Gedenktafel
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Chronik

Gedenktafel für Lager Liebenau enthüllt

Mit einer Gedenktafel und einem digitalen Rundgang sind am Freitag in Graz die im Lager Liebenau verübten Gräueltaten des NS-Regimes sichtbar gemacht worden. Stadt, Land und Initiatoren sprachen von einem wichtigen Beitrag gegen das Vergessen.

Das sogenannte Lager 5 war bis zum Kriegsende vor 75 Jahren für ungarische Juden eine Zwischenstation auf den Todesmärschen nach Mauthausen.

Enthüllung mit Bezug zur Grazer Oper

CoV-bedingt war die Enthüllung der Infotafel an das Grazer NS-Lager Liebenau im April abgesagt worden. Nun wurde mit dem Enthüllen der Tafel an der Mur auf dem früheren Lager-Areal ein Bezug zur Oper Graz hergestellt: Am Freitag wurde dort eine Filmdoku über das Lager gezeigt – und dort findet am 18. September die Premiere von Mieczslaw Weinbergs Oper „Die Passagierin“ nach dem Buch der KZ-Insassin Zofia Posmysz statt – mehr dazu in Grazer Oper widmet sich Weltkriegsgräueln (steiermark.ORF.at; 4.3.2020).

Hausherrin und Intendantin Nora Schmied sagte, die „zweite Enthüllung" musste in der Oper stattfinden: " Es gibt so viele Bezüge, allein mit ‚Die Passagierin‘, ein Stück, das sich mit der Frage nach Schuld, Vergebung und der historischen Verantwortung jedes einzelnen beschäftigt.“

Präsentation des Dokumentarfilms über das Lager Liebenau in der Oper Graz
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Elie Rosen konnte noch nicht teilnehmen

Kultur- und Finanzstadtrat Günter Riegler (ÖVP) erinnerte an den Angriff auf die Grazer Synagoge im August und auf den Angriff an den Präsidenten der Kulturgemeinde, Elie Rosen. Dieser habe ihn gebeten, ihn am Freitag zu entschuldigen, er sehe sich noch nicht in der Lage teilzunehmen – mehr dazu in Nach Synagogen-Mahnwache droht Anzeige. „Nach der coV-bedingten Verschiebung im April können wir nun die Eröffnung des digitalen Rundgangs und der Erinnerungstafel vornehmen“, sagte der Stadtrat. Es gebe ein weiteres Forschungsprojekt mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Kriegsfolgenforschung, nämlich eine Datenbank zu den zivilen Zwangsarbeitern zwischen 1939 und 1945.

Datum kein Zufall

Das heutige Datum der Präsentation sei nicht zufällig gewählt, sagte Riegler. Am 11. September 1947 habe in Graz unter britischer Vorsitzführung der Prozess gegen vier ehemalige Lager-Wächter begonnen. Riegler sagte auf Journalistenfragen, er rechne nicht damit, dass die Erinnerungstafel beschädigt werden könnte. Er vertraue auf respektvollen Umgang, aber sollte es Beschädigungen kommen, „dann werden für die Reparatur die Mittel zur Verfügung stehen, selbstverständlich“.

Urs Harnik-Lauris von der Energie Steiermark sagte, die Aufarbeitung der Geschichte des Liebenauer Lagers habe schon 2011 begonnen. Mit dem Projekt Murkraftwerk beim ehemaligen Lagergelände habe es im Umfeld viele Irritationen, aber auch eine fundierte Aufarbeitung und Dokumentation gegeben, bevor es im Areal zu Detailplanungen kam. „Wir haben es als unseren Auftrag betrachtet, unsere Bauarbeiten anzupassen, Leitungswege wurden neu geplant“. Die Ergebnisse der Grabungen seien für alle erschütternd gewesen.

Gedenktafel und App
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Ortsnamen in einem ganz anderen Licht

Für Kulturlandesrat Christopher Drexler (ÖVP) bedeute die Entscheidung für eine Erinnerungstafel, an das NS-Unrechtsregime zu gemahnen und einen Bezug zu Graz herzustellen. „Ein regionaler Bezug ist etwas anderes als ein abstrakter in anderen Teilen Europas“, sagte Drexler. Er lobte das „zivilgesellschaftliche Engagement“ des Ehepaares Rainer und Uschi Possert, das über viele Jahre an dem Thema drangeblieben sei. Drexler sagte, er habe sich in einem Dissertationsversuch selbst mit den Volksgerichtshöfen zur Aufarbeitung der NS-Zeit befasst. „Da schlägst du Akten auf, und plötzlich liest du von Verbrechen in den letzten Tagen des NS-Regimes in der Steiermark, und plötzlich erscheinen Ortsnamen in einem ganz anderen Licht. Ich hoffe, dass das auch die Erinnerungstafel vermittelt“, sagte Drexler.

Stolperstelle soll verlegt werden

Barbara Stelzl Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, sagte, seit 1945 sei buchstäblich Gras über die Sache gewachsen, aber die Geschichte bleibe. Nach der Erinnerungstafel werde es auch noch ein Mahnmal geben. Dazu soll es in der Nähe des früheren Zwangsarbeiterlagers auch noch eine Stolperschwelle geben, die noch im Herbst verlegt werde, analog zu den bekannten Stolpersteinen. Von vielen Opfern wisse man die Namen nicht – und auch nicht, ob sich noch Tote unter der Oberfläche befänden. Stelzl-Marx lobte die Dokumentation, die der Grazer Markus Mörth erstellt habe und die am Freitag in der Oper gezeigt wurde. Die Doku wird auch über die App abzurufen sein, die an der Erinnerungstafel in Liebenau mittels QR-Code abzurufen sein wird, für den virtuellen Rundgang. Vergessen und verdrängen werde dadurch durch bewusstes Erinnern abgelöst.