Lager Liebenau Baustelle
Stadt Graz
Stadt Graz
Wissenschaft

Knochenfund bei Grabungen in Graz-Liebenau

Im Umfeld des einstigen NS-Zwangsarbeiterlagers im Grazer Bezirk Liebenau sind bei Sondierungsgrabungen für einen Gemeindebau menschliche Knochen gefunden worden. Ihre genaue Herkunft ist noch unklar.

Zwischen 1943 und Kriegsende waren bis zu 5.000 Zwangsarbeiter gleichzeitig in den Baracken eines Lagerkomplexes südlich des Grazer Stadtzentrums untergebracht. Etliche dürften dort auch ihren Tod gefunden haben. Lange Zeit war in Vergessenheit geraten, dass der Komplex auch eine Station der ungarischen Juden auf den Todesmärschen vom „Südostwallbau“ im Grenzraum zu Ungarn war – mindestens 35 von ihnen wurden dort erschossen. Bis vor wenigen Jahren kannten selbst viele Anrainer diese Geschichte nicht, erst vor drei Jahren wurden die Baracken-Fundamente des Lagers freigelegt.

Knochen bei Sondierungsgrabungen gefunden

Im Umfeld des Lagers, am sogenannten Grünanger, will die Stadt Graz nun Sozialwohnungen errichten, was für massive Kritik sorgt – mehr dazu in Kritik an Wohnbauprojekt auf NS-Lager-Areal (17.12.2020).

Baustelle auf dem Areal des Lagers Liebenau
ORF

Die Gedenkinitiative Graz-Liebenau forderte zumindest zusätzliche archäologische Grabungen, um nach möglichen weiteren Opfern zu suchen. Tatsächlich sind Spezialisten einer Archäologie-Firma im Zuge solcher Sondierungsgrabungen fündig geworden. In einem verfüllten Bombentrichter wurden neben tierischen Schlachtabfällen auch menschliche Knochenteile ausgegraben.

„Ziemlich sicher keine reguläre Bestattung“

Bei den gefundenen Knochen dürfte es sich um einen Arm- und einen Fußknochen handeln. Die aktuellen Funde wurden gesichert und begutachtet, hieß es am Dienstag aus dem Büro des Grazer Bürgermeister-Stellvertreters und Wohnbaustadtrats Mario Eustacchio (FPÖ). Jetzt wolle man auf die weiteren Erkenntnisse der Archäologen warten.

Gedenktafel
ORF
Eine Gedenktafel erinnert heute an die Gräueltaten auf dem ehemaligen Lagergelände.

Auch das Bundesdenkmalamt sei umgehend über den Fund informiert worden und man habe auch das für die Kriegsgräberfürsorge zuständige Innenministerium verständigt. Für eine weiterführende Interpretation über die Herkunft der menschlichen Überreste sei es aktuell noch zu früh, heißt es, es sei aber „ziemlich sicher keine reguläre Bestattung“, so Bernhard Dohr, Sprecher des Grazer Wohnbaustadtrats. Vonseiten des Bundesdenkmalamts wurde die Fortführung der archäologischen Grabungen wieder freigegeben.

Nicht die ersten archäologischen Funde

Es sind nicht die ersten archäologischen Funde auf dem ehemaligen Lagergelände in Graz-Liebenau. Bereits nach Ende des Krieges wurden bei Exhumierungen 53 Leichen geborgen. Wie viele Menschen im Lager insgesamt starben und möglicherweise noch dort begraben liegen, beziehungsweise bei den Bombardierungen ums Leben kamen, ist nach wie vor unklar.

Mittlerweile befindet sich dort unter anderem eine Wohnsiedlung, eine Sportfläche und ein Kindergarten. Beim Bau des Kindergartens wurden 1992 zwei Skelette gefunden. Im Frühjahr sind im Zuge des Baus des Murkraftwerks Barackenfundamente und eine Treppe freigelegt worden. Seit dem Vorjahr macht auch eine einer Gedenktafel Gräueltaten des NS-Regimes im Lager Liebenau sichtbar – mehr dazu in Gedenktafel für Lager Liebenau enthüllt (11.9.2020).