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Grazer Kulturschaffenden fehlt das Publikum

Den Grazer Kulturschaffenden geht der unmittelbare Kontakt mit dem Publikum zusehends ab – das war der Tenor einer vom Grazer Literaturhaus initiierten Gesprächsrunde mit vier Vertretern der Grazer Kunst- und Kulturszene.

Die Gesprächsrunde war am Dienstagabend aufgezeichnet und in der Nacht auf Mittwoch online verfügbar gemacht worden. Die Diskussion war die zweite von drei zum Thema „Lockdown-Jahresbilanz“.

Durch Onlinetheater nicht zu ersetzen

Monika Klengel vom Theater im Bahnhof (TIB) betonte, dass der direkte Kontakt mit dem Publikum den gesellschaftlichen Diskurs fördere und durch diverse Formate des Onlinetheater nicht ersetzt werden könne. „Das Wertvolle im Theater ist, dass hier eine in der besten Form politische Versammlung stattfinden kann, die mit Mitteln der Kunst, der Fiktionalisierung, der Ästhetisierung einen Austausch an Gedanken stattfinden lassen kann.“ Das fehle unserer Gesellschaft, so Klengel. Forum-Stadtpark-Leiterin Heidrun Primas sprach davon, dass sich das „Phantasma des digitalen Raums als Farce herausgestellt“ habe.

Psychologische Belastung nimmt zu

Der Chef der Grazer Bühnen, Bernhard Rinner, ergänzte, dass das Fehlen der Resonanz von Raum und Publikum für die Kunstausübenden auch eine zunehmende psychologische Belastung sei: Der von ihm eingeführte Psychologische Beratungsdienst für die Mitarbeiter der Grazer Oper etwa habe bei 90 Prozent der Klienten konstatiert, das sie indifferente Angstvorstellungen vor der Zukunft hätten – und das, obwohl sie trotz der Aufführungssperre 80 Prozent ihres Einkommens bekämen.

Mit finanzieller Unterstützung zufrieden

Was die finanzielle Unterstützung durch den Staat anbetrifft, zeigten sich die Teilnehmer insgesamt zufrieden. „Man muss sagen, dass wir gut durch die Krise kommen, was das Geld betrifft. Da arbeitet die Politik gut für uns“, so etwa TIB-Geschäftsführerin Klengel. Auch der Verantwortliche des Elevate-Festival, Daniel Erlacher, bezeichnete die Unterstützungen als „sehr gut“ und meinte, dass dadurch auch demokratiepolitisch vorerst keine Gefahr drohe.

Die dritte „Lockdown-Jahresbilanz“ des Grazer Literaturhauses zum Thema „Gesellschaft“ soll am 23. März um 19.00 Uhr live auf YouTube gestreamt werden.

Primas sah in der durch die Pandemie verursachten Situation eine Chance für Kunst und Kultur, über das notgedrungene Bespielen des öffentlichen Raumes ihre politische Rolle in verstärktem Maß zurückbekommen.

Als weitere positive Aspekte der Covid-Krise orteten die Teilnehmer die verstärkte Zusammenarbeit der Interessensvertreter aus der Kulturbranche sowie die Auseinandersetzung mit der künstlerischen Praxis und möglichen neuen und ergänzende Wegen in Bezug auf Kulturformate.

Unsicherheit und Dilemma

Dennoch herrscht bei den Grazer Kulturvertretern auch Skepsis und Unsicherheit darüber, wie es weitergehen kann. Bühnen-Chef Rinner etwa neigte dazu, die laufende Saison abzuhaken und „mit voller Kraft in die nächste Saison“ zu arbeiten. Besonders bedauerte Rinner, dass nicht abzusehen sei, welche und wie viele der fünf bis sechs „fix und fertigen“ Produktionen überhaupt das Rampenlicht erblicken würden. Auch Klengel sah ein Dilemma darin, dass Theater für die Schublade produziert werden müsse, „damit wir Subventionen, Steuergelder bekommen können“ – das sei paradox und ein „Irrsinn“.

Besonders Erlacher und Primas erinnerten auch daran, dass die Pandemie andere globale Krisen wie die Klimaerwärmung und die Flüchtlingsproblematik überdecke. „Die Pandemie, so schlimm sie ist, die werden wir lösen.“ Bei der Klimakrise hingegen gehe es „vollends weiter an die Wand“. Das sei ein Thema, das auch in den nächsten 100, 150 Jahren Auswirkungen haben werde.