Polizisten und Absperrband
APA/Hans Punz
APA/Hans Punz
Politik

Experte: Auch Graz als Terrorziel denkbar

Der Terroranschlag in Wien hat in ganz Österreich und darüber hinaus für Entsetzen gesorgt. Für den steirischen Geheimdienstexperten Siegfried Beer kam er aber nicht überraschend, und er schließt auch Graz als künftiges Terrorziel nicht aus.

Nach dem Terroranschlag in Wien ergab die Analyse zahlreicher Handyvideos vom Tatort bisher keinen Hinweis auf weitere Attentäter – das teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Dienstagnachmittag in einer Pressekonferenz mit. Man könne aber „noch nicht genau sagen, wie viele Täter verantwortlich sind“, weswegen die hohe Sicherheitsstufe aufrecht bleibe. Nehammer sagte zudem, dass es im Umfeld des 20-jährigen erschossenen Attentäters 18 Razzien und 14 vorläufige Festnahmen gegeben habe – mehr dazu in Nehammer: Derzeit kein Hinweis auf zweiten Täter und in Mythen, Helden und falsche Gerüchte (beide news.ORF.at).

„Seit Jahren keine Insel der Seligen“

Der Historiker und Geheimdienstexperte Siegfried Beer spricht wie viele andere von einem heimtückischen islamistischen Terroranschlag. Anschläge dieser Art könne man zwar nicht vorausahnen, aber es hätte gute Gründe gegeben, sich vorzubereiten, so Beer, „weil ich seit Jahren davor warne, dass wir hier sozusagen keine Insel der Seligen sind“.

„Nicht gut vorbereitet“

Beer geht davon aus, dass der Attentäter seinen Terroranschlag von langer Hand geplant habe, und er wirft in diesem Zusammenhang dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Versäumnisse vor: Man sei nicht gut genug auf einen Terroranschlag vorbereitet gewesen, außerdem hätte man mögliche Attentäter zu wenig beachtet.

Für Beer sei das BVT offensichtlich überfordert: „Offensichtlich ist die Kapazität dieser Einrichtung nicht groß und gut genug, um solche Dinge im Griff zu haben. Das ist eine unterdotierte Einrichtung, die weder vom Personal noch von der Budgetierung her, glaube ich, genügend ausgestattet ist.“ Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte noch am Dienstag an, dass eine „Evaluierung und Optimierung des Systems“ notwendig sei.

Innenminister Karl Nehammer zur aktuellen Lage

Aktuelle Informationen auf dem Inneministerium: Innenminister Karl Nehammer gibt im Rahmen einer Pressekonferenz einen aktuellen Überblick zur Situation nach dem Terroranschlag in Wien.

„Die Gefährdung ist da“

Beer ruft nun auch im speziellen die steirischen Sicherheitskräfte zu besonderer Wachsamkeit auf, denn auch in Graz seien Terroranschläge nicht auszuschließen: „Man soll nicht glauben, dass nicht auch Graz ein möglicher Ort für so ein Geschehen ist. Es gibt mehrere Gründe, warum man hier auch islamistische Tätigkeiten ausführen kann – das heißt also wirklich, wachsam zu sein. Das betrifft den LVD (Landesverfassungsdienst, Anm.), das betrifft aber auch die Sicherheitskräfte insgesamt, die Sonderorganisationen, die es auch bei uns gibt. Also, die Gefährdung ist meiner Ansicht nach da.“

Lage in der Steiermark „evaluiert“

Um die Gefährdungslage für die Steiermark einzuordnen und im Bedarfsfall weitere Maßnahmen treffen zu können, luden Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und sein Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) noch am Dienstag zu einem Sicherheitsgipfel. Demnach gebe es derzeit keine konkreten Hinweise auf eine Gefährdung, allerdings bestehe eine erhöhte Alarmbereitschaft – mehr dazu in Terror-Sicherheitsgipfel in Grazer Burg.

Spaltung der Gesellschaft „nicht zulassen“

Auch die Islamische Religionsgemeinde Steiermark ist zutiefst erschüttert und fassungslos ob der unfassbaren Gräueltaten, die sich in Wien abgespielt haben. Diese brutale Tat sei ein Angriff auf unsere Gesellschaft als Ganzes gewesen sowie gegen unser Land, unsere Freiheit, unsere Demokratie und unsere liberale Rechtsordnung. Die Ideologie, die den Täter geleitet habe, stehe dem moralischen und religiösen Verständnis des Islam entgegen, sagt Ibrahim Cikric vom Islamischen Kulturzentrum in Graz: „Die Terroristen wollen eine Spaltung unserer Gesellschaft bezwecken, das dürfen wir nicht zulassen.“

Eduard Hamedl: „Darüber reden“

Der Obmann des Vereins „Männernotruf Steiermark“, der ehemalige Polizist und ÖVP-Landtagsabgeordnete Eduard Hamedl ruft daher zur Solidarität und zum Dialog auf: „Ich glaube, wir haben alle eine Wut, eine Verzweiflung und eine Angst in uns, da ist es ganz wichtig, dass man die Angst sozusagen hinausschreit, dass man darüber redet, dass man sich nicht vom Hass treiben lässt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das Miteinander vor dem Trennenden steht, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, und dass wir den Alltag weiterleben, dass wir uns nicht von dieser Angst einschüchtern lassen.“

Man solle, so Hamedl, „miteinander reden, keine Hassgefühle aufkommen lassen, den Alltag stärken, die Solidarität mit den Opfern zeigen, das brauchen sie, damit sie wissen, ja, wir stehen hinter euch, und wir lassen uns von dem Terror nicht unsere Freiheit und unsere Solidarität nehmen.“