Mordprozess in Leoben
APA/INGRID KORNERGER
APA/INGRID KORNERGER
Chronik

Mord durch Unterlassen: Zwölf Jahre Haft

Eine 33-Jährige ist am Donnerstag in Leoben wegen Mordes durch Unterlassen zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Sie soll in alkoholisiertem Zustand auf ihren ebenfalls betrunkenen Lebensgefährten eingestochen haben und ihn verbluten lassen.

Die blutige Auseinandersetzung geschah in der Wohnung der Lebensgefährten in Judenburg. Das Paar – sie haben gemeinsam eine 13-jährige Tochter, die ihnen aber bereits abgenommen wurde – ist seit 2005 zusammen, und die Beziehung war stets geprägt von Alkoholmissbrauch, Streitereien, Eifersüchteleien und Handgreiflichkeiten. Am 3. März allerdings eskalierte ein Streit: Laut Anklage soll die 33-Jährige ihren Lebensgefährten vorsätzlich nicht geholfen haben, sodass er verblutete – mehr dazu in Mann nach Stichen tot, Freundin verhaftet (5.3.2020)

„Gleich nach dem Aufstehen ein Bier“

Der Staatsanwalt schilderte am Donnerstag den Ablauf des Tages so: „Gleich nach dem Aufstehen haben sie zusammen Bier getrunken. Dann hatten sie einen Termin beim AMS, und dort gab es bereits einen verbalen Streit.“ Dann sei es mit Bier, Schnaps und Wein den Tag über verteilt weitergegangen. Zu Hause gab es wieder Streit, und deswegen verließ die Frau die Wohnung, um anderswo mit einem Bekannten weiterzutrinken. Als sie wieder nach Hause kam, eskalierte der Streit mit ihrem Lebensgefährten: Er soll eifersüchtig gewesen sein, sagte sie vor Gericht.

Staatsanwalt: Mit Buttermesser zugestochen

Laut Staatsanwalt kam es zu einer Rangelei und dann griff die 33-Jährige nach einem Buttermesser. Sie fuchtelte damit herum, und dabei stach sie auch zu – das gab sie vor Gericht nicht zu, schloss aber auch nicht aus, dass es so war. Sie traf ihren Lebensgefährten unter anderem knapp unter dem Ohr und in die Flanke. „Es war eine Rauferei, ich habe ihn nicht gezielt so schwer verletzen wollen.“ Sofort sei Blut gespritzt. Das Opfer schlug zurück und letztlich gingen die beiden laut Ankläger beleidigt auseinander.

„Ist mir wurscht“

Was danach geschah, stand im Mittelpunkt der Vorwürfe des Anklägers: „Während sie sich niederlegte, versuchte das Opfer, die Blutung zu stillen. Er stürzte immer wieder, was die Angeklagte auch bemerkte. Sie reagierte aber nicht.“ Sogar als sich der Mann blutüberströmt und stöhnend neben sie legte, habe sie ihm nur das Handy gereicht und gesagt, er soll doch die Rettung rufen. Das machte er aber nicht. „Sie sagte nur: ‚Ist mir wurscht‘“, so der Staatsanwalt.

In der Nacht kroch das Opfer dann laut Anklage auf allen Vieren zur Toilette, er stürzte wieder. „Und was macht die Angeklagte? Nichts. Sie schlief seelenruhig weiter“, erklärte der Staatsanwalt. Selbst am nächsten Morgen habe die 33-Jährige der Zustand ihres Lebensgefährten nicht interessiert: Sie sei einkaufen gegangen und machte sich dann zu Hause in der blutverschmierten Wohnung etwas zu essen. „Erst 18 Stunden nach den Stichen sah sie erstmals nach, wie es ihm geht. Zu dem Zeitpunkt war es zu spät – er war verblutet“, erklärte der Staatsanwalt.

„Ich habe weitergeschlafen“

Die Beschuldigte sagte, sie habe sich schon gedacht, dass ihr Lebensgefährte nach der Rangelei Schmerzen hatte – „Ich hatte ja auch Schmerzen“ –, sie habe die Situation aber falsch eingeschätzt. Vor Gericht gestand sie auch ein, dass sie ihm dabei zusah, wie er ins Klo gekrochen sei: „Ich habe weitergeschlafen“, sagte die 33-Jährige. Gegen Mittag stand sie dann auf, während ihr Lebensgefährte im Nebenzimmer lag. „Ich zog mich an, nahm die Bankomatkarte und ging einkaufen.“

Als die 33-Jährige vom Einkauf zurückkam und sich etwas zum Essen richtete, habe sie nach ihrem Lebensgefährten gerufen, der im Nebenzimmer lag: „Ich sagte, er soll nicht so blöd tun und zu mir ins Wohnzimmer kommen.“ Sie dachte, er wollte nur wieder Aufmerksamkeit. Als er nicht antwortete, ging sie zu ihm und griff an seine Schulter: „Die war ganz kalt“, so die Angeklagte zum Richter.

„Ich schimpfte noch mit ihm“

„Ich schimpfte noch mit ihm: Das kommt davon, wenn du die ganze Nacht so nackt liegst.“ Sie habe ihm eine Decke geholt und drehte ihn um. Da vernahm sie einen Seufzer, gab sie vor den Geschworenen an. „Es kam mir komisch vor. Ich fühlte seinen Puls und hörte bei seinem Herz, aber da war nichts.“ Deshalb habe sie dann die Rettung gerufen.

Auf die Frage der beisitzenden Richterin, warum die Angeklagte dachte, dass ihr Lebensgefährte simuliert, während Blut spritzt, er stöhnt und durch die Wohnung kriecht, sagte die Beschuldigte: „Das war schon öfter so vorher, dass er herumkriecht und Blut verschmiert“, gab die 33-Jährige an; außerdem habe das Spritzen des Blutes auch aufgehört. Es sei das erste Mal gewesen, dass sie ihren Lebensgefährten mit einem Messer angegriffen hatte – davor habe er sich bei Streit schon öfter selbst verletzt und dann mit dem Blut die Wohnung verschmiert.

Für die Nachbarn war der Streit des Paares in jener Nacht zu hören: „Das war aber nichts Besonderes. Es ist öfter nebenan gestritten worden“, hieß es im Zeugenstand.

Gutachter: Vermindert zurechnungsfähig

Laut dem psychiatrischen Sachverständigen Manfred Walzl hatte die Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine mittelgradige Berauschung, aber keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung – damit war sie vermindert zurechnungsfähig. Er führte aus, dass die 33-Jährige unter einem Abhängigkeitssyndrom leidet: „Der Alkohol war ausschlaggebend.“ Zur Gefährlichkeit meinte er, dass es schon sein kann, dass die Beschuldigte unter Alkoholeinfluss wieder gewalttätig wird – er empfahl daher einen Entzug in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Die Geschworenen verurteilten die 33-Jährige schließlich wegen Mordes durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Die Frau bat nach der Urteilsverkündung um drei Tage Bedenkzeit, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab – das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.