Der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen
APA/Foto Fischer/Jüdischen Gemeinde Graz
APA/Foto Fischer/Jüdischen Gemeinde Graz
Politik

Elie Rosen: „Hoffen auf Solidarität“

„Wenn jemand geglaubt hat, uns mit diesen Taten einschüchtern zu können, dann war das ein Fehlglaube“, betont der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, nach der Attacke eines Unbekannten am Samstagabend – man hoffe nun auf die Solidarität und Sympathie der Zivilbevölkerung und der Politik.

Rosen war am frühen Abend vor dem jüdischen Gemeindehaus am Areal der Synagoge von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert worden. Es war bereits der dritte Vorfall gegen die Jüdische Gemeinde in Graz binnen vier Tagen – zuvor wurden die Fassade der Synagoge beschmiert und Fenster eingeschlagen.

„Lassen uns nicht einschüchtern“

Rosen wollte mit seinem Auto auf das Areal der Synagoge in Graz fahren, als er dort einen Mann mit Baseballkappe entdeckte, wie er gegenüber dem ORF Steiermark kurz nach dem Vorfall schildert: „Ich bin ausgestiegen, habe gesehen, dass er einen Stein in der Hand hat und daraufhin habe ich ihn gefragt, was er da macht. Bei der Gelegenheit hat er einen baseballartigen Schläger gezogen, ich glaube, es war ein Holzknüppel. Ich konnte mich dann ins Auto retten, habe die Tür zugemacht – auch mein Beifahrer. Er hat dann noch mit dem Holzknüppel auf den Wagen eingeschlagen und ist dann relativ rasch wieder weggefahren. Es war auch eine Augenzeugin da – er hat sich sicher beobachtet gefühlt.“

Verdächtiger
LPD
Die Polizei bittet um Hinweise zu dieser Person

Rosen selbst blieb unverletzt. Doch die Vorfälle seien österreichweit in Art und Intensität mit nichts der vergangenen Jahre vergleichbar – man werde sich aber nicht einschüchtern lassen: „Wenn jemand geglaubt hat, uns mit diesen Taten einschüchtern zu können, oder dass die Jüdische Gemeinde sich zurückzieht aus der Stadt, dann war das ein Fehlglaube. Ganz das Gegenteil wird der Fall sein und wir hoffen da auf die Sympathie und Solidarität der Zivilgesellschaft – ebenso wie die der Politik.“

Fahndung nach dem Täter angelaufen

Am Sonntagvormittag hat die steirische Polizei Fotos von dem Mann ausgeschickt, der für den Angriff auf Rosen und Sachbeschädigungen an der Grazer Synagoge verantwortlich sein könnte.

Bei dem Verdächtigen handelt es sich um eine männliche Person, ca. 20 bis 35 Jahre alt, 170 Zentimeter groß, schlank, mit schwarzem Vollbart. Er hatte eine auffällige weiße Kappe, Jeans und einen dunklen Rucksack getragen und war mit einem roten Mountainbike unterwegs.

Verdächtiger
LPD

Der Journaldienst des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bittet nun unter der Telefonnummer 059 133 / 60 8333 um Hinweise zu dem Fall.

Sicherheitsmaßnahmen werden verstärkt

Die Ermittlungen laufen. Die Sicherheitsmaßnahmen der Jüdischen Gemeinden in ganz Österreich werden nun verstärkt. Auch das Einsatzkommando Cobra wird zur Unterstützung herangezogen werden, heißt es von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Er verurteile die Vorfälle. Der Kampf gegen jede Form des Antisemitismus, egal ob politisch oder religiös motiviert, sei ein elementarer Teil des aktuellen Regierungsübereinkommens, so Nehammer.

Erschütterung in der Politik groß

Dabei sind Erschütterung und Kritik an dem Vorfall quer durch alle politischen Lager groß: „Judenhass und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dessen Solidarität allen in Österreich lebenden Juden gelte.

Man werde alles tun, um den Täter rasch zur Rechenschaft zu ziehen und die Sicherheit der jüdischen Gemeinde in Österreich weiterhin zu gewährleisten, kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an. Der Angriff in seiner Heimatstadt Graz erschüttere ihn zutiefst, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): „Wer unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angreift, greift uns und unsere Grundwerte an.“ Als „zutiefst schockierend“ bezeichnet SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner den Angriff auf den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde.

