Schau „Die Stadt als Datenfeld“
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Kultur

Graz Museum blickt in die Datenzukunft

Wie man die Stadt, die Zukunft und sein eigenes noch zu lebendes Leben sehen kann – das Graz Museum vermittelt in elf Räumen eine Ahnung davon, in der Kulturjahrausstellung „Die Stadt als Datenfeld. Wie wir in Zukunft leben wollen“.

Roter Faden ist der von Vilem Flusser (1920-1991) unvollendete Text „Vom Subjekt zum Objekt“. „Flusser hatte Utopien und Visionen und redete davon, etwas, das es heute kaum mehr gibt“, so Kurator Peter Rantasa bei der Presseführung am Freitag.

Schau „Die Stadt als Datenfeld“
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Utopien auf dem Prüfstand

Es sei eine Schau in Bühnenbildern über die Datafizierung, sagte Mitkurator Otto Hochreiter bei der Präsentation. Man lade mit Flusser ein, Utopien nach 30 Jahren zu überprüfen, was ist tatsächlich so geworden, was ist schiefgegangen. Für Hochreiter sei mit der Ausstellung eine „ganz wunderbare Form gefunden worden, ganz im Sinne des Technikphilosophen Flusser“. Für Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) sei es auch die Frage, wie sich Zukunft durch Digitalisierung verändere. Denn ständig würden in unserer Welt Daten abgefragt und eingemeldet. Laut Rantasa würden dadurch eigentlich für den Menschen abgeschottete Räume wie Wohnungen und Häuser „durchlässiger, als sie es jemals gewesen sind“ – wie auch in Raum, pardon, Datenfeld 6 der Ausstellung thematisiert.

Die Ausstellung „Die Stadt als Datenfeld. Wie wir in Zukunft leben wollen“ ist bis 29. August 2021 zu sehen.

Erlebnisausstellung

Laut Rantasa ist „Die Stadt als Datenfeld“ keine Konsumations-, sondern eine Erlebnisausstellung. Los geht es eigentlich schon mit einem riesigen QR-Code im Eingangsbereich des Graz Museums in der Sackstraße. Stadt ist aus unterschiedlichsten Daten konzipiert – man kann durchaus rätseln, welche bekannten Grazer Gebäude am Boden in kartografischen Umrissen dargestellt sind – eben eine andere Art der Datenaufbereitung.

Wie geht es den Bewohnern einer Stadt mit Daten – „zuerst machen wir sie, dann machen sie uns“ – welche Möglichkeiten zur „Menschwerdung“ gibt es analog zu Flusser durch Technik? Vieles davon geschieht unbemerkt, wie in Datenfeld 2 zu sehen ist – ständig klassifiziert sich der Mensch selbst durch freiwillig und gratis preisgegebene Information – nach Klasse und Kasse, nach Rasse, Geschlecht und Herkunft – das Resultat ist oft genug racial profiling und predictive policing.

Familie, Sex und Partnerwahl

Flussers visionäre Überlegung bietet die Bühne für den Konflikt zwischen Effizienz und Optimierung versus persönlicher und kollektiver Freiheit der Entscheidung. Algorithmen auf Basis von Daten optimieren, selektieren, scheiden aus, sparen ein – hoch effizient. „Aber gibt es da Freiheit, ja oder nein?“ fragt Kurator Rantasa.

Stichwort Familie, Sex und Partnerwahl, Datenfelder 7 und 8: In einem gespiegelten Raum begegnet man einem von künstlicher Intelligenz geschaffenen Gesicht – seiner selbst? Denn bei Onlinepartnerbörsen gibt man Intimstes preis, vorgeschlagen wird einem oft ein Spiegel des eigenen Seins und Wollens. Stichwort: Smart Sex Toys, die etwa über das Smartphone gesteuert werden. Da werden Daten preisgegeben, die sonst wohl nur in den berühmten vier Wänden bleiben sollten.

Murmel entscheidet

In jedem Raum gibt es einen QR-Code zum Abrufen von Themenführungen, sowie fix installierte Tablets zum weiterführenden Diskurs. Weiters erhält man als Besucher eine Murmel, die man im finalen Raum in eine Box werfen kann – und damit die Frage auch sich selbst beantwortet, ob Technik und Wissenschaft eine bessere Welt schaffen halfen oder nicht.

Zehnwöchiges Diskursfestival

Die Gestalter lassen es nicht bei der Ausstellung im Graz Museum bewenden. Am Ende wird es ein zehnwöchiges Diskursfestival zu den Themen der Ausstellungsräume, teilweise im GrazMuseum und GrazMuseum Schloßberg sowie an prägnanten Kulturorten mit Vorträgen zu den einzelnen Themen und Mitwirkung von Grazer Initiativen geben. Geplant sind auch Themenführungen zu wechselnden Schwerpunkten wie z. B. Datenökonomie, Privatsphäre, Sicherheit u.v.m. Dazu kommt ein begleitendes und vertiefendes, diskursives Webformat, das auch die Funktion eines die Ausstellung überdauernden Kataloges übernehmen soll.