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Wahl 20

GRW: Die Analyse der Ergebnisse

Die Gemeinderatswahlen in der Steiermark haben einige auffällige Ergebnisse gebracht. Für den ORF Steiermark hat Politikexperte Heinz Wassermann von der Fachhochschule Joanneum die Ergebnisse dieser Wahl genau unter die Lupe genommen.

So ist die Zahl der Gemeinden, in denen eine Partei ab sofort mit absoluter Mehrheit im Gemeinderat regiert deutlich gestiegen – mehr dazu in GRW: Die Verteilung der Bürgermeistersessel, auf der anderen Seite ist die Wahlbeteiligung deutlich zurückgegangen – mehr dazu in GRW: Ergebnis laut Experten nicht überraschend.

ÖVP klarere Wahlsieger

„Als einzige der im Landtag vertretenen Parteien trat die Steirische Volkspartei in allen 285 Gemeinden an. Das Wahlergebnis von 47,2 Prozent weist die Volkspartei mit einem ein Plus von 4,5 Prozentpunkten als eindeutige Wahlsiegerin aus. Allerdings verlor sie gegenüber 2015 mehr als 12.000 Stimmen“, so Wassermann.

Das gute Abschneiden der ÖVP lässt sich auch am Gesamtbild der Ergebnisse ablesen: In 190 der 285 Gemeinden legte die ÖVP zu. In 15 davon erzielte sie mehr als 80 Prozent, in nur zwei Gemeinden kam sie auf weniger als zehn Prozent – mehr dazu in ÖVP legte in 190 der 285 Gemeinden zu und in GRW: Hochburgen – zwischen Renaissance und Fall.

ÖVP punktete in Landgemeinden

„Besonders gut schneidet die ÖVP in Gemeinden mit einem hohen Anteil an österreichischen Wahlberechtigten, in dünn besiedelten Kommunen, in Landgemeinden und in solchen, wo das Bruttodurchschnittsgehalt unter dem Landesdurchschnitt liegt, ab“, analysierte Wassermann. „Je höher der Prozentanteil der Altersgruppen bis 19 Jahren und zwischen 19 und 50 Jahren, der von Pflichtschulabsolventen, von Arbeitern, Selbständigen und Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft ist, desto besser fällt ihr Gesamtergebnis aus.“

„Negativ wirken sich auf ihr Ergebnis eine hohe Wohnbevölkerung, ein hoher prozentueller Anteil an Migranten, an Flüchtlingen, unter der Altersgruppe 65 plus, an Angestellten, Maturanten und Hochschulabsolventen und im Dienstleistungssektor Beschäftigten auf Gemeindeebene aus“, sagte Wassermann.

Heinz Peter Wassermann
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SPÖ mit minimalem Zugewinn

Der Politexperte zur SPÖ: „Im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 2015 (31,6 Prozent) verbesserte sich die steirische Sozialdemokratie um 0,3 Prozentpunkte geringfügig auf 31,9 Prozent, vereinte allerdings um mehr als 24.000 Stimmen weniger auf sich als fünf Jahre zuvor. Im Gegensatz zu 2015 kandidierte sie nur mehr in 278 Gemeinden.“

Gewählt wurde in 34 Städten und in 251 Landgemeinden.

SPÖ stark in Städten und reichen Gemeinden

„Überdurchschnittlich gut fällt das Gesamtergebnis der SPÖ in Gemeinden mit einem höheren Anteil an Lehr- und BMS-Absolventen, Beschäftigten in Gewerbe und Industrie, in mittel besiedelten Gemeinden, in Städten und in Gemeinden mit einem überdurchschnittlichen Bruttoeinkommen aus. Die SPÖ schneidet umso besser ab, umso höher die Wohnbevölkerung, der Anteil an Migranten, der Anteil der Altersgruppe 65 plus und das Durchschnittsalter ist“, so Wassermann.

„Zum Teil deutliche Schwächen zeigt die SPÖ in Gemeinden mit höheren Anteilen der Altersgruppe bis 19 und zwischen 20 und 50, an Selbständigen, in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen und an Pflichtschulabsolventen.“

Klarer Verlierer FPÖ

Die FPÖ kandidierte in 233 (81,8 Prozent) Gemeinden und ist die eindeutige Wahlverliererin – sie verlor gegenüber den Gemeinderatswahlen 2015 5,7 Prozentpunkte und erreichte 8,2 Prozent. In absoluten Zahlen verlor sie fast 40.000 Stimmen, das bedeutet, sie hat ihren Wähleranteil von 2015 halbiert.

