Ein junge Gegnerin von Asbesttransporten trägt einen Mundschutz.
dpa-Zentralbild/Jens Büttner
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Coronavirus

Experte: CoV kostet gesunde Lebensjahre

Die CoV-Maßnahmen seien nötig, so der Grazer Gesundheitswissenschaftler Christoph Pammer; er fordert aber, dass die Verantwortlichen jetzt ihr Blickfeld erweitern, denn die Auswirkungen würden allen gesunde Lebensjahre kosten.

Rund eine Million Menschen in Österreich zählt derzeit zur Risikogruppe, also chronisch Kranke, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen und Alte, hinzu kommen zudem sozial Schwache.

Negative soziale Auswirkungen

Sie alle seien die ersten, die langfristig geschädigt werden könnten, sagt der Gesundheitswissenschaftler Christoph Pammer: „Gerade bei älteren Menschen treten allein jetzt schon sogenannte Kollateralschäden auf, weil der Alltag unterbrochen wird, das kann sich sehr negativ auswirken auf die Möglichkeiten für Bewegung und Mobilität. Und man braucht sich nur die Arbeitslosenzahlen anschauen – das wird oft verschleiert in der öffentlichen Gesundheitsstatistik, aber man weiß, dass die negativen sozialen Auswirkungen auch Todesfälle zeitigen.“

„Da gibt es sicher ein verlängertes Leid“

In den vergangenen Wochen lag der Fokus darauf, die Krankenhäuser zu entlasten – für einen möglichen Ansturm an CoV-Patienten. Kombiniert mit dem Aufruf, zu Hause zu bleiben, würden Diagnosen und Behandlungen derzeit oft verschleppt, meint Stefan Korsatko, Allgemeinmediziner im Gesundheitszentrum Medius in Graz.

„Es trifft jeden. Den jungen Infektpatienten mit einer eitrigen Angina, die übersehen wir, weil man eben nicht rein schauen kann. Es kommen auch Patienten, die in der Blutzuckereinstellung nicht mehr die richtige Kontrolle haben. Manche Patienten wurden aus dem Krankenhaus recht rasch entlassen, um die Betten frei zu kriegen. Da gibt es sicher ein verlängertes Leid“, so Korsatko.

Begleitforschung gefordert

Kritik üben beide am öffentlichen Gesundheitsdienst, konkret am Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden. „Diese Einrichtungen sind auch vor der Krise nicht gut genug koordiniert gewesen. Ein Beispiel: Die Richtlinien für den Infektionsschutz für die Pflegeheime sind erst eine Woche alt. Man weiß aber sehr viel länger, dass ältere Menschen mit Vorerkrankungen besser geschützt werden müssen und hätte schon wesentlich früher Vorkehrungen treffen können“, so Korsatko.

Außerdem fehle es am Bewusstsein, ausreichend Forschung zu betreiben, sagt Gesundheitswissenschaftler Pammer: „Bei uns sprechen derzeit eher die Virologen und Mathematiker, die haben wir auch gebraucht. Jetzt brauchen wir aber auch Soziologen, Politikwissenschaftler und Psychologen.“ Seine Botschaft: Lernen aus der Krise, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein.

Um Risikogruppen nicht nur vor Covid-19, sondern auch den vielen möglichen Folgeschäden zu bewahren, hat die Stadt Graz gemeinsam mit mehreren Vereinen eine Telefon-Kette initiiert: Sozialarbeiter rufen Betroffene an, um ihre Lebenssituation zu besprechen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, so gesund wie möglich zu bleiben, körperlich als auch geistig – mehr dazu in CoV: Graz startete Telefon-Kette.