Mordprozess in Graz
APA/KARIN ZEHETLEITNER
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Gericht

Polizisten beschossen: Sechsfacher Mordversuch

Ein wilder Schusswechsel mit der Polizei im September 2019 hat am Mittwoch ein Nachspiel im Grazer Straflandesgericht: Weil ein 50-Jähriger mindestens 27-mal auf sechs Polizisten gefeuert haben soll, muss er sich wegen sechsfachen Mordversuchs verantworten.

Der Vorfall ereignete sich bei einem Einfamilienhaus in Gnas im Bezirk Südoststeiermark: Der 50-Jährige leidet an einer bipolaren Störung und kämpft seit Langem gegen seine Alkoholsucht. Am 19. September 2019 hatte er einen Rückfall, außerdem stritt er mit seiner Lebensgefährtin – er drohte dabei, sich umzubringen, und holte eine seiner Pistolen. Die Freundin bekam Angst und rief ihre Schwester an, diese verständigte die Polizei und den Bruder des Mannes – mehr dazu in Psychisch Kranker beschoss Polizeiauto (19.9.2019).

Als er sich bedroht fühlte, rastete der 50-Jährige aus und schoss zunächst in Richtung seines Bruders – das wurde aber nicht als Mordversuch gewertet, da die Schüsse offenbar nicht zielgerichtet waren. Dann trafen drei Streifenwagen ein, in denen sich sechs Polizistinnen und Polizisten befanden. Laut dem Staatsanwalt schoss der Angeklagte sofort, und „die Polizisten konnte sich nur durch einen Hechtsprung aus dem Auto retten“.

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Polizei-Großeinsatz in Gnas
APA/ERWIN SCHERIAU
Polizei-Großeinsatz in Gnas
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Cobra-Beamter in Gnas
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Polizei-Großeinsatz in Gnas
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Die Beamten brachten sich hinter den Fahrzeugen in Sicherheit. Der Beschuldigte schoss vom Balkon weiter in Richtung Polizei, traf allerdings niemanden. Schließlich traf auch ein Einsatzkommando der Cobra ein, und rund drei Stunden nach Beginn des Einsatzes konnte der Schütze zum Aufgeben überredet werden. Bei dem 50-Jährigen wurde später eine Alkoholisierung von 1,5 Promille festgestellt.

„Er wollte sie töten“

Die Schüsse seien „gezielt gegen die Polizisten gerichtet gewesen, er wollte sie töten“, betonte der Ankläger: „Dass es nicht zu einem Blutbad gekommen ist, ist nur großem Glück und dem besonnenen Verhalten der Polizei zu verdanken.“

Der Angeklagte hatte angegeben, er habe sich von den Polizisten erschießen lassen wollen, also „suicide by cop“ begehen wollen. Er sei allerdings ständig in Deckung geblieben, sodass ihn kein Schuss hätte treffen können, entkräftete der Staatsanwalt diese Aussage.

„Er wollte nur provozieren“

„Es handelt sich um eine etwas waghalsige Anklage“, meinte dagegen die Verteidigerin, denn die Kernvorwürfe würden sich „ausschließlich auf die subjektiven Angaben der Polizisten stützen“; außerdem fehle ein wirkliches Motiv. Sie führte zudem an, dass ihr Mandant seit 20 Jahren Sportschütze sei: „Er weiß, wie man zielt, wenn man treffen will.“ Dass keiner der rund 27 Schüsse „auch nur jemanden gestreift“ habe, sei der Beweis dafür, dass der Steirer keinerlei Tötungsabsichten gehabt habe: „Er wollte nur provozieren, damit ihn die Polizei erschießt“, erklärte die Anwältin.

„War nicht Herr meiner Sinne“

Der Angeklagte fühlte sich des versuchten Mordes nicht schuldig. Er erzählte stockend, wie er sich Alkohol gekauft und Selbstmordgedanken gehegt habe. Als er die Polizei sah, „habe ich durchgedreht, hab nicht mehr gewusst, was ich mache“, schilderte der Mann. Größere Erinnerungslücken schrieb er „den Tabletten und dem Alkohol“ zu, er sei „nicht mehr Herr meiner Sinne" gewesen.“

Der Prozess ist für zwei Tage angesetzt. Geladen sind rund 15 Zeugen und zwei Sachverständige. Ein Urteil wird für den zweiten Verhandlungstag erwartet.