Wissenschaft

Recyclingsystem für gebrauchte Windeln

Die Trennung und das Recyceln von Babywindeln gelten bisher als teuer. Daher werden Windeln meist verbrannt oder deponiert. Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) mit Sitz in Graz haben einen neuen Recyclingprozess entwickelt.

Fünf bis siebenmal am Tag werden Babywindeln im Durchschnitt gewechselt. Danach landen sie im Müll und sorgen für schnell wachsende Müllberge. Das acib suchte nach einem Weg, den Müllberg zu verkleinern und aus dem Abfall wichtige Rohstoffe für die Industrie zurückzugewinnen.

Wichtige Ressourcen in Windeln enthalten

Rund 20 Milliarden Einwegwindeln werden jährlich alleine in der EU produziert. Sie bestehen aus mehreren unterschiedlichen Schichten aus Polyethylen-, Polypropylen sowie Cellulose- und saugstarken Kunststofffasern. Letztere sind hauptsächlich aus dem körnigen chemischen Verbundstoff Natriumpolyacrylat gefertigt, der das Hundertfache der Masse einer Windel absorbieren bzw. aufnehmen kann. Alle diese Materialien gelten als wertvolle, wieder verwendbare Ressourcen.

Die Forscher setzen auf einen biotechnologischen Ansatz im Recycling des Windelmülls: Im Zentrum steht der Einsatz von speziellen Enzymen. Sie werden als Biokatalysatoren verwendet, die biologische und chemische Prozesse steuern und in Gang bringen. „Die Enzyme die wir einsetzen, – das sind unter anderem Cellulasen – sind in der Lage, die Windelfasern zu trennen und zu recyceln, woraufhin Cellulosefasern zum Grundstoff Glukose abgebaut und folglich als Nährstoffquelle fermentativ genutzt werden können“, erklärt acib-Wissenschafterin Sara Vecchiato vom Institut für Umweltbiotechnologie am IFA Tulln der BOKU Wien.

Prozess läuft ohne gefährliche Chemikalien ab

Die enzymatischen Abbauprodukte sind wertvolle Grundbausteine für chemische Verfahren oder für die Herstellung von Bioethanol und neuen Polymeren. Der Vorteil der Technologie sei laut den Forschern, dass sie einfach und in reiner Form rückgewonnen werden können. Zudem könne Erdöl eingespart werden, das nach wie vor als Grundbaustein für die in Windeln verarbeiteten Polymere herangezogen wird.

„Anders als bei der thermischen Verwertung des Windelmülls entsteht beim acib-Verfahren außerdem kein CO2. Während des gesamten Prozesses benötigen wir auch keinerlei gefährliche Chemikalien. Das Recyclingverfahren findet bei Raumtemperatur statt, benötigt keine aufwändige und kostspielige Infrastruktur und stellt damit eine umweltfreundliche Maßnahme dar, die Effekte des Klimawandels einzubremsen“, hebt Vecchiato die Vorteile hervor.

Wirtschaftspartner für Projekt gesucht

„Wir gehen davon aus, dass etwa drei Jahre an weiteren Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Labor nötig sein werden, bis wir so weit sind“, schätzt Vecchiato den weiteren Handlungsbedarf ein. Die Forscher sind auf der Suche nach einem Wirtschaftspartner für die Umsetzung des Verfahrens.

Das im Jahr 2010 in Graz gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology – acib GmbH – bündelt als österreichisches K2-Zentrum für industrielle Biotechnologie die Kompetenz zahlreicher österreichischer Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie Industriepartner. Es hat sich unter anderem darauf spezialisiert, traditionelle chemische Verfahren für die Biotech-, Pharma- und chemische Industrie durch neue, umweltfreundlichere und ökonomische Prozesse zu ersetzen, in dem es sich Methoden der Natur zum Vorbild nimmt. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Wiener Universität für Bodenkultur sowie die steirische Joanneum Research.