ABD0077_20200823 – GRAZ – …STERREICH: Eine SolidaritŠtskundgebung nach dem Angriff auf den PrŠsidenten der jŸdischen Gemeinde in Graz am Sonntag, 23. August 2020, am Hauptbahnhof. – FOTO: APA/INGRID KORNBERGER
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Politik

Angriff auf Jüdische Gemeinde: „Null Toleranz“

Nach dem Angriff auf den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz kündigt die Politik „null Toleranz“ für derartige Taten an. Genau das will auch eine Solidaritätskundgebung am Sonntagabend verdeutlichen. Die Polizei verhaftete einen Verdächtigen.

„Menschenverachtend und zutiefst verwerflich“ nannte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) die Vorfälle der vergangenen Tage: Rosen war am frühen Abend vor dem jüdischen Gemeindehaus auf dem Areal der Synagoge von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert worden.

Schützenhöfer: „Null Toleranz für Taten“

Es war bereits der dritte Vorfall gegen die Jüdische Gemeinde in Graz binnen vier Tagen – zuvor wurden die Fassade der Synagoge beschmiert und Fenster eingeschlagen – mehr dazu in Grazer IKG-Präsident mit Holzprügel attackiert und Grazer Synagoge mit Parolen beschmiert. Die Steiermark, so Schützenhöfer, sei ein Land der Vielfalt – für derartige Taten gebe es „null Toleranz!“.

Seit dem Zweiten Weltkrieg sei die Jüdische Gemeinde in Graz nicht mehr derart angegriffen worden. Daher gebe es nun den „Schulterschluss“ zwischen Stadt und Land über Parteigrenzen hinweg, sagte Schützenhöfer.

Von links: Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ), der Leiter des Landesamtes Verfassungsschutz, Rupert Meixner, Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), Landespolizeidirektor Gerald Ortner, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, und Landeshauptmann-Stv. Anton Lang (SPÖ)
APA/ERWIN SCHERIAU
V. l. n. r.: Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ), der Leiter des Landesamts Verfassungsschutz, Rupert Meixner, Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), Landespolizeidirektor Gerald Ortner, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, und Landeshauptmann-Stv. Anton Lang (SPÖ)

Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) ortete einen „Angriff auf unsere Gesellschaft, einen Angriff auf unseren Weg des Miteinanders“. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) betonte: „Wer unsere Kirchen angreift, greift Graz als Stadt an.“ Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) rief die Menschen auf, wachsam zu sein und auf ihre Mitbürger zu schauen: „In einer Stadt der Menschenrechte haben solche Taten nichts verloren!“

Die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) in Graz organisierten für Sonntagabend eine Solidaritätskundgebung ab dem Grazer Hauptbahnhof in Richtung Synagoge.

ABD0077_20200823 – GRAZ – …STERREICH: Eine SolidaritŠtskundgebung nach dem Angriff auf den PrŠsidenten der jŸdischen Gemeinde in Graz am Sonntag, 23. August 2020, am Hauptbahnhof. – FOTO: APA/INGRID KORNBERGER
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Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz

Bereits am Samstagabend hatte es die erste spontane Mahnwache vor der Synagoge gegeben – auch am Sonntag will man sich hier wieder treffen.

Polizei geht von Einzeltäter aus

Am Sonntag sind auch Fahndungsfotos des Verdächtigen veröffentlicht worden. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus, der für mehrere Delikte in den vergangenen Tagen infrage kommen könnte: Neben dem Vandalismus an der Grazer Synagoge und dem Angriff auf Rosen etwa auch für Schmierereien auf dem Hauptbahnhof und auf einem Rotlichtlokal in der Grenadiergasse sowie für die eingeschlagenen Schaufenster des Grazer Vereinslokals der Rosalila PantherInnen, einer schwul-lesbischen Interessensvertretung.

Verhaftung am Sonntagabend

Am Sonntagabend wurde von der Polizei die Verhaftung eines Verdächtigen bekanntgegeben – mehr dazu in Polizei verhaftet Verdächtigen (news.ORF.at).

Die Personenbeschreibung der Zeugen passt zu jener von der Synagoge, so der Leiter des Landesamts Verfassungsschutz, Rupert Meixner: „Es handelt sich nicht nur um einen antisemitischen, sondern auch um einen homophoben Täter.“

Verdächtiger
LPD
Unter der Telefonnummer 059 133 / 60 8333 bittet die Polizei um Hinweise zu dem Fall.

Ermittlungsgruppe „Achava“ eingerichtet

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat eine eigene Ermittlungsgruppe für den Fall eingerichtet, die sich „Achava“ nennt – hebräisch für Brüderlichkeit, schilderte Meixner. Landespolizeidirektor Gerald Ortner sagte, dass der Täter offenbar in der Nacht auf Mittwoch zum ersten Mal bei der Synagoge zugeschlagen haben dürfte.

Die Synagoge sowie auch Präsident Rosen werden beschützt. Auch das Vereinslokal der Rosalila PantherInnen werde bewacht. Die Streifenaktivität in der Innenstadt wurde verstärkt. Ortner stellte auch klar, dass bei einer Mahnwache von betroffenen Grazerinnen und Grazern in der Nacht auf Sonntag vor der Synagoge sehr wohl die Polizei präsent war – allerdings vielfach in Zivilkleidung, weshalb sie auch nicht erkannt werden konnte.

„Nicht unterkriegen lassen“

Der Vorfall habe die Jüdische Gemeinde betroffen gemacht, aber nicht überrascht, schilderte Rosen. Antisemitismus – egal woher er komme – sei nicht zu tolerieren. Man werde sich nicht unterkriegen lassen.

Elie Rosen
APA/ERWIN SCHERIAU
Elie Rosen: „Das soll uns wachrütteln!“

Den Mitgliedern sei es wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein, so Rosen, der warnte: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die Jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“