Die Diskussionsrunde
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Coronavirus

Experten diskutierten ein Jahr CoV-Pandemie

Vor einem Jahr ist in der Steiermark der erste CoV-Fall aufgetreten – seitdem gab mehr als 56.000 bestätigte Fälle. Die Entwicklungen der Vergangenheit und der Zukunft standen Dienstagabend im Mittelpunkt einer Diskussion im ORF Steiermark.

Eine Stunde lang diskutierten Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), der Leiter des Institutes für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie am LKH Graz, Klaus Vander, sowie der Allgemeinmediziner Alexander Moussa aus Hartberg unter der Leitung von ORF Steiermark-Chefredakteur Wolfgang Schaller darüber, wie die Steiermark dieses erste CoV-Jahr meisterte und wie es mit der umstrittenen Impfstrategie des Landes aussieht. Im Bundesländervergleich liegt die Steiermark bei der Impfquote derzeit auf Platz sieben.

Mehr als 56.000 CoV-Infizierte und die meisten Toten

Seit Ausbruch der CoV-Pandemie gab es in der Steiermark mehr als 56.000 bestätigte Fälle, das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl des Bezirkes Leoben. Am 16. März 2020 wurde auch der erste Todesfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus in der Steiermark gemeldet: Es handelte sich um eine Frau Jahrgang 1944 aus der Oststeiermark – die Frau starb in einem Pflegeheim im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. Seitdem verzeichnet die Steiermark mit mehr als 1.750 CoV-Toten auch die höchste Zahl an Todesopfern im Bundesländervergleich. Vor allem in den steirischen Alten- und Pflegeheimen wütete das Virus in den ersten Monaten.

Ärztliche Versorgung in Heimen „nicht gut genug“

Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß blickte mit gemischten Gefühlen auf dieses erste Pandemie-Jahr zurück: Sie sprach von „großen Herausforderungen“, „unerfreulichen Zahlen“ und einer „Achterbahn“. Die hohe Zahl an Todesopfern in der Steiermark erklärte die Landesrätin mit der hohen Anzahl an Pflegeheimen.

Die ärztliche Versorgung in den Pflegeheimen sei anfangs nicht ideal gewesen, habe dann aber nachschärfen können. Aus der Situation in den Pflegeheimen habe man Lehren gezogen, so Bogner-Strauß weiter, etwa was die Hygienemaßnahmen betrifft und wo Infektionen stattfinden.

Gut funktioniert habe es im vergangenen Jahr in den Kindergärten und Schulen – hier habe es vergleichsweise wenig Clusterbildungen gegeben, so die Landesrätin.

Entzug der Pflegeheim-Bewilligung für schwarze Schafe

Bogner-Strauß kündigte für den Sommer einen Gipfel an, um herauszufinden, was in Zukunft besser laufen könnte: „Was man auch ganz klar sagen muss, es hat auch schwarze Schafe gegeben, die gibt es immer, und die gibt es überall. Da muss man sich wirklich anschauen, ob es in Zukunft den Entzug gewisser Pflegwohnheim-Bewilligungen geben wird.“ Seit in den Pflegewohnheimen geimpft wird, gibt es laut Bogner-Strauß kaum noch Neuinfektionen. 50 Prozent der Mitarbeiter sind bereits geimpft, sie hofft aber, dass sich noch mehr impfen lassen.

Dramatische Erfahrungen

Für den Hartberger Allgemeinmediziner Alexander Moussa waren vor allem die fehlenden Schutzausrüstungen in den ersten Monaten ein großes Problem. Bei seinem Einsatz in der Hartberger Impfstraße registrierte er am Dienstag aber sehr viele positive Reaktionen: „Jeder, der eine Impfung verabreicht bekommt, freut sich sehr darüber. Wir impfen ja in den Pflegeheimen bereits seit Jänner, da war die Erleichterung bei allen Beteiligten noch eine Spur größer, weil die Erfahrungen mit dem Virus in den Heimen so enorm dramatisch waren.“

Keine Erklärung für Anstieg in Hartberg-Fürstenfeld

Generell gab es laut Moussa seit Ausbruch der CoV-Pandemie um neun Prozent mehr Sterbefälle, jeder 14. Todesfall ging mit CoV einher. Hätte man nicht so stark eingegriffen, wäre diese Statistik noch viel fataler ausgefallen, so der Allgemeinmediziner. Vor allem in den Pflegeheimen im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld gab es besonders viele CoV-Infektionen und CoV-Tote.

Corona in der Steiermark – Fakten, Fragen und Perspektiven

Unter der Leitung von Wolfgang Schaller diskutieren Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), Dr. Klaus Vander (Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie) und Dr. Alexander Moussa (Praktischer Arzt in Hartberg).

Auch jetzt gilt der Bezirk Hartberg-Fürstenfeld mit einer aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz von knapp 300 weiterhin als CoV-Hotspot in der Steiermark – Moussa führt das auf eine „fatale Konstellation“ zurück: „Zu Beginn der Pandemie traten sehr viele CoV-Fälle im Landeskrankenhaus Hartberg und im Pflegeheim Hartberg auf, das führte zu einem massiven Anstieg der Zahlen in dem bevölkerungsärmeren Bezirk.“ Für die derzeit hohen Infektionszahlen im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld habe er bisher aber keine Erklärung, sagte der Mediziner.

Um die Zahlen zu senken, müssen alle mithelfen

Für den Krankenhaushygieniker Klaus Vander war das Ausmaß dieser Pandemie vor einem Jahr nicht absehbar: Man habe geahnt, das sich etwas Größeres entwickeln könnte, das ganze Ausmaß sei aber nicht zu erahnen gewesen. Dass die Zahlen jetzt wieder im Steigen sind, führt er auch auf das große Testaufkommen zurück, er glaube aber nicht, dass die derzeitigen Zahlen auf eine dritte Welle hindeuten, da es viele dämpfende Faktoren geben würde: „Auf der einen Seiten haben wir den zunehmenden Anteil an immunisierten Bürgern, auf der anderen Seite haben wir mehr immunisierte Menschen, die eine Erkrankung mit dem Coronavirus bereits durchgemacht haben. So sollte es eigentlich zu einem Abflachen der Zahlen kommen, das kann aber nur funktionieren, wenn wir alle mithelfen.“

Bogner-Strauß mit steirischem Impfplan zufrieden

Zu einer Senkung der Infektionszahlen sollen auch die Impfungen beitragen, die in der Steiermark aber schleppender anlaufen als in anderen Bundesländern – ab April erwarten die Experten aber eine große Impfwelle. Gesundheitslandesrätin Bogner-Strauß sagte, die Impfstrategie des Landes sei sehr gut, die älteren Menschen und Hochrisikopatienten würden zuerst geimpft. „Von zu wenig Impfen kann keine Rede sein, die Pflegeheime waren am Anfang unser Fokus, die wollten wir zuerst entlasten.“ Der nächste Impfschritt erfolgte laut Landesrätin in den Krankenhäusern. Sobald Impfdosen in der Steiermark vorhanden seien, würden diese Dosen auch fokussiert verimpft, versicherte Bogner-Strauß.