem Nebeneffekt, dadurch den ökologischen Fußabdruck deutlich zu verringern“, hob der Ökonom hervor.

Möglichkeiten zur Dezentralisierung gebe es bereits, sagt Steininger: Er verwies beispielsweise auf die sogenannten additiven Produktionsverfahren, also den 3D-Druck. „Damit ließen sich etwa Ersatzteile für die Automobilindustrie vor Ort erzeugen.“ Als weiteres Beispiel führte er die – auch von Graz aus mitentwickelte – Flow-Chemie an, die es erlaube, pharmazeutische Wirkstoffe in kleineren Einheiten herzustellen und damit der Abhängigkeit von internationalen Lieferketten entgegenzuwirken.

Radikales Umdenken notwendig

Laut dem Grazer Wirtschaftswissenschafter ist ein radikales Umdenken und eine grundsätzliche Neuorientierung in allen Lebensbereichen und Sektoren notwendig, um eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu erreichen. Die aktuelle Krise könnte die Entscheidung, althergebrachte Wege zu verlassen, leichter machen, zeigte sich Steininger optimistisch. Dass angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch das Corona-Virus plötzlich Maßnahmen und Verhaltensänderungen akzeptiert werden, die der Klimawandel mit seiner laut Steininger langfristigen, größeren Gefährdung zumindest bisher nicht rechtfertigen konnte, stimme ihn allerdings auch nachdenklich.