Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Chronik

„Staatsverweigerer“-Prozess: Friedlicher Auftakt

Am Dienstag hat in Graz die Neuauflage des Verfahrens gegen 14 Mitglieder des „Staatenbund Österreich“ begonnen. Ihnen wird auch Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung vorgeworfen. Der Auftakt verlief vergleichsweise friedlich.

Der erste Prozess hatte vier Monate gedauert und endete am 25. Jänner 2019 mit der Verurteilung aller Angeklagten: Sie wurden alle für schuldig befunden, an einer staatsfeindlichen Verbindung teilgenommen zu haben. Einigen wurde auch Hochverrat vorgeworfen. Die „Präsidentin“ wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt – ihr wurde auch noch Nötigung der Regierung und einzelner Regierungsmitglieder, Bestimmung zum Amtsmissbrauch und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs angelastet. Ihr Stellvertreter, ein Ex-Gendarmeriebeamter, bekam zehn Jahre Haft, die restlichen Angeklagten wurden zu Strafen zwischen neun Monaten und drei Jahren verurteilt.

„Präsidentin“ ent- und verhaftet

Vor knapp vier Wochen, am 6. August, wurde die Vereins-„Präsidentin“ erneut verurteilt, diesmal wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt in der Untersuchungshaft. Es erfolgte eine bedingte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, da sie zum Tatzeitpunkt als nicht zurechnungsfähig eingestuft wurde; anschließend wurde sie wegen des Hauptverfahrens sofort wieder in Haft genommen – mehr dazu in „Staatenbund“-Präsidentin ent- und verhaftet (6.8.2020)

Stellvertreter plante Ausbruch

Ihr Stellvertreter hatte bei einem Prozess am 28. Juli deutlich mehr ausgefasst: Er wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, weil er seinen Ausbruch aus dem Gefängnis mittels Geiselnahme geplant haben soll; auch über ihn wurde die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt – mehr dazu in „Staatsverweigerer“ wollte ausbrechen: Haft (28.7.2020)

„Anklage weitgehend unverändert“

Nun müssen alle nochmals erscheinen: Die Urteile waren teilweise aufgehoben worden, weil es Unstimmigkeiten bei Fragen an die Geschworenen gegeben hatte. „Die Anklage ist weitgehend unverändert“, berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hansjörg Bacher aber im Vorfeld – mehr dazu in „Staatenbund“-Prozess vor Wiederholung (27.1.2020).

Masken-Diskussion

Bei der Neuauflage des Prozesses am Dienstag wurde nun die „Präsidentin“ des Vereins ebenso wie zwei weitere Mitglieder aus der Haft vorgeführt. Sie gab sich diesmal kooperativ und beantwortete alle Fragen zu ihrer Person ohne Umschweife und lange Statements. Eine der Beschuldigten fragte, wer für die Schäden, die durch das Tragen der Masken entstehen könnten, aufkommen würde, ansonsten verlief die Überprüfung der Personalien weitgehend friedlich.

Der Stellvertreter der „Präsidentin“ forderte nach einiger Zeit, dass die Geschworenen die Masken abnehmen sollten: „Es gibt bis heute keinen mikroskopischen Nachweis des Coronavirus.“ Die Richterin protokollierte den Antrag ungerührt, ebenso die Ablehnung desselben durch den Richtersenat.

„Die Ideologie besteht weiterhin“

Dann trat der Staatsanwalt auf den Plan, der bemerkte, dass „die meisten Angeklagten durch das Haftübel schon geläutert sind“. Beim ersten Prozess hatte sich der ganze Verein noch wesentlich kämpferischer gezeigt. Einige, so der Ankläger, „sind aber unverbesserlich. Die Ideologie besteht weiterhin, das Problem ist aktuell.“ Die Beweislage sei „erdrückend“, betonte der Staatsanwalt.

Er schilderte ausführlich den Werdegang des „Staatenbundes“: Als 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Österreich kamen, formierten sich Anhänger des Vereins, die verlangten, man solle die Grenze schließen. „Als bewaffneten Arm hätten sie gern das Bundesheer gehabt.“ Es gab Versuche, das Militär mit gefälschten „Haftbefehlen“ dazu zu bringen, Mitglieder der Regierung zu verhaften. Das funktionierte nicht, ebenso wenig wie die Bitte an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, er möge in Österreich einmarschieren. „Der Staatenbund hatte beinahe 3.000 Mitglieder, das war die größte staatsfeindliche Verbindung“, betonte der Ankläger in seiner Eröffnung.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt – und es dürfte ein langes Verfahren werden: Vorerst sind Termine bis 23. Oktober ausgeschrieben.