Chronik

Als Pflegekind missbraucht – Fall in zweiter Instanz

Nach der Abweisung einer Amtshaftungsklage gegen das Land Steiermark durch ein ehemaliges Pflegekind, das in 70ern von seiner Pflegemutter gequält worden sein soll, geht der 54-jährige Betroffene nun in die zweite Instanz.

Der 54-jährige Betroffene hatte nach Abweisung seiner Klage bereits angekündigt, gegen das Urteil vorgehen zu wollen, sobald er genug Spenden dafür gesammelt habe. Das Gericht in erster Instanz sah die Angelegenheit als verjährt an und verdonnerte den 54-Jährigen auch zur Übernahme der Prozesskosten – mehr dazu in Als Pflegekind missbraucht: Klage abgewiesen (16.2.2021).

Crowdfunding verhalf zu nötigem Geld

Bei einer Online-Pressekonferenz am Dienstag hieß es nun, dass bei einer Crowdfunding-Kampagne rund 18.500 Euro zusammengekommen seien und sich auch weitere Spender gemeldet hätten, die den Rechtsweg finanziell unterstützen wollen.

Laut Anwältin Julia Kolda gibt es in dem vom Gericht bestellten Gutachten, das auch Basis der Entscheidung der Verjährung war, Widersprüche. Sie hält die darin getroffenen Schlüsse für nicht nachvollziehbar. Dem Betroffenen sei es ihr zufolge nicht früher möglich gewesen, Klage einzubringen. Das will sie nun dem Oberlandesgericht Graz beweisen. Das Rechtsmittel werde von ihr am Dienstag eingebracht.

Termingerechte Klage „unmöglich“

Auch Psychiater Pius Prosenz schilderte, dass selbst er mit 40 bis 50 Jahren Erfahrung mit forensischer Psychiatrie die Geschichte des mittlerweile im Waldviertel lebenden 54-Jährigen als eine „Besondere“ sehe. Er sagte: „Es war ihm unmöglich, termingerecht eine Klage einzubringen.“ Die Behörden würden eine „Wiedergutmachung der Schandtaten“ versperren.

In der Klage des Betroffenen ging es hauptsächlich um die Frage, ob der Fall verjährt ist oder nicht. Dass der Mann damals als Pflegekind missbraucht wurde, stehe außer Zweifel. Aus Sicht der Kläger war der 54-Jährige bis 2016 nicht in der Lage, eine Klage einzubringen und sich Recht zu verschaffen, da er mangels Bildung nicht dazu in der Lage war.

Hoffen auf Einlenken des Landes

Markus Drechsler, Initiator von www.ueberlebt.at, der für den Betroffenen spricht, hoffe allerdings immer noch auf ein Einlenken des Landes Steiermark, das sich nicht länger hinter einer juristischen Argumentation verstecken solle. Als Vorreiter wurde das Land Tirol genannt, wo im Vorjahr der Landtag beschlossen hat, dass bei Fällen etwa von sexualisierter Gewalt in Heimen auf die Verjährungsfrist gänzlich verzichtet werde.

Dreizeiler von Landeshauptmann erhalten

Aufgrund der abgewiesenen Klage muss der Betroffene eigentlich die Verfahrenkosten begleichen, die rund 20.000 Euro ausmachen. In etwa diese Summe hat er bisher vom Land Steiermark als freiwillige Zahlung erhalten – inklusive einem „Dreizeiler“ von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Das habe ihn aber nicht versöhnt, schilderte Drechsler.