Er begrüße Eingriffe auch im Privaten „für bestimmte Fälle, für bestimmte Zeiten“, konkretisierte Schützenhöfer seinen Vorstoß im „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe). Bei gesundheitlichen Herausforderungen wie dem Coronavirus gebe es „Einschränkungen der Freiheit“, erklärte Schützenhöfer. Er sei für Einschränkungen, „dort wo sie erklärbar sind“.
Schützenhöfer gegen Verkürzung der Quarantäne
„Ich will ja nicht in Schlafzimmer hineinschauen, aber wenn bei Privatpartys in einem Keller oder in einer Gartenhütte Exzesse gefeiert werden, muss man das auflösen können.“ Er sei dafür, „dass wir hier einen verfassungsrechtlich gangbaren Weg suchen“, bei dem man auch die anderen Parteien einbinde.
Von der Forderung seiner Parteikollegin, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die Quarantänezeit von K1-Kontaktpersonen im Tourismus von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, indem man sich „freitesten“ kann, hält Schützenhöfer, der zuletzt selbst in Isolation musste, nicht viel. Studien würden das nicht hergeben. „Für bestimmte Gruppen verkürzen, halte ich sowieso für gefährlich, weil warum tut man das genau für diese? Und es gibt für mich auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass man die Quarantänezeit für alle verkürzen sollte.“ Auch ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte sich zuletzt für eine kürzere Quarantäne ausgesprochen – mehr dazu in Kürzere Quarantäne „nur, wenn vertretbar“ (news.ORF.at).
Kritik an Vorverlegung der Sperrstunde
Auch andere Maßnahmen, die von Kurz beworben wurden, lehnt Schützenhöfer derzeit ab: „Nur weil zwei Bezirke in der Steiermark rot sind, drängt man auf Maßnahmen wie frühere Sperrstunde oder Registrierungspflicht im Gasthaus. Aber ich sehe nicht, dass dort, wo die Sperrstunde vorverlegt wurde, weniger Infektionen sind.“ Die eigentlichen Ansteckungen passierten bei den Festen der Vereine in den Gemeinden – die steirischen Regierungsmitglieder dürfen an solchen Feiern nun nicht mehr teilnehmen, sie sollten verschoben oder abgesagt werden, rät Schützenhöfer.
„Gemeinsamkeit der Regierung abhanden gekommen“
Überhaupt lässt der Landeshauptmann mit Kritik an der Bundesregierung aufhorchen: In zentralen Punkten wie der Sperrstunde oder der Maskenpflicht hielte er es für besser, wenn man bundeseinheitlich vorgehen würde. Das „Hauptproblem“ sei aber, „dass uns in den letzten Monaten einerseits die Gemeinsamkeit der Regierung abhanden gekommen ist“, befand Schützenhöfer. „Zwischen der Volkspartei und den Grünen gibt es sehr divergierende Meinungen, wie man vorgeht. Da werden ja Maßnahmen angekündigt, die dann nicht kommen, weil man sich nicht einigen konnte.“
Schulterschluss zwischen Bund und Ländern fehle
Man müsse „auch mit Bedauern feststellen, dass die Zusammenarbeit, der Gleichklang, der Schulterschluss zwischen Bund und den Ländern nicht mehr so wirklich funktioniert“. Hinsichtlich seines eigenen Bundesparteichefs betont Schützenhöfer aber: „Der Bundeskanzler bemüht sich sehr.“
Neue Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft fänden bei Schützenhöfer wenig Anklang. Die Regierungs-Ansage „Koste es, was es wolle“ am Beginn der Pandemie habe ihn „wirklich geschreckt“. Fixkosten zu ersetzen könne man sich vielleicht bis zum Frühjahr leisten, „darüber hinaus nicht“.
Rückenwind von steirischer Wirtschaft
Die steirische Wirtschaft stärkt Schützenhöfer mit seinem Anliegen den Rücken: „Während in der Gastronomie und bei gewerblichen Veranstaltungen die coronabedingten Reglementierungen wieder massiv verschärft wurden, blieben private Feiern bis dato davon ausgenommen. Hier brauche es mehr Kontrollmöglichkeiten“, hieß es in einer Aussendung.
