Praxis für Psychotherapie
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Coronavirus

Krise verursacht Run auf Psychotherapeuten

In der CoV-Krise ist der Bedarf an Psychotherapie enorm gestiegen. Vor allem auch Jugendliche brauchten jetzt Unterstützung, heißt es von den steirischen Psychotherapeuten. Die Telefonseelsorge will ihre Dienste verstärken.

Die CoV-Pandemie setzt wohl allen zu – auch Menschen, die grundsätzlich psychisch stabil sind. Wenn zusätzlich zu diffusen Ängsten rund um die Pandemie noch akute Probleme wie Arbeitslosigkeit und erkrankte Angehörige dazukommen, zieht es vielen offenbar den Boden unter den Füßen weg. Das spüren auch die Psychotherapeuten in der Steiermark, die derzeit extrem viele Anfragen verzeichnen – so viele, dass es bei manchen sogar Wartelisten gibt.

Schon beim ersten Lockdown hätten sich innerhalb weniger Tage die Anfragen von Menschen, die eine Therapie machen wollen, verdoppelt, sagt der Grazer Psychotherapeut Lukas Wagner, der auch Vorstandsmitglied im Landesverband für Psychotherapie ist. Mit dem zweiten Lockdown hätten sich die Anfragen noch einmal verdoppelt, er habe nun schon eine Warteliste für neue Klienten.

CoV als „negativer Stimmungsverstärker“

„Ich merke bei mir in der Arbeit wahnsinnig viel Unsicherheit, wie wird es bei mir weitergehen, wird es meinen Job noch geben, meine Arbeitsstelle noch geben, meinen Beruf in der Form noch geben. Mein Gefühl war da jetzt ganz oft in der Psychotherapie, dass Corona ein negativer Stimmungsverstärker ist und die Leute noch stärker das Negative erleben, das vorher schon da war“, so Wagner. Vor allem Familienkonflikte seien ein großes Thema, sagt Wagner – Stichwort Distance-Learning, wenige Ausweichmöglichkeiten und Jugendliche, die stundenlang Computer spielen.

Schock noch nicht verarbeitet

Auch die Psychotherapeutin Monika Wicher betont, dass der Bedarf an Therapien derzeit im Vergleich zum Vorjahr um 25 bis 30 Prozent höher sei, auch im Vergleich zum ersten Lockdown sei er gestiegen. Vor allem bei jenen Klienten, die aus unterschiedlichen Gründen während des ersten Lockdowns nicht weiter betreut werden und diesen Schock nicht verarbeiten konnten, hätten sich bestehende Probleme verstärkt. „Von der Stimmung her ist auf alle Fälle jetzt mehr Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit zu erkennen, das heißt, es ist jetzt sehr wichtig, die Menschen dabei zu unterstützen, es auszuhalten, dass es sich nach einem Kontrollverlust anfühlt“, sagt Wicher.

Für Jugendliche, für die der Kontakt zu Gleichaltrigen extrem wichtig sei, sei die Situation besonders schwierig: Um über Soziale Netzwerke Kontakt zu halten, müssten so viele Jugendliche wie möglich Unterstützung bekommen, um sich Laptop oder Handy leisten zu können, so Wicher weiter.

Telefonseelsorge stockt auf

Auch bei der Telefonseelsorge, die rund um die Uhr unter der Nummer 142 (ohne Vorwahl) erreichbar ist, registriert man einen deutlich größeren Redebedarf, sagt Leiterin Daniela Bauer. „Es sind die akute Situation, Krankheit, Pflegefall, wie komme ich ins Spital, aber auch das, was Menschen schon längere Zeit belastet und begleitet.“ Auch Bauer sagt, die CoV-Krise – und nun auch der Terroranschlag in Wien – würden als negativer Verstärker wirken. Um noch mehr Menschen Sicherheit und Halt geben zu können, wolle man die Dienste verstärken.

Hilfe bei Suizidgedanken

In der CoV-Krise nehmen aber nicht nur psychische Probleme zu, sondern auch Depressionen ebenso wie Suizide und Suizidversuche. Experten verweisen hier auf das umfassende Hilfs- und Beratungsangebot in der Steiermark – mehr dazu in Mehr Suizide befürchtet (23.10.2020)

Vier von fünf Österreichern haben laut Statistik schon einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen. Mehr als doppelt so viele Menschen wie bei Verkehrsunfällen sterben jedes Jahr durch Selbstmord – und die Steiermark liegt bundesweit an der Spitze. Für Menschen in seelischen Ausnahmezuständen gibt es Anlaufstellen, die Hilfe rasch und unkompliziert anbieten.

  • Telefonseelsorge: Tel. 142 (ohne Vorwahl)
  • Rat auf Draht: Tel. 147 (ohne Vorwahl)
  • Schuldnerberatung: (0 316) 37 25 07