Angehörige mit bettlägriger Mutter beim ersten Besuch nach einem Monat Trennung
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Steiermark impft

Impfung im Pflegeheim: Reportage aus Aussee

Das Ausseerland hat in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen gesorgt, weil dort die ersten Fälle der britischen CoV-Mutation in Österreich bestätigt wurden. Derzeit wird im Ausseer Pflegeheim geimpft. Viele, aber nicht alle, wollen sich impfen lassen.

Die Nachricht vom bestätigten Mutationsfall war ein schlechte Nachricht, insbesondere auch für die betagten Menschen im Pflegeheim in Bad Aussee – mehr dazu in Mutation: Dutzende Verdachtsfälle bestätigt. Gerade erst war dieses Pflegeheim ein Coronavirus-Cluster. Sechs Bewohner beziehunsgweise Bewohnerinnen sind gestorben – allerdings mit und nicht an Covid, sagt die Heimleitung.

Bewohner und Bewohnerinnen: Sicher ist sicher

Jetzt wird im Ausseer Pflegeheim geimpft. Wenn die Hausärzte ins Volkshilfe-Pflegeheim Bad Aussee kommen, ist die 79-jährige Eva Peer bereit für die Impfung. „Ich hab Corona hinter mir – und das war schon grausig. Ich hoffe, ich lebe noch zwei, drei Jahre, und deshalb lass ich mich impfen. Man weiß ja nicht wie lange Immunität anhält“, so Peer. So sieht es auch Manfred Seitner, er ist 78 Jahre alt: „Sie haben gesagt: Wenn Du es gehabt hast, dann kriegst es nicht mehr. Also von der Sache bin ich nicht so überzeugt, deswegen lasse ich mich impfen.“

Heimbewohnerin Eva Peer (79) hatte schon im Spätsommer Corona, lässt sich impfen und hat Mitbewohnerinnen zum Impfen überredet.
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Heimbewohnerin Eva Peer (79) hatte schon im Spätsommer Corona, lässt sich impfen und hat Mitbewohnerinnen zum Impfen überredet.
Manfred Seitner (78) war über Weihnachten corona-positiv und in Quarantäne, er lässt sich impfen.
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Manfred Seitner (78) war über Weihnachten corona-positiv und in Quarantäne, er lässt sich impfen.

Ein Viertel will sich nicht impfen lassen

63 Bewohnerinnen und Bewohner werden derzeit im Heim versorgt – mit Pflege, Zuwendung und Essen. Ein Viertel sieht das mit der Impfung anders. „Nein, ich lasse mich nicht impfen, weil der Professor hat gesagt im Fernsehen: Impfen ließe ich mich nie“, meinte die 91-Jährige Hermine Werndle. Und sie kann sich erinnern, in welchem TV-Sender das sogar zwei Professoren gesagt hätten: „Ja freilich, im Servus!“

Heimbewohnerin Hermine Werndle (91) hatte nur leichte Corona-Symptome und fürchtet Nebenwirkungen einer Impfung
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Heimbewohnerin Hermine Werndle (91) hatte nur leichte Corona-Symptome und fürchtet Nebenwirkungen einer Impfung.

Doch dazu kommt: Der 91-Jährigen fehlt es anscheinend an Lebenswillen – ihr Mann und die einzige Tochter sind vor Jahren gestorben – dazu kommen ständige Schmerzen. Als auch sie vor Weihnachten CoV-positiv war, hätte sie gehofft, zu sterben, sagte sie: „Meine Wirbelsäule ist total am Sand. Drum habe ich auch so Schmerzen vom Scheitel bis zur Sohle. Könnt man nicht einmal sterben,damit das endlich ein Ende hat“.