Parallelen zu Pluspunkten der ÖVP

Wassermann: „Tendenziell bessere FPÖ-Wahlergebnisse zeigen auffällige Parallelen zu den Pluspunkten der Volkspartei. So sind die FPÖ-Ergebnisse umso besser, umso höher der Prozentanteil von Arbeitern, Selbständigen, in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen ist und umso geringer die Durchschnittsbruttogehälter sind.“

„Darüber hinaus schneidet die FPÖ in Landgemeinden wesentlich besser ab als in Stadtgemeinden. Deutliche Schwächen sind für sie hohe Prozentanteile von Maturanten, Hochschulabsolventen und im tertiären Sektor Beschäftigten – auch hier zeigen sich deutliche Parallelen zu den Schwächefeldern der Volkspartei ab.“

Mit den Sozialdemokraten teilt sich die FPÖ überdurchschnittliche Stimmanteile in Gemeinden mit tendenziell höheren Prozentanteilen an Lehr- bzw. BHS-Absolventen.

Auch Parallelen zwischen Grünen und KPÖ

Die Grünen kandidierten in 102 (35,8 Prozent) Gemeinden und verbesserten ihr Wahlergebnis um 1,4 Prozentpunkte auf landesweit 4,8 Prozent. Im Vergleich zu 2015 gewannen sie mehr als 4.000 Stimmen hinzu.

Die KPÖ kandidierte in 37 (13 Prozent) Gemeinden und verbesserte sich geringfügig von 1,5 Prozent auf nunmehr 1,6 Prozentz, verlor aber 698 Stimmen im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 2015.

„Wie schon bei der Landtagswahl im November 2019 zeigen sich auffällige Parallelen zwischen beiden Parteien.
Besonders gut schneiden sie ab, umso höher der Prozentanteil der bis 19-Jährigen, der von Angestellten, Beschäftigten im Dienstleistungssektor, Maturanten und Hochschulabsolventen ist. Ebenfalls positiv wirken sich die Zunahme der Wohnbevölkerung in den letzten fünf Jahren sowie überdurchschnittliche Bruttogehälter aus. Deutliche Defizite wiesen Grüne und Kommunisten in Gemeinden mit tendenziell höheren Prozentanteilen an Pflichtschul-, Lehr- und BMS-Absolventen, Arbeitern, in Gewerbe und Industrie Beschäftigten“, so der Politexperte.

NEOS mit leichten Verbesserungen

NEOS kandidierte in 30 (10,5 Prozent) Gemeinden und verbesserte das Gesamtergebnis um 0,2 Prozentpunkten auf steiermarkweite 0,6 Prozent und legte im Vergleich zu 2015 um 754 Stimmen zu.

Wassermann: „Besonders punkten konnte die Partei in Gemeinden mit erhöhtem Anteil an Selbständigen, in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten, in dünn besiedelten und in Landgemeinden. Im Gegensatz zur Landtagswahl 2019, wo Grüne, KPÖ und NEOS auffällige Parallelen aufwiesen, zeigen die Gemeinderatswahlen tendenzielle Parallelen zur ÖVP“.

Ältere gingen eher wählen

Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen um mehr als zehn Prozentpunkte auf 62,6 Prozent. Sie lag knapp unter der Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl im November 2019 (63,5 Prozent) und massiv unter der Wahlbeteiligung bei der Nationalratswahl im September 2019 (74,8 Prozent). „Die Wahlbeteiligung war umso höher, umso höher das Durchschnittsalter der Gemeindebevölkerung war und war – überraschenderweise – umso geringer, umso mehr Parteien angetreten sind“, sagte Wassermann.

Milieu-Trends setzten sich fort

Die soziodemografischen Trends, die sich bereits bei der Nationalratswahl und der Landtagswahl 2019 zeigten, setzen sich über weite Strecken auch bei der gestrigen Gemeinderatswahl fort. „Das bedeutet konkret: Volkspartei und Freiheitliche auf der einen und Grüne und Kommunisten auf der anderen Seite besetzen jeweils unterschiedliche Milieus, wo sie entweder massiv punkten oder massiv schlechte Ergebnisse aufweisen. Im Gegensatz zu den Wahlen 2019, wo von siamesischen Zwillingen bzw. Drillingen in Form von Grüne, NEOS und KPÖ gesprochen werden konnte, scherte NEOS diesbezüglich bei der gestrigen Wahl aus“, so Wassermann.