Die Angeklagten im Grazer Dschihadistenprozess
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Politik

Rückfall nach Deradikalisierung die Ausnahme

Während der Terror-Attentäter von Wien trotz Deradikalisierung wieder rückfällig geworden ist, seien derartige Fälle in der Steiermark die Ausnahme – das versichert der Verein Neustart, der aktuell fünf Islamisten betreut.

Zwei Tage nach dem Terroranschlag in Wien ist eine heftige Debatte über die vorzeitige Entlassung des 20 Jahre alten Täters aus dem Gefängnis entbrannt: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach davon, dass der Attentäter das Deradikalisierungsprogramm der Justiz getäuscht habe und trotz einschlägiger Verurteilung Ende 2019 vorzeitig entlassen wurde – mehr dazu auch in Deradikalisierungsprogramm im Fokus (wien.ORF.at).

Bisher kein Rückfall in der Steiermark

In der Steiermark wurden seit dem Jahr 2006 insgesamt 18 verurteilte radikale Islamisten vom Bewährungshilfeverein Neustart betreut – und kein einziger sei bisher erneut straffällig geworden, heißt es. Eine Täuschung sei generell zwar immer möglich, sagt Andreas Zembaty, langjähriger Betreuer und bei Neustart für die Pressearbeit zuständig, jedoch auch von den insgesamt 120 Personen, die Neustart österreichweit seit 2006 betreut, seien nur zwei abermals straffällig geworden: ein Jugendlicher, der 2014 den Wiener Westbahnhof sprengen wollte und der Attentäter von Wien.

Aktuell fünf radikale Islamisten im Programm

Aktuell betreut der Verein Neustart in der Steiermark fünf verurteilte Islamisten, und hier zeige sich, dass Radikalisierung dann schnell passiert, wenn die Betroffenen im Diesseits keine Perspektive haben und leicht auf das Jenseits vertröstbar sind, erklärt Zembaty: „Das ist ein Befund, der sich über all diese Klienten zieht. Das heißt, die einzige Chance, die wir haben, zu deradikalisieren, ist diesen Menschen im Hier und Jetzt unserer Gesellschaft eine realistische Perspektive zu geben. Dann haben wir eine Chance gegen alle, die auf ein Paradies vertrösten oder sonstige Versprechungen machen.“

Über Hilfe „in eine Beziehung einsteigen“

Konkret würden die Bewährungshelfer daher versuchen, eine tragfähige Beziehung aufzubauen – durch konkrete Hilfestellungen in der Wohnungsbeschaffung oder durch die Integration in einen neuen Freundeskreis: „Wenn dieser handfeste Beweis unserer Kompetenz bei den Klienten ankommt, dann sind sie bereit in eine Beziehung einzusteigen. Erst dann sind sie bereit, über ihre festgefahrenen Ideologien zu sprechen und diese zu relativieren.“

Vorzeitige Entlassung grundsätzlich „richtiger Weg“

Die vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis sei grundsätzlich daher der richtige Weg, sagt Zembaty, denn nach Ende der regulären Haft gebe es keine Möglichkeit einer weiteren Begleitung: „Bei der vorzeitigen Entlassung ist es möglich, durch Hilfe oder Kontrolle mehrspurig zu arbeiten und damit Effizienz zu optimieren. Wenn wir Menschen am letzten Tag der Haft ohne Netz entlassen, ist Perspektivenlosigkeit gegeben, und dann sind sie auch gefährlich.“

Nach dem jüngsten Anschlag müsse man aber sehr wohl das Deradikalisierungsprogramm weiter optimieren und noch enger mit Polizei und Strafvollzug zusammenarbeiten, sagt Andreas Zembaty vom Verein Neustart.