Wissenschaft

Grazer Forscher durchleuchten Fliegenpilz

Der Fliegenpilz ist zwar niedlich anzusehen, aber giftig und rätselhaft: Er schützt sich mit verschiedenen Nervengiften und reichert extrem hohe Mengen des Metalls Vanadium an. Letzteres analysierten nun Chemiker der Uni Graz.

Man findet ihn unter Birken oder Fichten, aber vor allem auch in Märchenbüchern, Kinderliedern und auf Glückwunschkarten – den Fliegenpilz (Amanita muscaria). Der Pilz mit dem weiß getüpfelten, roten Hut schaut zwar niedlich aus, aber: Wer vor Fraßfeinden und Konkurrenten nicht davonrennen kann, muss sich zu verteidigen wissen.

Pilze produzieren aus diesem Grund chemische Abwehrstoffe, die sie bei Verwundung freisetzen. Beim dafür legendären Fliegenpilz sind es Ibotensäure und der Giftstoff Muscimol. Dieses Gift ist um ein Vielfaches stärker als Ibotensäure, wirkt etwa beim Menschen halluzinogen und kann zu Bewusstseinsstörungen führen.

Metall Vanadium wenig erforscht

Doch auch extrem hohe Mengen des Metalls Vanadium werden von Fliegenpilzen angereichert – und zwar bis zu tausendmal mehr als bei anderen Pilzen. Das begehrte Übergangsmetall, das in vielen Legierungen verwendet wird, ist in der Natur für viele Lebewesen essenziell und spielt etwa bei der Steuerung von Enzymen der Phosphorylierung eine Rolle und wird von Bakterien zur Stickstofffixierung genutzt, es gilt jedoch noch immer als wenig erforschtes Element, dessen biologische Funktion noch nicht restlos geklärt ist.

„Dass Vanadium im roten Fliegenpilz in Form der Vanadiumverbindung Amavadin vorhanden ist, ist seit Längerem bekannt – allerdings wissen wir noch nicht, welche Funktion die Verbindung in den Pilzen hat“, sagt Simone Bräuer, analytische Chemikerin an der Universität Graz. Bisher fehlten Methoden zur genauen Untersuchung der Verbreitung und Biosynthese von Amavadin, wie die Spezialistin für die Bestimmung von Spurenelementen im Umweltkontext weiter ausführte.

Analyse von Amavadin durch spezielles Verfahren möglich

Diese Lücke hat die Forscherin mit weiteren Kollegen am Institut für Chemie geschlossen: Sie hat gemeinsam mit Walter Gössler sowie Martin Walenta und Lorenz Steiner ein sensitives Verfahren entwickelt. Es beruht auf der Kombination von Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) und induktiv gekoppelter Plasma-Massenspektrometrie (ICPMS).

„Wir haben die Stoffe aus den Pilzen mit Wasser herausgelöst, dann die enthaltenen Verbindungen durch ihre unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften voneinander getrennt und anschließend Amavadin aufgrund der Masse der enthaltenen Vanadiumatome gezielt bestimmen können“, fasste Bräuer die hochkomplexe Methode kurz zusammen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Fachmagazin „Journal of Analytical Atomic Spectrometry“ veröffentlicht.

Hohe Amavadin-Konzentration vor allem in Fliegenpilz

So wurden laut der Studie u. a. mehr als 75 Prozent des extrahierten Vanadiums in Form von Amavadin gefunden. Beim Fliegenpilz wurden die höchsten Vanadium-Konzentrationen in den Zwiebelproben ausgemacht, bei den Proben weiterer Pilze lagen die Konzentrationen fünfmal niedriger. Bisher ging man davon aus, dass nur der rote Fliegenpilz und seine wenigen eng verwandten Arten Amavadin enthalten.

Mit der entwickelten Methode könne nun untersucht werden, ob auch in anderen Umweltproben Spuren von Amavadin vorhanden sind. „Dies wird dazu beitragen, den biogeochemischen Weg von Vanadium und seine Rolle in der Umwelt aufzuklären“, schloss Bräuer. Die Forscherin plant bereits ein weiteres Projekt und möchte dabei eng mit Grazer und tschechischen Mykologen (Pilzexperten, Anm.) zusammenarbeiten.