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Chronik

Zehn Jahre Opferschutzkommission

Am 26. April 2010 ist die unabhängige Opferschutzkommission gegründet worden – sie soll Betroffene von Missbrauch und Gewalt im Bereich der katholischen Kirche unterstützen. Seither wurden mehr als 30 Mio. Euro an Hilfeleistungen bezahlt.

In den ersten Monaten des Jahres 2010 wurden schwere Missbrauchsfälle im Bereich der katholischen Kirche bekannt. Noch im Frühjahr 2010 wurde die ehemalige Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic (ÖVP), von Kardinal Christoph Schönborn gebeten, den Vorsitz der zur Aufklärung von Missbrauchsfällen in der Kirche eingesetzten Kommission – auch „Klasnic-Kommission“ genannt – zu übernehmen.

Fast 2.500 Meldungen bis in die 1960er Jahre zurück

Die Unabhängige Opferschutzkommission (UOK) setzte in den zehn Jahren seit ihrer Gründung 30,7 Mio. Euro für 2.305 finanzielle und therapeutische Hilfeleistungen ein, insgesamt wurden 2.496 Meldungen vorgelegt. Allein in den ersten beiden Jahren hätten sich laut Klasnic 1.000 Menschen gemeldet. 92,35 Prozent der Meldungen konnten von der Kommission positiv erledigt werden.

65 Prozent der Betroffenen, die sich gemeldet haben, sind laut der Zwischenbilanz Männer, 35 Prozent Frauen. Die meisten der gemeldeten Vorfälle, nämlich 38 Prozent, gehen in die 1960er Jahre zurück, etwa 31 Prozent der gemeldeten Übergriffe trugen sich in den 1970er Jahren zu. 14,5 Prozent wurden aus den 1950er Jahren gemeldet, 10,5 aus den 1980ern und vier Prozent in den 1990ern. Der Anteil der Übergriffe ab dem Jahr 2000 wurde mit 0,4 Prozent angegeben.

Vorwiegend körperliche und psychische Gewalt an Kindern

78 Prozent der Meldungen betrafen laut der Zwischenbilanz körperliche Gewalt, 77 Prozent psychische Gewalt, 30 Prozent sexuelle Gewalt, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Der überwiegende Teil der Betroffenen war zum Zeitpunkt des Übergriffs sechs bis zwölf Jahre alt (63,8 Prozent), 26,3 Prozent waren 13 bis 18 Jahre alt, 8,3 Prozent waren noch jünger als sechs Jahre, 1,2 Prozent älter als 18 Jahre.

„Gesten der späten Anerkennung und Menschenwürde“

Hinter den getroffenen Entscheidungen stünden „zutiefst betroffen machende Schicksale und meist schreiendes Unrecht, das nie wieder gutgemacht werden kann. Aber es sollen wenigstens Gesten der späten Anerkennung der Menschenwürde der Betroffenen sein“, betonte Klasnic. Nach Jahrzehnten des „Vertuschens, Verschweigens und Verdrängens“ sei es in den vergangenen zehn Jahren zu wichtigen Schritten der Zuwendung an die Betroffenen, Aufklärung und Aufarbeitung gekommen.

Kein Schlussstrich nach zehn Jahren

Die Konfrontation mit Gewalt und Missbrauch sei auch für sie selbst nicht immer leicht gewesen, so Klasnic, am allermeisten aber belaste es sie, „dass es in der Gesellschaft noch immer einen hohen Anteil gibt, wo man sagt, die erreicht man überhaupt nicht. Das sind 80 Prozent in den Familien.“ Die „Opferschutzanwältin“ hält daher fest: „Es kann und darf keinen Schlussstrich geben.“ Es sei eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, solchen Vorfällen mit aller Entschiedenheit entgegenzuwirken. Künftig müsse Prävention und Bewusstseinsbildung Priorität haben.

Der ehrenamtlichen Kommission gehören etwa die Bundeskanzlerin der Übergangsregierung und ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, der Psychiater Reinhard Haller und der langjährige Präsident des Wiener Stadtschulrats, Kurt Scholz, an. Koordiniert wird die Kommission von Herwig Hösele.