Die Außenmauer der jüdischen Synagoge in Graz ist in der Nacht auf Mittwoch, 19. August 2020, mit propalästinensischen Parolen beschmiert worden.
INGRID KORNBERGER / APA / picturedesk.com
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Chronik

Synagogen-Angriff: Verdächtiger geständig

Nach der Verhaftung eines Verdächtigen nach den Angriffen auf die jüdische Gemeinde in Graz hat die Politik heute klargestellt: Durch den Vorfall wurden die Grund- und Freiheitsrechte Österreichs angegriffen. Man habe es nicht nur mit einer einzelnen Tat sondern mit einem systemischen Problem zu tun.

Bei dem festgenommenen Mann handle es sich um einen 31-jährigen syrischen Staatsbürger, der seit 2013 in Österreich lebt und hier einen Flüchtlingsstatus hat. Derzeit sei er ohne Beschäftigung, schildert Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Die Behörde habe ein Aberkennungsverfahren des Asylstatus eingeleitet.

Tatwaffe war ein zweckentfremdetes Stuhlbein

Der Mann konnte nach umfangreichen Fahndungsmaßnahmen am Sonntag um 20.25 Uhr in Graz festgenommen werden. Auch die Tatwaffe, die der Mann offenbar beim Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz, Elie Rosen, verwendete – mehr dazu in Grazer IKG-Präsident mit Holzprügel attackiert (22.8.2020) wurde sichergestellt. Es handle sich um einen Schlagstock, ein zweckentfremdetes Stuhlbein. Außerdem habe der Mann in seinem Rucksack auch Steine mitgeführt, sagt Nehammer.

Ermittler gehen von islamistischem Motiv aus

Der Syrer sei bis in die frühen Morgenstunden einvernommen worden. Er sei voll inhaltlich geständig. Man gehe davon aus, dass es sich um ein islamistisches Motiv handelt. In der Wohnung des Mannes seien entsprechende Beweismittel sichergestellt worden. Man werte derzeit Handys und Laptops aus. Ebenso wie Schriftstücke. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann auch für weitere Angriffe, etwa auf eine katholische Kirche und ein Vereinslokal, verantwortlich sei. Er sei eine Person, die das Leben in Österreich gesamtgesellschaftlich ablehnt, so der Innenminister.

„Lassen uns nie wieder einschüchtern“

„Der Täter schritt vom Wort zur Tat. Es blieb nicht bei Sachbeschädigung“, sagt Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Der Vorfall in Graz zeige, wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus sei. Man lasse sich nicht einschüchtern, sagt Deutsch: „Nie wieder.“

Die jüdische Gemeinde in Graz sei in den vergangenen Jahren von der Überzeugung getragen gewesen, dass Antisemitismus durch edukative Massnahmen Rechnung zu tragen sei. Umso erschütterter sei man gewesen, dass man in Graz gleich drei Mal Opfer von Attacken wurde, sagt der Präsident der jüdischen Gemeinde in Graz, Elie Rosen. Antisemitismus sei immer gleich unappetitlich, egal woher er komme.

„Täter wie jener sind Vorbild für andere“

Rosen betont, er wolle davor warnen, dass es sch um einen Einzeltäter gehandelt habe. „Taten wie diese bringen Tätern jene Publizität, die Vorbild sind für andere, ihre Ideologien auf radikale Weise umzusetzen. Das sind nicht nur Angriffe auf die jüdische Gemeinde sondern auf die Grundwerte unserer Gesellschaft“, so Rosen.

Innenminister: Vereinter Kampf gegen Antisemitismus

Einen vereinten Kampf gegen Antisemitismus und radikalen politischen Islam kündigt der Innenminister bei der Pressekonferenz an. Es werde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um noch intensiver Nachschau halten, wo es mehr Schutzmaßnahmen brauche. Eines müsse jedem Gewalttäter klar sein, betont der Inneminister: „Wir lassen uns nicht abhalten, eine freie Gesellschaft zu sein, wir lassen uns nicht bedrohen und verteidigen unsere Grund und Freiheitsrechte. Das braucht ein gemeinesames Bestreben. Gleichezeitig das Mitwirken der Gesellschaft aber ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann.“

Landeshauptmann: Wir müssen wachsam bleiben

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und sein Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) dankten allen, die an der Aufklärung des Falles mitgearbeitet haben. Allerdings, so der Landeshauptmann weiter, gebe es dennoch keinen Grund zur Entwarnung: „Wir müssen wachsam bleiben, denn in unsere vielfältige, eigentlich multikulturelle Gesellschaft hat sich – insbesondere seit 2015 – viel Missgunst eingenistet. Der Antisemitismus hat kein linkes oder rechtes oder religiöses Mascherl. Wir begegnen ihm überall. Er ist in den Köpfen gewachsen, weil Jahre hinter uns liegen, in denen die Abneigung, um nicht zu sagen der Hass, geschürt und damit der Keil der Spaltung in die Gesellschaft getragen wurde.″ Wir alle, so Schützenhöfer, seien daher aufgerufen, das Miteinander und nicht das Nebeneinander oder gar das Gegeneinander zu leben.

Auch Lang unterstrich: "Für die Zukunft gilt es nun, auf allen Ebenen noch aufmerksamer auf jegliche Anzeichen von Extremismus, Verhetzung und Rassismus – egal ob es von rechts oder von links kommt – zu reagieren und noch entschiedener dagegen aufzutreten. Es liegt an uns allen, mit größtmöglicher Vehemenz aufzuzeigen, dass in unserem Land Antisemitismus und Homophobie keinerlei Platz haben. Extremismus hat in unserem Land nichts zu suchen.″

Unterstützung auch aus der Bevölkerung

Bereits zuvor hatten sich Vertreter aller politischer Parteien zutiefst betroffen und schockiert gezeigt – mehr dazu in Elie Rosen: „Hoffen auf Solidarität“ (22.8.2020).

Auch aus der Bevölkerung gab es Solidaritätsbekundungen. Die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) in Graz organisierten für Sonntagabend eine Solidaritätskundgebung ab dem Grazer Hauptbahnhof in Richtung Synagoge mehr dazu in – Angriff auf Jüdische Gemeinde: „Null Toleranz“ (23.8.2020).