Tourismus-Spartenobmann Johann Spreitzhofer und Wirtschaftskammerdirektor Karl-Heinz Dernoscheg meinten: „Natürlich gibt es ein Recht auf Privatsphäre, daran will niemand rütteln. Wenn aber dieses Recht für Partys und Exzesse missbraucht wird, wo nachweislich viele Coronainfektionen passieren, dann muss es die Möglichkeit geben, diese einzuschränken.“
Anschober gegen Kontrollen im Privatbereich
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilt der Forderung des steirischen Landeshauptmannes nach Kontrollen im Privatbereich eine Absage. Das Covid-Maßnahmengesetz schließe Kontrollen im privaten Wohnbereich aus, und das sei auch „grundsätzlich richtig“, meinte Anschober am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“. Er glaube, dass „die allermeisten Menschen imstande sind, klaren Empfehlungen Folge zu leisten“. Anschober appellierte stattdessen einmal mehr an die Verantwortung des Einzelnen, jeder müsse Teil der Lösung sein.
SPÖ-Bundeschefin Pamela Rendi-Wagner hält zu Schützenhöfers Vorstoß fest, dass die SPÖ diesbezüglich immer eine klare Position gehabt habe: „Schnüffeln in privaten Wohnräumen ist für uns ausgeschlossen.“
FPÖ Steiermark zeigt sich „empört“
Die steirischen Freiheitlichen sind „empört" über die Aussagen von Schützenhöfer und lehnen den Vorschlag kategorisch ab. Stattdessen fordern sie den Landeshauptmann zu einer Klarstellung auf. „Eine solche Regelung würde bedeuten, dass die ‚Corona-Polizei‘ in die tiefste Privatsphäre eines jeden Steirers und Österreichers vordringen könnte“, so der steirische FPÖ-Landesparteiobmann und Klubobmann Mario Kunasek in einer Aussendung. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl geht sogar noch weiter und meinte, Schützenhöfer lebe „seine austrofaschistischen Überwachungsfantasien aus.“
„Klares Nein“ seitens der NEOS
Ein „Klares Nein“ zu Kontrollen des privaten Raums kommt auch von NEOS-Klubobmann Niko Swatek. Er unterstellt der ÖVP diesbezüglich „Allmachtsfantasien“ und hält in einer Aussendung fest: „Es darf keine verfassungskonforme Möglichkeit geben, in den privaten Raum einzugreifen. Das sollte auch der Landeshauptmann wissen. Durch täglich neue Ideen eines Lockdowns oder anderen Verschärfungen schafft die ÖVP vor allem eines: Maximale Verunsicherung in der Bevölkerung.“ Swatek fordert Schützenhöfer daher dazu auf, seine Aussagen zurückzunehmen.
Verfassungsexperte: Eingriff „nicht ausgeschlossen“
Auf Basis der derzeit geltenden Rechtslage kann aber ohnedies jeder so viele Personen zu Hause empfangen, wie er möchte. Eine Änderung der Rechtslage sei aber grundsätzlich möglich, sagt Klaus Poier, Verfassungsjurist an der Uni Graz: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind Eingriffe ins private Wohnumfeld der Menschen natürlich an sehr sehr hohe Anforderungen geknüpft. Allerdings in Zeiten einer Pandemie ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht ausgeschlossen, dass man solche Regelungen trifft.“
Der private Bereich sei zwar der letzte, in den laut Poier eingegriffen werden dürfe. Wenn die Ausbreitung des Virus aber im privaten Bereich viel schneller passiere als in anderen Bereichen, „dann könnte man sogar sagen, dass es nicht nur zulässig wäre, sondern aus grundrechtlicher Sicht wohl auch erforderlich, dass man derartige Regelungen trifft.“ Die Maßnahme müsste laut Poier aber so gestaltet werden, dass der geringstmögliche Eingriff verursacht wird. Ein solcher Eingriff wäre laut dem Verfassungsjuristen mit einer einfachen Mehrheit im Parlament möglich – eine solche Mehrheit dürfte angesichts der heftigen Kritik von vielen Seiten aber wohl schwer zu finden.
384 Neuinfektionen und sechs Todesfälle
Die Zahl der Neuinfektionen steigt indessen weiter an. In den vergangenen 24 Stunden wurden 384 Personen in der Steiermark positiv auf das Coronavirus getestet. Derzeit gibt es damit 2.695 aktiv Erkrankte – das sind um 35 mehr, als am Montag. Am stärksten betroffen – bezogen auf die vergangenen 7 Tage und die Einwohnerzahl sind die Bezirke Liezen und Leoben; die wenigsten Fälle gibt es im Bezirk Murau. 177 Menschen befinden sich auf Grund einer Corona-Infektion in der Steiermark im Spital, 25 davon werden auf Intensivstationen behandelt.
Sechs weitere Personen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, sind gestorben. Jeweils zwei Todesfälle gab es in den Bezirken Bruck-Mürzzuschlag und im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, jeweils einen Todesfall meldeten die Bezirke Voitsberg und Murtal. Mit Stand Dienstag gab es in der Steiermark damit bisher insgesamt 204 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus.