Chronik

Tag zwei im Semmering-Tunnel-Prozess

Am Dienstag ist im Straflandesgericht Leoben der Prozess rund um den Millionenbetrug beim Bau des Semmeringbasis-Tunnels fortgesetzt worden. Am Dienstag ging es um ein „schwarzes“ Diesel-Gegengeschäft.

Insgesamt müssen sich seit Montag sechs Männer wegen des Verdachts des gewerbsmäßig schweren Betrugs vor einem Schöffengericht in Leoben verantworten: Sie sollen in unterschiedlichen Konstellationen in den Jahren 2018 und 2019 rund 1,6 Mio. Euro an Baumaterialien sowie rund 200.000 Liter Diesel abgezweigt haben – mehr dazu in Millionenbetrug bei Semmeringtunnel: Prozess. Am Dienstag wurde der 35 Jahre alte Zweitangeklagte befragt.

„Körberlgeld für die Oberen“

Der 35-jährige Niederösterreicher war als Baukaufmann für die bauausführende Arbeitsgemeinschaft tätig – bei ihm sollen laut Anklage die kriminellen Fäden zusammengelaufen sein. Der Beschuldigte stritt das ab, gestand aber ein „schwarzes“ Diesel-Gegengeschäft, seine Vorgesetzten hätten davon gewusst. Das alles erfolgte offenbar mit Scheinlieferungen und -rechnungen, geschädigt wurde die bauausführende Arbeitsgemeinschaft (ARGE).

Am Montag hatte der Erstangeklagte, ein 48-Jähriger, zugegeben, beim Abzweigen von Treibstoff beteiligt gewesen zu sein – er belastete den 35-Jährigen schwer, denn er soll ganze Tank-Lkw-Ladungen organisiert haben. Der Diesel wurde dann an Bauern aus der Region zu 70 oder 80 Cent je Liter verkauft. Das lukrierte Geld sammelte der 48-Jährige, und er soll es an den 35-Jährigen weitergegeben haben – „Körberlgeld für die Oberen“ sei das vom Zweitangeklagten genannt worden.

Der 35-Jährige schilderte die Vorgänge am Dienstag vor Gericht anders: Die ARGE habe dringend nach Deponien für Aushubmaterial gesucht, und der 48 Jahre alte Erstangeklagte habe seine Hilfe angeboten. Er suchte nach Grundeigentümern, die ihre Flächen zur Verfügung stellten – dafür soll der Erstangeklagte aber 30.000 Euro Vermittlungsprovision verlangt haben, sagte der Beschuldigte.

Statt Bargeld gab es „Schwarz-Diesel“

Der Vorgesetzte des 35-Jährigen habe eingewilligt, aber nur gegen Rechnung – das habe der 48-Jährige aber nicht gewollt: „Er wollte es Cash und ohne Rechnung. Das war aber nicht möglich. So kam es zum Gegengeschäft mit Diesel“, beschrieb der Baukaufmann. „Es wurde vereinbart, dass ich einen Tank-Lkw zu ihm schicke und er sich 5.000 Liter Diesel nimmt. Der Rest wurde dann zur Baustelle geliefert“, so der Beschuldigte.

Insgesamt sechs Lieferungen seien so erfolgt – der 48-Jährige habe also 30.000 Liter erhalten, 10.000 mehr als zuerst vereinbart, aber „der Druck war hoch, und er sagte mir, dass der Eigentümer des Grundstücks schwierig sei. Er meinte, er schaffe das, aber er brauche 10.000 mehr“. Nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten habe der 35-Jährige der Aufstockung zugestimmt.

„Ich hatte keine Vorstellung wie das funktionieren soll“

Die Richterin wollte wissen, wer denn dann auf der Semmering-Basis-Tunnel-Baustelle für einen ganzen Tank unterschreiben soll, wenn 5.000 Liter weniger geliefert wurden: „Wie hatten Sie sich das vorgestellt?“ „Ich hatte keine Vorstellung, wie das funktionieren soll. Das war auch nicht so wichtig, und ich hatte ja nichts zu befürchten“, meinte der 35-Jährige. Die entsprechenden Lieferscheine habe er jedenfalls nicht alle kontrolliert: „Ich ging davon aus, dass er sich an die Vereinbarung hält.“

„Wieso gab es überhaupt schon Diesel-Lieferungen, obwohl da noch keine Leistung vom 48-Jährigen war?“ „Es sollte eine Anzahlung sein“, begründete der 35-Jährige. Außerdem seien mehrere kleinere Lieferungen nicht so bei der „Finanz“ aufgefallen: „Die Sache war ja finanztechnisch nicht so in Ordnung.“

Bei der Befragung durch die Polizei habe er seine Firma schützen wollen und daher noch andere Angaben gemacht. Der Prozess wird in den kommenden drei Tagen mit der Befragung der anderen Angeklagten fortgesetzt, ab Montag sollen dann erste Zeugen gehört werden. Ein Urteil dürfte frühestens Ende April fallen.