Klaus Vander
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Coronavirus

Virologe: „Können das Virus nicht ausrotten“

Der Grazer Virologe Klaus Vander hält die neuen CoV-Maßnahmen der Bundesregierung für geeignet, um den Anstieg der Infektionszahlen einzudämmen, ausrotten könne man das Virus damit aber nicht, sagt er.

Auch in der Steiermark steigt die Zahl der Neuinfektionen: Mit Stand Montagabend sind 142 Neuinfizierte dazu gekommen, womit nun 1.286 Menschen aktiv mit dem Coronavirus infiziert sind. Besonders betroffen sind nach wie vor die Bezirke Voitsberg und Leoben, am wenigsten Fälle gibt es in Murau. Am Dienstag sind außerdem zwei weitere Todesopfer gemeldet worden – eine 53 Jahre alte Frau aus dem Bezirk Hartberg-Fürstenfeld und ein 93 Jahre alter Mann aus dem Bezirk Bruck-Mürzzuschlag.

Fraglich, „wie lange die Maßnahmen tragbar sind“

Um eine größere Ausbreitung des Virus zu verhindern, hat die Bundesregierung am Montag weitere Maßnahmen bekannt gegeben, die mitunter bis in den Privatbereich reichen – mehr dazu in Schärfere CoV-Maßnahmen bundesweit ab Freitag.

Der Leiter des Grazer Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie, Klaus Vander, ist überzeugt, dass diese Maßnahmen dazu beitragen können, „einem weiteren Anstieg der Zahlen entgegenzuwirken.“ Zugleich aber müsse man sich laut Vander aber auch die Frage stellen, „ob diese Maßnahmen aus gesellschaftlicher, aber auch wirtschaftlicher Sicht in Hinblick auf Jahre weiter tragbar sind.“

Virologe Klaus Vander

Der Grazer Virologe Klaus Vander erklärt im Interview, wie mit dem Virus künftig umgegangen werden sollte.

„Lernen, bestmöglich damit umzugehen“

Für die Zukunft brauche es einen weitaus differenzierteren Umgang mit dem Virus, so Vander. Das betreffe zum einen etwa die Testungen selbst – hier sei weniger der Fokus auf Symptome, als vielmehr auf Risikogruppen zu legen, so der Experte. Zum anderen sei das Virus mittlerweile anders zu beurteilen, als noch zu Beginn der Pandemie, dementsprechend müsse man auch die Maßnahmen anpassen: „Man muss ja berücksichtigen, dass diese Maßnahmen eigentlich am Anfang der Pandemie definiert waren, wo man noch die Hoffnung hatte, dieses Virus ausrotten zu können – diese Hoffnung haben wir jetzt eigentlich verloren. Wir können es nicht ausrotten, wir können nur lernen, bestmöglich damit umzugehen.“

„Contact-Tracing an Grenzen gelangt“

Dass Slowenien das so genannte Contact-Tracing mittlerweile aufgegeben hat, kommt für Vander nicht sehr überraschend, und auch in Österreich sieht er für das System keine große Zukunft: „Wir wissen jetzt schon, dass wir bei einem Großteil der Transmissionen, sprich Übertragungen, nicht mehr kausale Zusammenhänge erstellen können. Das ist der Grund, warum ich sage: Das Virus ist in der Zwischenzeit in der Bevölkerung angekommen, wir haben keine Chance mehr, die Transmissionswege zu unterbinden. Eigentlich ist das Contact-Tracing und damit auch das Containment hier an seine Grenzen gelangt.“

Der Appell des Virologen richtet sich jedoch sehr wohl an die Eigenverantwortung des Einzelnen: „Das heißt, jeder für sich muss eigentlich definieren: Wie sicher möchte ich gehen, wie möchte ich mich schützen, was bin ich für eine Risikoperson? Und demnach muss ich mich verhalten.“

Klaus Vander
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Klaus Vander im Gespräch mit ORF-Steiermark-Reporterin Ulli Enzinger.

Gesundheitssystem „noch gut aufgestellt“

72 betroffene Personen sind in der Steiermark derzeit mit einer Covid-19-Infektion im Krankenhaus in Behandlung, 16 davon auf einer Intensivstation. Das Gesundheitssystem sieht Vander angesichts dieser Zahlen nicht gefährdet, zumal immer weniger Infizierte so schwer erkranken würden, dass sie eine Spitalsbehandlung brauchen. „Ich glaube, dass wir jetzt noch gut aufgestellt sind, aber es liegt an uns allen, einen weisen Umgang hiermit zu pflegen, und somit zu schauen, dass die Gesundheitssysteme nicht an ihre Grenzen kommen“, betont Vander.

Hohe Impfrate „Wunsch ans Christkind“

Eine Prognose, wie lange die Pandemie die Menschen noch begleiten wird, wagt Vander nicht abzugeben, auch nicht in Hinblick auf einen möglichen Impfstoff: „Keiner von uns weiß, wann der Impfstoff wirklich verfügbar sein wird; keiner von uns weiß, wie gut eben dann die Verteilungsquote sein wird in Österreich, wie gut die Akzeptanz der Mitbürger zu diesem Zeitpunkt sein wird, wie hoch die Durchimpfungsrate. Somit ist das hier vielleicht ein bisschen ein Wunsch ans Christkind, dass wir uns vorstellen, plötzlich eine extrem hohe Durchimpfungsrate zu haben. “

Vielmehr liege es laut Vander derzeit auf der Hand, dass das Virus uns auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte noch begleiten wird – als eine neue, zusätzliche virale Infektion der Atemwege.