Steirische Politik solidarisch

„Wer unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angreift, greift uns und unsere Grundwerte an!“, betont die Grüne Landtagsklubobfrau Sandra Krautwaschl auf Twitter. Nachdenklich zeigte sich die Grazer KPÖ-Obfrau Elke Kahr in einer Aussendung: „Unser früherer Landesobmann Willi Gaisch (1922–2009) wurde vom NS-Regime als „Halbjude“ und als Kommunist verfolgt. 1938 hat er als 16-Jähriger vom Augarten aus mitansehen müssen, wie die Nazis die Synagoge niedergebrannt haben“, so Kahr.

Grazer Synagoge beschmiert
APA/Ingrid Kornberger
Die vergangene Woche besprühte Wand wurde aus erhalten gebliebenen Ziegelsteinen der alten Synagoge errichtet.

Die steirischen Freiheitlichen twittern: Es sei nicht hinzunehmen, dass sich jüdische Mitbürger vielleicht bald nicht mehr auf die Straße trauen: „Wir Freiheitliche werden die schändlichen Angriffe auf das jüdische Leben in der Steiermark jedenfalls auf landespolitischer Ebene aufs Tapet bringen“, so FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek. „Ich zähle auf die Polizei und auf die Justiz, mit voller Härte gegen diese Person(en) und somit gegen dieses gesellschaftliche Gift vorzugehen“, vermeldete der Grazer ÖVP-Stadtrat Kurt Hohensinner auf Facebook.

Mitgefühl von Religionsvertretern

IRG-Präsident Deutsch betonte, dass sich die Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich nicht einschüchtern ließen. Nach einer Telefonkonferenz mit Vertretern aller vier Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich versicherte er: „Ein Angriff auf ein Mitglied unserer Gemeinden ist ein Angriff auf ganz Österreich.“

Auch Vertreter anderer Religionen bekunden ihr Mitgefühl: Kardinal Christoph Schönborn und der evangelische Bischof Michael Chalupka und auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich betonen, Antisemitismus dürfe in Österreich keinen Platz finden. Mit Betroffenheit hat auch der evangelisch-reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld auf den Angriff reagiert: „Ich verurteile diese antisemitische Untat aufs Schärfste.“

Schützenhöfer: „Besorgt und betroffen“

Bereits vor dem Angriff auf Rosen selbst, haben der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und der Grazer Bürgermeister Sigfried Nagl die Angriffe auf die Synagoge auf das Schärfste verurteilt: Schützenhöfer sei „sehr besorgt und betroffen über diese aufkeimenden Hasstiraden“ und betonte: „Für diese zerstörerischen Vandalenakte kann es in absolut keiner Form Verständnis geben!“

Synagoge Graz
ORF
Die Jüdische Synagoge in Graz wurde in der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 in Schutt und Asche gelegt. Im November 2000 wurde das jüdische Gebetshaus auf den übrig gebliebenen Mauern wiedereröffnet.

„Dieser feige und hinterhältige Anschlag lässt uns noch enger zusammenrücken mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern“, meldete sich der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) zu Wort.

„Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas passiert“

Am Mittwoch hatten Unbekannte die Außenmauer der Synagoge in Graz mit propalästinensischen Parolen beschmiert. Auch das Gemeindehaus war zum Ziel geworden. In der Nacht auf Samstag warf ein unbekannter Täter mehrere Betonstücke gegen die Fenster an der Nordseite. Eine Scheibe ging dabei zu Bruch, mehrere Fenster wurden beschädigt. „Der Mann auf den Überwachungskameras sieht genau so aus wie jener, der heute auf mich losgegangen ist“, sagte Rosen.

Es sei traurig, dass es in Graz zu solchen Vorfällen komme. „Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas passiert.“ Er werde sich aber davon nicht beirren lassen. Dass die Polizei bereits eine verstärkte Überwachung angeordnet hat, begrüßte Rosen. Er will auch die angekündigte Einladung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zum Gespräch annehmen.