Tochter geht es um die Besuche

Von fehlendem Lebenswillen erzählt auch eine Angehörige. Nach einem Monat Trennung darf sie erstmals wieder ihre 88-jährige Mutter besuchen. Die kann nicht mehr sprechen, ist seit 13 Jahren bettlägrig. Die Tochter lässt die Mutter aber gegen Corona impfen: „Sie sagt eh schon lange, sie will sterben. Aber so nicht, weil man darf dann nicht zu ihr. Um das geht es ja. Wenn jetzt die Leute im Sterben liegen, und Du darfst nicht zu ihr. Das ist das Schiache.“ Mit Maske, Handschuhen und Schutzanzug sind die Besucher oft kaum zu erkennen.

Volkshilfe Pflegeheim Bad Aussee
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Der Vergleich mit dem Vogelkäfig

Im Foyer des Volkshilfe-Heims steht ein Käfig mit Kanarienvögeln. Manfred Seitner zog einen Vergleich zur Quarantäne: „Wie ein Vogel im Käfig, der hinaus will, aber nicht kann, so haben wir das erlebt.“ Die Pflegedienstchefin im Haus, Astrid Budemayr, sagte: „Wir haben hier die Erkrankung nicht als so dramatisch erlebt – vielmehr die Umstände drumherum.“

38 Heimbewohnerinnen und Bewohner waren CoV-positiv und in Quarantäne in den vergangenen Wochen. Sechs sind im Haus gestorben – aber nicht an sondern mit Corona, zeigte sich Heimleiterin Gabriele Grill überzeugt: „Also es war sicher kein Todesfall an Corona.“ Und Pflegeleiterin Budemayr erklärte: „Die Meisten waren in einer palliativen Betreuung vorher schon – und so geschwächt. Dann ist halt dieser Virus vielleicht der ausschlaggebende Punkt aber nicht die Ursache.“

Heimleiterin Gabi Grill, Pflegedienstleiterin Astrid Budemayr und Sozialbetreuerin Bea Leichtfried (von links)
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Heimleiterin Gabi Grill, Pflegedienstleiterin Astrid Budemayr und Sozialbetreuerin Bea Leichtfried (von links)

Mehrheit der Mitarbeiter will sich nicht impfen lassen

Dass selbst manche betagte Heimbewohnerinnen nur milde Symptome hatten, könnte ein Grund dafür sein, warum sich die Mehrheit des Personals, 73 Prozent, nicht impfen lässt. Mitarbeiterin Tanja Brunner sagte: „Es kann keine Langzeitstudien geben noch dafür. Die werden jetzt dann erst gemacht. Aber momentan will ich mich dafür nicht zur Verfügung stellen.“ Ihre Kollegin Bea Leichtfried: „Es ist immer wieder von einer Impfpflicht geredet worden, und das natürlich hat meine Bereitschaft, mich impfen zu lassen, ins Negative beeinflusst“.

Betroffene leisten Überzeugungsarbeit

Wie ist dann die hohe Impfbereitschaft unter den Bewohnern zu erklären? „Ich hab ihnen erklärt, wie schlimm Corona sein kann. Ich hab 40 Grad Fieber gehabt. Das muss man ihnen erklären“, sagte die 79-jährige Eva Peer. Offenbar also haben es einige CoV-Überlebende anderen Heimbewohnerinnen erfolgreich davon überzeugt, dass Impfen sinnvoll wäre.

Aufregung um unrechtmäßige Impfungen

Aufregung über die CoV-Impfung gibt es derzeit in Feldkirch. Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP) ließ sich am Wochenende in einem Seniorenheim gegen das Virus impfen, obwohl der 65-Jährige nicht an der Reihe gewesen wäre – mehr dazu in Wirbel um Bürgermeister-Impfung in Feldkirch. Auch in Kärnten soll es zu Unregelmäßigkeiten bei den Impfungen in Pflegeheimen gekommen sein – mehr dazu in Anzeige wegen Bevorzugung beim Impfen. Angesichts gehäufter Meldungen über Unregelmäßigkeiten bei Impfungen gegen das Coronavirus nimmt das Ministerium nun die Bundesländer in die Pflicht – mehr dazu in Ministerium nimmt Länder in die Pflicht.