Forscherin Christine Moissl-Eichinger im Labor an der Med Uni Graz
Med Uni Graz
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Wissenschaft

Grazer Team auf den Spuren der „Urbakterien“

Neben Bakterien, Pilzen und Viren sind auch „Urbakterien“ wesentlicher Bestandteil im Gesundheitssystem von Lebewesen. Ein Team der Medizinischen Universität Graz untersucht, welche Rolle Urbakterien für Gesundheit und Krankheit spielen.

Die Erforschung der Rolle des Mikrobioms für die Gesundheit ist ein innovatives Forschungsgebiet an der Med Uni Graz. Mikrobiome können das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Hormonsystem beeinflussen und finden sich beim Menschen etwa im Darm, auf der Haut oder auch im Rachen. Aber nicht nur Bakterien, auch Pilze, Viren und Archaeen, also Urbakterien, sind ein wichtiger Teil eines funktionierenden Mikrobioms. Urbakterien sind noch weitgehend unbekannt und wenig erforscht.

Urbakterien wirken sich auf Gesundheit und Klima aus

Sie sind einzellige Lebewesen mit vielen besonderen Eigenschaften. Sie können zum Beispiel in konzentrierter Salzsäure oder bei extremen Temperaturen mit einer Wachstumstemperatur bis maximal 121 Grad Celsius leben. „Durch den Einsatz neuer Methoden gelang es, Urbakterien in großen Mengen auch in einer Vielzahl von Ökosystemen, abseits extremer Bedingungen nachzuweisen, wie in der Erde oder im Meerwasser“, sagte Christine Moissl-Eichinger, Professorin für interaktive Mikrobiomforschung an der Med Uni Graz.

Forscherin Christine Moissl-Eichinger im Labor an der Med Uni Graz
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Christine Moissl-Eichinger von der Med Uni Graz erforscht die Rolle von Urbakterien

Für die Wissenschafterin und ihre Kooperationspartner an der Christian Albrechts Universität Kiel, dem Pasteur Institut Paris und der Universität Clermont-Auvergne sind vor allem die methanbildenden Archaeen von großem wissenschaftlichen Interesse. Sie sind die größte biogene Ursache für Methanbildung und tragen somit erheblich zum Klimawandel bei. Doch nicht nur indirekt durch den Klimawandel, auch als ständige Begleiter auf und im menschlichen Körper, spielen sie für die Gesundheit eine wichtige Rolle.

Im menschlichen Mikrobiom befindet sich eine Vielzahl an Urbakterien. So tummeln sich diese Lebewesen beispielsweise auf der Haut, in der Mundhöhle und im Darm. „Bisher wurde unter den Urbakterien noch kein einziges identifiziert, das direkt Krankheiten verursacht, sagt Christine Moissl-Eichinger. Insgesamt ist über die Rolle der Archaeen für Gesundheit und Krankheit noch sehr wenig bekannt. Das internationale Forscherteam mit Grazer Beteiligung will jetzt aber mehr über das sogenannte Archaeom des Menschen, der Pflanzen und Tiere erfahren.

Urbakterien bilden Methangas

Dabei stellten die Forscher fest, dass vor allem methanbildende Urbakterien prädestiniert für die Vergesellschaftung mit Lebewesen sind. „Sie leben bevorzugt in sauerstoffarmen Umgebungen, wie dem Darm. Dort unterstützen sie Bakterien in ihrer Stoffwechselaktivität maßgeblich“, so die Expertin. Als Endprodukt entsteht dabei Methan, ein Gas, das bei rund 20 Prozent der Bevölkerung sogar im Atem nachweisbar ist. Insgesamt produziert der Mensch im Durchschnitt 0,35 Liter Methangas täglich.

Immunsystem reagiert auf Mitbewohner

Im Laufe der Evolution passten sich Urbakterien aktiv an das menschliche Ökosystem an und auch das Immunsystem erkennt diese Mitbewohner und reagiert entsprechend auf sie. Das legt laut den Forschern die Vermutung nahe, dass Urbakterien eine Rolle in der menschlichen Gesundheit spielen könnten oder aber auch in der Entwicklung von Krankheiten. Es wird vermutet, dass sich ein frühes „Zusammentreffen“ von Kindern mit Urbakterien positiv bezüglich eines Asthmarisikos auswirkt. Manche Archaeen spielen auch eine wichtige Rolle beim Abbau von Schlüsselmolekülen in der Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen und könnten so beispielsweise Arteriosklerose vorbeugen.

Urbakterien verantwortlich für Darmerkrankungen?

Eine erhöhte Anzahl von Methanogenen wurde auch mit Parodontitis, Sinusitis, Darmkrebs, entzündlichen Darmerkrankungen und anderen Beschwerden in Verbindung gebracht. In diesem Fall vermuten die Wissenschafter, dass die Urbakterien allerdings nicht ursächlich beteiligt sind, sondern lediglich die Aktivität der Bakterien durch den Abbau von hemmenden Stoffwechselprodukten unterstützen.

Diesen und weiteren Fragen möchten sich Christine Moissl-Eichinger und ihre Kollegen demnächst widmen, um die tatsächliche Rolle von Urbakterien für Gesundheit und Krankheit zu untersuchen. Derzeit laufen an der Medizinischen Universität Graz zwei vom FWF geförderte Forschungsprojekte zu diesem Thema. Erste Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Journal „nature reviews microbiology“ publiziert.