Schülerin vor Tafel
APA/HELMUT FOHRINGER
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Coronavirus

Grazerin startete Petition für offene Schulen

Gerüchte um weitere Schulschließungen wegen des Coronavirus ebben nicht ab. Eine Grazerin startete nun eine bundesweite Petition, dass die Schulen offen bleiben sollen. Auch die steirische Wirtschaft warnt vor den Folgen möglicher Schulschließungen.

Am Donnerstag werden mit der nächsten Ampelschaltung auch erstmals relativ aussagekräftige Zahlen vorliegen, ob die Lockdown-Maßnahmen zu greifen beginnen. Sollte sich keine Entschleunigung des Pandemiegeschehens abzeichnen, drohen weitere Maßnahmen, darunter auch die komplette Schließung der Schulen. Die Front gegen einen Bildungslockdown wird aber immer breiter. Auch die Kinderärzte warnen nun eindringlich vor den psychischen und physischen Folgen – mehr dazu in Ärzte warnen vor Folgen für Kinder, in Fernunterricht bremste Virus bisher nicht, Schulgebäude im Stresstest und in CoV als Dauerbelastung für die Psyche (alle news.ORF.at).

Enorme Folgeschäden befürchtet

Eine Grazerin hat deshalb eine Petition gestartet, dass die Schulen offen bleiben sollen. Kinder und Jugendliche seien von den Maßnahmen überproportional betroffen, die Folgeschäden enorm, so der Tenor der „Petition für einen regulären Ablauf des Schul-, Hochschul-, Kindergarten- und Kinderkrippenbesuchs“. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der CoV-Pandemie betreffen Kinder und Jugendliche überproportional und unverhältnismäßig, heißt es in der Begründung der Petition, die online beziehungsweise ausgedruckt mit einer Unterschrift unterstützt werden kann.

„Kinder benötigen ein konstantes, reguläres Umfeld“

Die Grazerin Petra Schmied, selbst Mutter von schulpflichtigen Kindern, hat sie initiiert, weil Schulschließungen das Problem ihrer Ansicht nach nicht lösen: „Die Schäden, die die Lockdown-Maßnahmen bei Kindern verursachen, wurden bisher fast komplett ignoriert. Kinder benötigen ein konstantes, reguläres Umfeld, um sich entfalten zu können und später als gesunde Erwachsene zum Erhalt der Gesellschaft beizutragen.“

Für jüngere Kinder sei Distance Learning gänzlich unbrauchbar, und auch für Jugendliche stelle es keinen vollwertigen Ersatz für den Präsenzunterricht da: „Gerade Kinder und Jugendliche benötigen gewohnte Strukturen, um sich gesund entwickeln zu können – soziale Kontakte mit Gleichaltrigen, gemeinsames Lernen –, und diese können gerade für jüngere Kinder nicht über Social Media ausgetragen werden“, so Petra Schmied.

Keine Pandemie-Treiber

Schul- und Kindergartenschließungen würden die Lage auf den Intensivstationen nicht verbessern, so die Initiatorin weiter, denn Kinder und Jugendliche seien fast immer asymptomatisch und würden laut Fachleuten bei der Verbreitung eine untergeordnete Rolle spielen.

Dass Kinder nicht die Treiber der Pandemie sind, habe sich auch mit den zehntägigen Herbstferien gezeigt, sagt Schmied: „Hätten die Schulen so einen gewaltigen Einfluss auf eine Senkung der Infiziertenzahlen, hätte es, da die mittlere Inkubationszeit beim neuen Coronavirus fünf bis sechs Tage beträgt, dann hätte es Ende letzter Woche zu einer bedeutenden Senkung der Infiziertenzahlen kommen müssen.“ Stattdessen seien die Zahlen aber weiterhin gewaltig gestiegen.

Auch SOS-Kinderdorf und Wirtschaft warnen

Auch das SOS-Kinderdorf warnt vor den massiven Folgen von weiteren Schulschließungen: Geschäftsleiterin Heidi Fuchs sagt, Kinder nehmen enormen Schaden, wenn ihnen das Lernen mit Gleichaltrigen genommen wird. Wer Schulen schließt, riskiere die Zukunft der Kinder.

Ähnliches ist seitens der steirischen Wirtschaft zu hören: Gabriele Lechner, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Steiermark und Landesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft, warnt davor, die Krise auf dem Rücken der Kinder auszutragen. Ein solcher Schritt würde außerdem die Frauen einmal mehr massiv treffen: „Wir haben im Juni zu den Folgen des ersten Lockdowns eine Umfrage unter 1.286 steirischen Unternehmerinnen durchgeführt, die das klar belegt. Demnach gaben 84 Prozent an, von der CoV-Krise persönlich negativ betroffen zu sein." Begründet wurde das vorwiegend mit der Mehrbelastung durch die Kinderbetreuung zu Hause.

AGES-Daten bestätigen geringe Fallzahl an Schulen

Unterstützt werden die Gegner der Schulschließungen auch von der Statistik: Seit Schulbeginn ist der Anstieg der Infektionszahlen bei den Unter-14-Jährigen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen in der Bevölkerung am geringsten ausfallen. Das zeigen die Daten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Dementsprechend sei auch der prozentuelle Anteil der Infektionszahlen schulpflichtiger Kinder an der Gesamtinfektionszahl zurückgegangen, so Volker Strenger von der Grazer Uni-Klinik für Kinder und Jugendheilkunde zur APA.

In den letzten beiden Wochen war bei den Unter-14-Jährigen sogar praktisch eine Stagnation der Infektionszahlen zu verzeichnen, während es in den anderen Altersgruppen noch zu Zuwächsen kam. Im Zusammenhang mit möglichen weiteren Schulschließungen meinte Strenger: „Die am wenigsten betroffene Population ist die der Unter-14-Jährigen. Da ist die Frage dann schon: Wie sinnvoll ist es, genau dort anzusetzen, wenn dort die allerwenigsten Fälle stattfinden?“

Effekt des Distance Learnings nicht ablesbar

An den Daten noch nicht genau ablesbar sei der Effekt des Distance Learnings in den Oberstufen. „Diese Daten sind zu frisch – ob Distance Learning jetzt gar nichts gebracht hat oder sogar das Gegenteil, muss man genauer analysieren“, meinte Strenger. „Die Altersgruppe, die nicht im Distance Learning war, sondern in der Schule, hatte jedenfalls einen geringeren bzw. gar keinen Anstieg. Einen positiven Effekt des Distance Learning kann man jedenfalls nicht sehen.“